H2O – das aus Sauerstoff und Wasserstoff gebundene Element ist selbstverständlich wie unersetzlich. Vor dem Hintergrund von Klimawandel und Wasserknappheit ist das Lebenselixier ein Thema von globaler Bedeutung.
Ein riesiger blauer Tropfen hängt an einem Hahn. Das Logo zur Ausstellung macht auf einen Blick klar: Das ist die Gestalt des Wassers, die für alle verständlich ist. Da fliesst es heraus, damit wir trinken, uns waschen und unsere Dinge reinigen können. Wie das Wasser in den Hahn kommt, berührt uns allenfalls, wenn es nicht da ist. H2O – das aus Sauerstoff und Wasserstoff gebundene Element ist ebenso banal wie einzigartig. Ein Teil unserer modernen Kultur hängt daran. Es gibt wenig, was wir so sehr mit dem Fortschritt der Zivilisation verbinden wie den Umgang mit Wasser.
Wasser ist das Lebenselement schlechthin. Neben Feuer, Luft und Erde galt es in der Antike als Urstoff allen Seins. Es macht die Felder fruchtbar und lässt die Pflanzen wachsen, so dass der Mensch sich ernähren kann. Seine Flüsse und Meere verbinden die Kontinente als Wege für die Schifffahrt. Nicht zuletzt besteht der Mensch selbst zu mehr als zwei Dritteln seines Körpers aus Wasser. All dieses Wissen war im Grunde von Beginn an im Menschen angelegt. Instinktiv wusste er, dass er von dieser kostbaren Substanz abhängig ist – im guten wie im schlechten Sinn. Denn zur lebenspendenden gehört auch die zerstörerische Kraft des Wassers.
Wassersysteme der Hochkulturen
Vor dem Hintergrund von Klimawandel und Wasserknappheit widmet sich die Ausstellung auf dem Toni-Areal also einem wichtigen und global bedeutsamen Thema. Design meint hier nicht nur die Dinge, sondern auch die Gestaltung von Landschaft und Städten. Entsprechend dicht ist der Rundgang angelegt: Architektur, Wissenschaft, Kunst, Ökologie, Kulturgeschichte spielen mit. Das Thema ist riesig, vieles kann nur knapp angerissen werden.
Das Ziel ist, beim Publikum ein neues Bewusstsein für die Ressource Wasser zu schaffen. Ebenso informativ wie visuell inspirierend, gelingt dies der Schau zweifellos. Dass sie breite Resonanz erreichen will, zeigt auch die Konzeption als Wanderausstellung: Hamburg, Zürich und Wien sind die Stationen.
Faszinierend ist gleich der Beginn mit der Geschichte der Wasserbewirtschaftung. Mehr als zehntausend Jahre rollen am Betrachter vorbei: von der Beobachtung des Meeresspiegels bei den australischen Aborigines bis zum für das Jahr 2050 projektierten Wasserbedarf der Weltbevölkerung. Doch abgesehen von solchen Zeitspannen sind es die Wassersysteme der Hochkulturen, die besonders beeindrucken.
Zum Beispiel die unterirdischen Aquädukte in Iran, die sogenannten Kanate. Bereits 1000 v. Chr. angelegt, leiteten sie Wasser aus den Bergen zu tiefer gelegenen Städten und Feldern: eine ingenieurtechnische Meisterleistung. Manche der Kanate sind heute noch in Betrieb.
Ob Hochkulturen oder indigene ländliche Kulturen: Das Bewusstsein für das lebenspendende Element war stets präsent und Teil der Kultivierung. Fruchtbarkeit und Reichtum, und damit das Wohlergehen des Menschen, hingen weitgehend an der Nutzung des Wassers. Es gehörte zur Basis der menschlichen Kultur. Mit der immer intensiveren Bewirtschaftung des Wassers seit der Neuzeit ist dieses Wissen in unseren Industrienationen allerdings stark geschwunden. Auch im Zug der Folgen des Klimawandels rückt die Bedeutung des Wassers nur zögernd ins Bewusstsein der Menschen.
Ende der Toilette?
Wasser ist heute eine vielfach unsichtbare Ressource. Die Kühlung von Fabrikationsanlagen, die Leitungen des Trinkwassers und der Kanalisation – es sind verborgene Ströme, die an uns vorbeifliessen, als wären sie nicht da. Wir müssen nicht mehr an den Brunnen gehen. Das Lebenselement ist jederzeit verfügbar. Von heute aus gesehen, könnte man unsere moderne Bäder- und Küchenkultur als Endpunkt einer Entwicklung der Wassernutzung sehen, die Spültoilette als Krönung des hygienischen Luxus.
«Death to the flushing toilet»: Die Aktivisten von The Dry Collective im finnischen Pavillon an der Architekturbiennale 2023 in Venedig stellten den Wasserverbrauch moderner WC in den Mittelpunkt ihrer Kampagne. Pro Spülung fliessen rund sieben Liter Trinkwasser weg. Es gibt nur wenige Nutzungen, die so widersinnig mit der Ressource Wasser umgehen und so selbstverständlich sind. Was einem Umdenken im Weg steht, ist die Gewöhnung an einen Zustand. Wie aber könnte die Umsetzung von Komposttoiletten in modernen Mietbauten aussehen? Die Forschung dazu steckt noch in den Anfängen und hat wohl eher den Ruf eines kuriosen Randthemas.
Die Ausstellung bringt zahlreiche Beispiele aus Regionen, in denen ein Umdenken aus der Not heraus neue Ideen gebracht hat. Fast immer handelt es sich um zwei gegensätzliche Nöte: den Mangel an Wasser oder die Bedrängung durch steigende Fluten. Nebelkollektoren in Bergregionen in Marokko und Südamerika sind eine erstaunlich effektive Methode der Trinkwassergewinnung. Mittels aufgespannter feiner Netze wird das Wasser gesammelt. Das Wasser aus der Atmosphäre ist standortabhängig und die Umsetzung begrenzt. Doch wie jede Idee trägt es die Hoffnung auf künftige Möglichkeiten.
Wasser im Überfluss gibt es vor allem in den Küstenregionen. Der steigende Meeresspiegel frisst Landflächen weg und erodiert ganze Städte. Im nigerianischen Lagos werden Häuser in die Randzonen gebaut, die schwimmen und je nach Bedarf umgenutzt werden können. Es sind kleine Schritte für ein riesiges Problem. Doch genau hier setzt die Schaffung eines neuen Bewusstseins an. Wann es auch in unserem wohlversorgten Lebensstil ankommen wird, ist ungewiss.
«Wasser. Gestaltung für die Zukunft». Museum für Gestaltung, Zürich, Toni-Areal. Bis 6. April.