Sonntag, November 24

Nicht immer ist der Boden unter den Füssen so fest, wie er scheint. An vielen Orten ist er löchrig: Grotten, Dolinen, Tunnels und andere Hohlräume geben eine Ahnung vom Erdinnern. In der Schweiz sind viele davon mit Wanderwegen erschlossen. Wir stellen die zehn spannendsten vor.

Die mittelalterliche Höhlenburg Rappenstein ist der wohl eigentümlichste Burgenbau der Schweiz. Sie füllt eine Spalte in einer senkrechten Fluh. Der Raum, den sie einnimmt, weist einen annähernd dreieckigen Grundriss auf: Zwei Seiten werden von den Wänden der höhlenartigen Nische gebildet, die Aussenfront hat man mit zugehauenen Steinen gemauert. Das Bauwerk liegt im Tobel des Cosenzbachs und ist exakt nach Norden ausgerichtet; selbst im Hochsommer dringt kein Sonnenstrahl in die schattige und feuchte Ecke.

Wozu diese unmöglich gelegene Burg diente, ist mysteriös – in keinem einzigen historischen Dokument wird sie erwähnt. Vermutlich wurde sie nicht als ständiger Aufenthaltsort genutzt, sondern als geheimer Rückzugsort in Konfliktzeiten.

Den gespenstischen Schauplatz erreicht man in einer knappen Stunde ab Untervaz. Auf den ersten Blick zeigt sich die Ruine völlig unzugänglich. Der untere Teil ist mit Felsbrocken gefüllt, die im Laufe der Zeit von der Höhlendecke herabstürzten. Durch die – von aussen gesehen – rechts liegende der drei unteren Öffnungen ist ein Zustieg trotzdem möglich, allerdings nicht ohne Tücken: Zu Beginn muss man die Hände zu Hilfe nehmen, weiter oben ist der Boden wegen des stetig herabtropfenden Wassers glitschig.

Route: Untervaz–Castrinis–Burgruine Rappenstein und auf gleichem Weg zurück
Streckenlänge: 5 km
Aufstieg: 360 m
Abstieg: 360 m
Wanderzeit: 1 h 50 min
Schwierigkeitsgrad: mittel


Eines der wildesten Täler der Schweiz ist das Val Bavona. In den Wäldern, auf den Weiden, selbst in den kleinen Dörfern – überall liegen monströse Felsblöcke, die oft so gross sind wie mehrstöckige Häuser. Unter manchen von ihnen gibt es stattliche Hohlräume. Diese Splüi, wie die Einheimischen sie nennen, wurden früher als Ställe, Backstuben oder gar als Wohnräume genutzt.

Bis vor einem halben Jahrtausend war das Tal ganzjährig besiedelt, dann verlegten die Einwohner ihre Wohnsitze aufgrund von zusehends schwierigen klimatischen Bedingungen an den Talausgang.

Ein Wanderweg verbindet die Dörfer untereinander. Etwa auf halbem Weg, zwischen Ritorto und Sabbione, führt er an einem besonders eindrücklichen Splüi vorbei: Der Splüi di Inselmitt entstand aus zwei natürlichen Klüften zwischen übereinandergeworfenen Felsblöcken und diente als geräumiger Ziegenstall. Nicht weniger als vierzig Tiere sollen darin Platz gefunden haben.

Route: San Carlo/Bavona–Sonlerto–Foroglio–Ritorto–Sabbione–Fontana–Mulini–Bignasco
Streckenlänge: 12,9 km
Aufstieg: 300 m
Abstieg: 800 m
Wanderzeit: 4 h
Schwierigkeitsgrad: leicht


Mondmilch kommt weder von Kühen noch vom Mond. Vielmehr handelt es sich um einen weichen, hellen Gesteinsüberzug, der in Kalksteinhöhlen vorkommt. Bis ins 19. Jahrhundert wurde er gewerblich abgebaut und als Heilmittel für Mensch und Tier verkauft. Eines der Vorkommen befand sich in einer Höhle am Südhang der Pilatuskette.

Das Mondmilchloch, wie es noch heute genannt wird, ist von der Alp Birchboden auf einem schmalen, nicht signalisierten und teilweise etwas exponierten Pfad erreichbar. Hinter dem Eingang der Höhle öffnet sich ein grosser, hallenartiger Raum. Von ihm geht ein sich spaltenartig verengender Gang ab, der rund 100 Meter tief in den Berg führt. Mondmilch findet man dort heute nur noch in Spuren.

Route: Ämsigen–Unterchretzen–Birchboden–Mondmilchloch–Lütholdsmatt–Alpnach
Streckenlänge: 15,6 km
Aufstieg: 660 m
Abstieg: 1570 m
Wanderzeit: 5 h 20 min
Schwierigkeitsgrad: schwer


Eine Eigenheit des Zürcher Oberlands sind die höhlenartigen Einbuchtungen in bewaldeten Tobeln: sogenannte Gubel. In der Gegend sind Gesteinsschichten aus vorgeschichtlichen Anschwemmungen wie bei einer Crèmeschnitte übereinandergestapelt. Wo sich ein Bach ins Terrain eingrub, spülte er den weicheren Sandstein weg, während die harte Nagelfluh bestehen blieb.

Eine der schönsten dieser Formationen ist der Wissengubel, erreichbar auf einer Rundwanderung ab Gibswil. Die Tour führt zu einer weiteren geologischen Besonderheit der Region: zur Täuferhöhle, die weiter oben in der Westflanke des Almen liegt. Das abgelegene, geheimnisvolle Plätzchen wurde im frühen 16. Jahrhundert von Angehörigen der Täuferbewegung als Zufluchtsstätte und Versammlungsort genutzt. Mit ihrer radikal reformatorischen Strömung hatten sie sich von der jungen reformierten Kirche abgespalten und wurden deshalb verfolgt.

Route: Gibswil–Wissengubel–Hintersennenberg–Schufelberger Egg–Almen– Täuferhöhle–Kleinbäretswil–Gibswil
Streckenlänge: 12,2 km
Aufstieg: 560 m
Abstieg: 560 m
Wanderzeit: 3 h 50 min
Schwierigkeitsgrad: leicht


Über dem Städtchen Stein am Rhein wacht das Schloss Hohenklingen. Auf halbem Weg dorthin liegen mehrere Sandsteinhöhlen, die im 19. Jahrhundert angelegt wurden. Sie dienten als Lager für Eisblöcke, die man im Winter aus dem zugefrorenen Untersee sägte, um sie im Sommer für die Bierproduktion zu nutzen.

Nachdem die lokale Brauerei Anfang des 20. Jahrhunderts ihren Betrieb eingestellt hatte, wurden in den Höhlen Gemüse, Kartoffeln und Öl eingelagert sowie Champignons gezüchtet. Als Brut- und Wohnquartier für Fledermäuse sind sie heute für die Öffentlichkeit gesperrt. Einzig die Fünf-Minuten-Höhle ist für Besucher zugänglich. Ihren Namen verdankt sie einer Mutprobe, die im Städtchen seit Generationen praktiziert wird: Der etwa 50 Meter lange Stollen geht an seinem hinteren Ende in einen Lüftungsschacht über, der so eng und niedrig ist, dass er nur von Kindern passiert werden kann. Fünf Minuten benötigen die Kleinen, um den Gang zu durchqueren und am anderen Ende wieder ans Tageslicht zu kommen.

Route: Stein am Rhein–Bleiki–Schloss Hohenklingen–Ärgete–Sandsteinhöhlen–Stein am Rhein
Streckenlänge: 7,8 km
Aufstieg: 290 m
Abstieg: 290 m
Wanderzeit: 2 h 15 min
Schwierigkeitsgrad: leicht


Zu kurz, zu viel Asphalt – der Abstecher von Chevenez zum Creugenat ist eigentlich keine richtige Wanderung. Doch das Ziel ist eine in ihrer Art einmalige Sehenswürdigkeit, und obwohl es in der Nähe eines Radwegs liegt, kann es nicht anders als zu Fuss erreicht werden. Es handelt sich um ein von Bäumen umgebenes, rund 15 Meter tiefes und nahezu kreisrundes Loch.

Als Doline wird eine solche Absackung bezeichnet. Davon gibt es in der Schweiz viele, die meisten liegen trocken, manche sind mit Wasser gefüllt. Doch der Creugenat ist ein Spezialfall. Das Karstloch wird mehrmals im Jahr zur Quelle. Dafür gibt es im Französischen einen eigenen Gattungsbegriff: Estavelle, so wird eine Doline genannt, die sich ab und zu von unten her füllt. Meist geschieht dies zur Zeit der Schneeschmelze oder nach intensiven Niederschlägen. Auch wenn der Prozess nicht schlagartig abläuft, ist er etwas unheimlich. Im regionalen Dialekt wurde der Ort deshalb Creux aux Djenatsches genannt – Loch der Hexen.

Der Schlund ist fast ringsum von senkrechten Felswänden umgeben. Von Norden her gibt es jedoch einen Zugang in die Tiefe. Der glitschige Hang ist dort mit einer Art Treppe ausgestattet: Schuhgrosse Holzblöcke sind mit Eisenpfosten arretiert worden, daneben ein gespanntes Seil, an dem man zum Grund der Senke gleiten kann.

Wem die Tour zu kurz ist, der startet bereits in Damvant, wandert von dort zu den Grottes de Réclère (das touristisch erschlossene Höhlensystem birgt unter anderem den mit 15 Metern Höhe grössten Stalagmiten der Schweiz) und via Roche-d’Or nach Chevenez.

Route: Postauto-Haltestelle Chevenez/Paléo Jura–Creugenat–Courtedoux
Streckenlänge: 3,5 km
Aufstieg: 20 m
Abstieg: 40 m
Wanderzeit: 50 min
Schwierigkeitsgrad: leicht


Als Schulkinder trieben sich die Brüder David und Albert Andrist am liebsten in den Wäldern und Felshängen oberhalb ihres Wohnorts Oberwil herum. In den Höhlen des Karstgebiets Gsässgrind entdeckten sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts Knochen von Höhlenbären, später ein bronzezeitliches Messer. Als Erwachsene legten sie in jahrzehntelanger Kleinarbeit das Schnurreloch frei, indem sie den dort abgelagerten Lehm Schicht für Schicht sorgfältig abtrugen. Dabei förderten sie Tausende von Fundstücken zutage, mit denen sich belegen liess, dass die Grotte in prähistorischer Zeit immer wieder Menschen Unterschlupf geboten hatte.

Heute ist das Schnurreloch ein spannendes Ausflugsziel für Familien mit berggängigen Kindern, ebenso wie das benachbarte Zwärgliloch, wo Sitzplätze und eine Feuerstelle eingerichtet sind. Erreichbar sind die beiden Höhlen auf einer Wanderung, die zunächst durch die Schlucht des Buuschebachs führt und dort mit zwei Hängebrücken und einem sehr steilen Aufstieg über Metallleitern einige knackige Passagen aufweist.

Route: Weissenburg–Ehemalig Weissenburgbad–Leitereweideni–Schnurreloch–Oberwil
Streckenlänge: 7 km
Aufstieg: 440 m
Abstieg: 490 m
Wanderzeit: 3 h
Schwierigkeitsgrad: mittel


Das Gestein am Mont-Chemin weist an verschiedenen Stellen Eisenvorkommen auf, die für Schweizer Verhältnisse beachtlich sind. In den Minen von Les Grandes Férondes wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg Eisenerz abgebaut. Danach legte man die Bergwerke still. Die meisten Stollen sind mittlerweile eingestürzt. Die «Galérie 6» ist jedoch bis heute zugänglich. Sie führt etwa 180 Meter horizontal ins Berginnere. Stirn- oder Taschenlampen sind unentbehrlich, nicht zuletzt, weil sich am inneren Ende des Stollens ein grosses Loch im Boden öffnet.

In eindrücklichem Kontrast zum Abstecher in die Tiefe steht der weitere Verlauf der Tour: Sie führt zum luftigen Gipfel der Crevasse, wo sich eine aussergewöhnliche Aussicht in einen gewaltigen Abgrund öffnet.

Route: Chemin-Dessus–Galérie 6–Col des Planches–Crevasse–Col du Tronc–Col du Lein–Levron
Streckenlänge: 10,5 km
Aufstieg: 750 m
Abstieg: 660 m
Wanderzeit: 3 h 50 min
Schwierigkeitsgrad: mittel


Die Rundwanderung auf dem Sentier historique am Mont Vully ist eine Reise in die Vergangenheit. Siedlungsspuren und Befestigungswerke verschiedener Epochen säumen die Route, die immer wieder schöne Ausblicke zum Murtensee und zur Alpenkette bietet. Das eindrücklichste Zeugnis früherer Zeiten ist die Wehranlage La Lamberta oberhalb von Môtier. Die Höhlen wurden 1916/17 von Hand aus dem Sandstein gehauen und waren Teil der Fortifikation Murten, mit der man das nahe Bern vor einem allfälligen Durchmarsch französischer Truppen schützen wollte.

Einem weiteren Zahnrad dieses Verteidigungssystems begegnet man etwas weiter oben: Auf der Kuppe am westlichen Abhang des Mont Vully sind zwischen den Bäumen verschiedene düstere Betonbunker zu sehen. Sie dienten als Infanteriestützpunkte und gehörten zum Réduit du Vully.

Route: Sugiez–Roches Grises–Mont-Vully–Tour des Sarrasins–Sugiez
Streckenlänge: 12,4 km
Aufstieg: 440 m
Abstieg: 440 m
Wanderzeit: 3 h 30 min
Schwierigkeitsgrad: leicht


Auch im Jura gibt es Gletscher. Bloss züngeln sie dort nicht von hohen Bergen herunter, sondern verstecken sich in tiefen Löchern im Boden. Der grösste davon ist die Glacière de Monlési, ein annähernd rundes, gut 20 Meter tiefes Loch mitten im Wald. Dessen Grund ist von einer Eisschicht bedeckt, die mehrere Meter mächtig ist und sich unterhalb der Erdoberfläche in benachbarte Hohlräume ausdehnt.

Mit einem Volumen von rund 10 000 Kubikmetern ist die Eisgrotte der grösste Gletscher der Schweiz ausserhalb des Alpenraums. Das Eis wurde früher kommerziell abgebaut und mit der nahen Eisenbahnlinie, die Neuenburg mit Pontarlier verbindet, bis nach Paris exportiert, wo es in Brauereien und Restaurants verwendet wurde.

Erreichbar ist die Glacière auf Waldwegen ab Les Sagnettes. Ein (nicht als Wanderweg signalisierter) kurzer Trampelpfad führt weiter nach Petite Charbonnière, ab Haut de la Vy geht es steil nach Fleurier hinunter.

Route: Postautohaltestelle Les Sagnettes/Bif. Charbonnière–Glacière de Monlési–Petite Charbonnière–Haut de la Vy–Fleurier
Streckenlänge: 9,2 km
Aufstieg: 150 m
Abstieg: 520 m
Wanderzeit: 2 h 30 min
Schwierigkeitsgrad: mittel (Abstieg zur Glacière: schwer)

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