Freitag, Februar 7

Ob im Putz, im Anstrich, im Boden oder im Fugenkitt: Schadstoffe finden sich in Hunderten von Gebäuden allein in Zürich.

Als der Schriftzug abmontiert wurde, war die grosse Züglete auch aus optischer Sicht abgeschlossen. Ende Jahr zog das Zürcher Kinderspital bei laufendem Betrieb vom alten Standort in Hottingen in die Lengg um. Raus aus dem heruntergekommenen Altbau, hinein in einen Neubau der Stararchitekten Herzog & de Meuron: Geräumiger, freundlicher und praktischer, schrieb die NZZ.

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Zurück bleiben ein gutes Dutzend Gebäude, die zum alten Kispi gehören und die seit dem Umzug leer stehen. Ein 20 000 Quadratmeter grosses Grundstück an bester Lage. Und erst noch im Besitz der Allgemeinheit, sprich des Kantons. An Ideen, was man mit dem alten Kispi machen könnte, mangelt es nicht.

Zunächst sind da die Pläne des Besitzers. Der Kanton möchte auf dem Areal ein universitäres Zentrum für Zahnmedizin (ZZM) bauen. Die Pläne sind weit fortgeschritten, die Projektierung sei «nahezu abgeschlossen», heisst es bei der Zürcher Baudirektion.

Aber noch muss der Regierungsrat über die Kreditvorlage beraten, die er dann dem Kantonsrat vorlegt. Das Projekt ist mit 362 Millionen Franken veranschlagt. Offen ist, ob das Kantonsparlament die Pläne überhaupt gutheissen wird. So weit, so langsam die Mühlen der Politik.

Drei SVP-Kantonsräte wollen es etwas zügiger angehen. In einem Vorstoss fragten sie den Regierungsrat, ob die leeren Gebäude zu einer Asylunterkunft umgenutzt werden könnten. Mit einer solchen Zwischennutzung könnten die Gemeinden für die nächsten 24 bis 36 Monate entlastet werden, so lautet der Plan.

Am Donnerstag kam die Antwort des Regierungsrats: Nein. Eine solche Nutzung des ehemaligen Kispi sei innert dieser Frist nicht möglich. Der Grund für die Absage lässt aufhorchen: Schadstoffe im Gebäude. Eine Umnutzung wäre nur möglich, wenn zuerst die Schadstoffe im Gebäude saniert würden.

120 Asbestfälle in der Schweiz

Und genau dies hat der Regierungsrat vor. So beschloss er, dass bei 9 der insgesamt 17 Bauten auf dem Kispi-Areal entweder der Rückbau der Spitalausstattung oder eine Schadstoffsanierung durchgeführt werden müsse. Dies geht aus Sitzungsprotokollen des vergangenen Jahres hervor. Hintergrund ist ein Untersuchungsbericht, der diverse Bauteile des Kispi als «kritisch» einstuft.

Die Schadstoffe wurden in einer Vielzahl von Trägermaterialien verbaut, wie die Baudirektion der NZZ mitteilt. Darunter fallen Putze, Anstriche, Böden, Türen, Fenster oder Fugenkitte. Auch im Glasfaserzement und in Dämmmaterialien finden sich heikle Stoffe. Die Bauteile enthalten umwelt- und gesundheitsgefährdende Stoffe wie polychlorierte Biphenyle (PCB), polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), Blei, Quecksilber oder Asbest.

Asbest ist seit über dreissig Jahren in der Schweiz verboten. Die gesundheitlichen Folgen einer Asbestexposition sind schwerwiegend. Noch heute sterben gemäss der Suva pro Jahr etwa 120 Personen an Krankheiten, die mit Asbest in Zusammenhang stehen. Die Tendenz ist steigend. Meist handelt es sich um Brust- oder Bauchfellkrebs oder Asbestose, Letzteres ist eine Lungenkrankheit.

Solange Asbest gebunden ist, etwa in Platten, Bodenbelägen oder Zement, wird er als ungefährlich eingestuft. Bearbeitet man asbesthaltige Materialien, kann das krebserregende Fasern freisetzen, die sich in der Lunge festsetzen.

Das hochgiftige und krebserregende PCB ist zwar seit 1986 verboten, doch die Industriechemikalie schlummert bis heute in vielen Gebäuden als Bestandteil von Farben oder Fugendichtungen. So auch im Kispi, dessen Gebäude – die Provisorien ausgenommen – allesamt älter als fünfzig Jahre sind.

Unweigerlich drängt sich die Frage auf, was für einen Einfluss die Materialien auf die Gesundheit der Patienten und Mitarbeiter des Kispi hatten. Die Zürcher Baudirektion gibt Entwarnung. Von den Schadstoffen gehe im gebundenen Zustand keine Gefahr aus.

Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Schadstoffe einen gesundheitsgefährdenden Einfluss gehabt hätten. Der Behörde sind auch keine Fälle bekannt, in denen Menschen, die sich in den Gebäuden aufhielten, wegen der Materialien zu Schaden gekommen sind.

Wohnungen, Alterszentrum oder Besetzer?

Die Baudirektion will nun sämtliche Gebäude «noch umfassender» untersuchen. Man schätzt die Kosten für die Schadstoffsanierung auf rund 6 Millionen Franken, die Arbeiten werden bis Anfang 2026 dauern. Überrascht ist man über die giftigen Überbleibsel aber nicht. Schon Ende der 1990er Jahre seien bei Gebäude-Checks erste Schadstoffe zum Vorschein gekommen. Diese seien früher in vielen Baukomponenten verbaut worden. Die Gebäude des Kispi bildeten darum keine Ausnahme.

Von 1904 bis 1989 führte auf Schweizer Baustellen kein Weg an Asbest vorbei. Entsprechend häufig kommen die Eternitplatten heute zum Vorschein. Momentan gebe es in der Stadt Zürich pro Jahr etwa 600 Asbestsanierungen, sagte Patrick Buschor, Leiter Gebäudeschadstoffe des Umwelt- und Gesundheitsschutzes der Stadt Zürich, 2023 zur NZZ: «Das dürfte auf diesem Niveau weitergehen.»

Unabhängig von der Schadstoffproblematik: Was aus dem alten Kispi wird, bleibt offen. Denn nebst den Plänen des Kantons gibt es allerlei weitere Ideen. So möchten die SP und die GLP auf dem früheren Kispi-Grundstück Wohnungen verwirklichen. Der Raumplaner Hugo Wandeler wiederum möchte das Areal in ein Zentrum für Altersmedizin und Alterswohnen verwandeln.

Derzeit ist das Gelände mit einer Bauwand abgesperrt. Denn eine weitere Nutzungsart will der Regierungsrat auf keinen Fall: eine Besetzung der Gebäude. Ein Leerstand dieser Objekte sei «mit erheblichen Risiken verbunden», schrieb der Regierungsrat. Mit den Schadstoffarbeiten scheint diese Gefahr nun aber gebannt.

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