Mittwoch, April 2

Vor einem Jahr wurde Bassirou Faye als neuer senegalesischer Präsident vereidigt. Er distanziert sich von der früheren Kolonialmacht anders, als das die Putschstaaten der Sahel-Region taten.

Dass Bassirou Diomaye Faye vor rund einem Jahr zum neuen Präsidenten von Senegal gewählt wurde, gehört zu den erstaunlichsten Wahlergebnissen auf dem afrikanischen Kontinent. Der damals gerade einmal 44-jährige frühere Steuerinspektor war erst Tage vor der Wahl aus dem Gefängnis entlassen worden. Dort hatte er wegen des Vorwurfs der Verleumdung und Richterbeleidigung rund ein Jahr lang eingesessen.

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Obwohl er bis dahin politisch kaum bekannt war, konnte sich Faye in der Präsidentenwahl im ersten Wahlgang durchsetzen – ein Novum in der Geschichte des westafrikanischen Küstenstaats. Und es ist umso bemerkenswerter, als der politische Aussenseiter gegen den ehemaligen Premierminister Amadou Ba antrat, der für die Partei des scheidenden Präsidenten Macky Sall kandidierte. Fayes Sieg wurde denn auch als Sieg für die senegalesische Demokratie gewertet, auf die die Bevölkerung der früheren französischen Vorzeigekolonie stolz ist.

Versuchten Staatsstreich abgewendet

Dem Wechsel an der Staatsspitze war eine monatelange politische Krise vorausgegangen. Teilweise gewaltsame Proteste auf der Strasse hatte die Polizei mit Tränengasgranaten bekämpft; Hunderte von Regierungskritikern waren festgenommen worden.

Anlass für die Proteste war, dass Fayes Parteifreund – und der heutige Premierminister – Ousmane Sonko von der Kandidatur zur Präsidentenwahl ausgeschlossen worden war. Der bekannte linkspopulistische Politiker ist vor allem bei jungen Senegalesen beliebt. An seiner Stelle hatte deshalb sein Freund Faye kandidiert.

Zudem war der ursprüngliche Wahltermin des Amtsvorgängers Sall hinausgeschoben worden. Die Präsidentenwahl fand dann etwa einen Monat später doch statt; Sall hatte dem Druck der Strasse nachgeben und einsehen müssen, dass eine solche verfassungswidrige Wahlaussetzung in Senegal nicht machbar ist. Das knapp 18 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählende Land gilt als eine der stabilsten Demokratien Afrikas.

Die schwere politische Krise rund um die Durchführung der Präsidentenwahl war in europäischen Hauptstädten mit besonderer Spannung verfolgt worden. Denn Sonko und sein Weggefährte und Statthalter Faye versprachen, Senegal von der früheren Kolonialmacht Frankreich unabhängiger zu machen, die aus der Kolonialzeit stammende westafrikanische Währung CFA-Francs abzuschaffen, internationale Rohstoffverträge neu zu verhandeln, die politischen Institutionen Senegals zu reformieren und massiv gegen die verbreitete Korruption vorzugehen.

Das klang ganz ähnlich wie die Forderungen, die zuvor Demonstrierende in den Hauptstädten anderer westafrikanischer Länder skandiert hatten. Angefangen mit einem Putsch in Mali im August 2020, entrissen die Armeen der drei Länder Mali, Burkina Faso und Niger den bis dahin zivilen Regierungen nach und nach die Macht. Ein grosser Teil der Bevölkerung applaudierte den Militärs, frustriert und zornig über die miserable Regierungsführung ihrer demokratisch gewählten Eliten. In allen drei Ländern folgten der Bruch mit Frankreich, ein angespanntes Verhältnis zu anderen westlichen Ländern und die enge Kooperation mit Russland.

Den Bruch mit dem Westen vermieden

Faye aber ist es in seinem ersten Amtsjahr gelungen, einen dritten Weg zu entwickeln: Er hat den Bruch mit dem Westen vermieden und trotzdem klargemacht, dass neokoloniale Strukturen auch in Senegal keine Zukunft haben. Folgerichtig forderte Fayes Regierung Ende November, dass alle im Land stationierten französischen Soldaten abziehen müssten.

Die Forderung, die zeitgleich auch die Regierung von Tschad aussprach, lag in einer Linie mit den Entwicklungen in Mali, Burkina Faso und Niger. Bezeichnend sind aber auch die Unterschiede: Während die Sahelstaaten mit Frankreich brachen, sucht Senegal offenkundig eine zeitgemässe Reform des Verhältnisses zu Frankreich. Mitte Februar kündigten die Aussenminister beider Länder an, sie wollten eine gemeinsame Kommission gründen, die sich um den Abzug der französischen Truppen kümmern soll. Weiter heisst es, die beiden Länder hätten die Absicht, eine neue strategische Partnerschaft für Verteidigungs- und Sicherheitsfragen auszuarbeiten.

Wie im Wahlkampf versprochen, lässt Faye auch die Neuverhandlung von Rohstoffabkommen überprüfen. Auch hier vermeidet er brüske Schritte. Im August liess er eine Kommission einrichten, die alle Verträge zur Ausbeutung fossiler Brennstoffe mit ausländischen Unternehmen überprüfen soll, die Ergebnisse stehen noch aus.

Wirtschaftliche Stabilisierung erreicht

Einen dritten Weg sucht Faye auch im Umgang mit den westafrikanischen Nachbarn – allerdings mit mässigem Erfolg. Senegal ist das Schwergewicht im westafrikanischen Wirtschaftsbündnis Ecowas. Mali, Burkina Faso und Niger haben ihren Austritt erklärt, die Ecowas will sie halten und hat ihnen eine Frist bis Mitte des Jahres eingeräumt, in der sie ihre Entscheidung revidieren können. Faye hatte zuvor vergeblich zwischen der Ecowas und den drei Austrittskandidaten zu vermitteln versucht.

Die Bilanz der Senegalesinnen und Senegalesen fällt ein Jahr nach der historischen Wahl gemischt aus, ihr Fokus liegt auf der wirtschaftlichen Entwicklung. Immerhin ist es Fayes Regierung gelungen, die Preise für Grundnahrungsmittel wie Brot, Öl und Zucker zu senken und zu stabilisieren. Kritiker vermissen die versprochenen Projekte, die mehr Arbeitsmöglichkeiten vor allem für junge Menschen schaffen sollen. Insgesamt hätte sich die Bevölkerung ein höheres Tempo der Reformen gewünscht, sie scheint Faye und seiner Regierung allerdings noch mehr Zeit zuzugestehen.

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