Donnerstag, Januar 23

Ueli Maurer hatte der Schweiz Aufklärungsdrohnen bis ins Jahr 2020 versprochen. Die Armee wartet bis heute darauf. Und jetzt könnte es weitere Verzögerungen geben, mahnt die Finanzkontrolle. Sie hat drei VBS-Grossprojekte überprüft.

Das Projekt klang spektakulär: Die Schweiz sollte die ersten unbemannten und unbewaffneten Drohnen besitzen, die ein automatisches Ausweichsystem haben. Sechs Aufklärungsdrohnen vom Typ Hermes 900 aus Israel, die unbegleitet fliegen könnten im dicht beflogenen zivilen Schweizer Luftraum, erklärte der damalige Vorsteher des Verteidigungsdepartementes (VBS) Ueli Maurer 2015 im Parlament. Technologisch sei das möglich, versprach Maurer: «Wir werden das System ab 2018 testen, und ab 2020 sollte es eingeführt sein.» Heute, im Jahr 2025, scheint das VBS von einer Einführung noch weit entfernt. Die Drohnen seien «immer noch der Entwicklungsphase zuzuordnen», schrieb der Projektleiter im März 2024 gemäss neustem Prüfbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK). Diese sieht nun dringenden Handlungsbedarf.

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Der Grund für die Krise im Projekt sind offenbar gravierende Führungsprobleme. Die Ziele für das Projekt seien «zu ambitioniert» gewesen, so die EFK in ihrem Prüfbericht. Ausserdem spricht sie von «mangelhafter Planung und Steuerung, unzureichendem Risiko- und Qualitätsmanagement sowie unterschätzter Komplexität». Es fehle eine Gesamtplanung, weswegen nicht beurteilt werden könne, wie weit das Projekt fortgeschritten sei und «wann das System bestenfalls fertig ist», steht im Prüfbericht der Finanzkontrolle.

Ausweichsystem wäre das erste weltweit

Die EFK spricht verschiedene Probleme an: Erstens sei der israelische Hersteller der Drohnen, Elbit, unzuverlässig und liefere «verspätet und nicht in der geforderten Qualität», schreibt die EFK . Zudem sei es «fraglich», ob das Ausweichsystem «in absehbarer Zeit realisierbar» sei. Für Letztgenanntes ist der bundeseigene Rüstungskonzern Ruag MRO verantwortlich. Das System ist ein Zusatz, ein «Swiss Finish», den es so gar noch nicht gibt. Er muss erst entwickelt werden. Es wäre das erste solche System weltweit und müsste deshalb zertifiziert werden für eine Zulassung bei der militärischen Lufttüchtigkeitsbehörde.

Für das Projekt ist das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) im VBS zuständig. Dieses wehrt sich gegen die Kritik der EFK. In einer Stellungnahme schreibt Armasuisse, das Bundesamt stimme «in wesentlichen Bereichen» der Analyse der EFK nicht zu, beispielsweise was die Projektführung oder das Qualitätsmanagement betreffe. Zu den Lieferverzögerungen beim israelischen Hersteller sei es aufgrund des Krieges im Nahen Osten gekommen, erklärte Armasuisse am Mittwoch. Nun seien jedoch fünf der sechs Drohnen in der Schweiz, die letzte komme voraussichtlich im dritten Quartal 2025.

Auch habe Armasuisse verschiedene von der EFK vorgeschlagene Massnahmen bereits selbst geprüft oder umgesetzt. Beispielsweise habe sie eine umfassende Analyse von Optionen für das Projekt vorgenommen. Auch ein Abbruch sei mehrfach geprüft worden. Doch das Bundesamt ist überzeugt, das Projekt bis 2026 abschliessen zu können, wobei das Ausweichsystem der Ruag erst 2029 zertifiziert werden würde. Die Ruag schreibt, sie sei «weiterhin stark daran interessiert», eine erfolgreiche Zulassung zu erreichen.

298 Millionen Franken hat das Parlament für die Aufklärungsdrohnen gesprochen. Der Kredit ist nahezu aufgebraucht, der finanzielle Spielraum klein. Gemäss Armasuisse braucht es nicht mehr Geld. Für künftige Beschaffungen sei jedoch klar: Helvetische Spezialwünsche soll es nicht mehr geben. Es brauche Standardlösungen und gemeinsame Beschaffungen mit Partnerländern, wie die europäische Sky-Shield-Initiative zur bodengestützten Luftverteidigung, so Armasuisse.

Auf Kurs: Digitalisierungsplattform der Armee

Neben dem Drohnenprojekt hat sich die EFK auch mit dem Schlüsselprojekt Neue Digitalisierungsplattform (NDP) der Armee auseinandergesetzt. Dieses Betriebssystem ist das Herzstück aller einsatzkritischen IT-Systeme der Armee. Es soll schliesslich via drei grosse Rechenzentren laufen. Zwei sind bereits in Betrieb, das dritte soll 2033 gebaut sein. Mit der zentralen Plattform NDP sollen im Krisen- oder Konfliktfall alle wichtigen Daten zusammengeführt werden, um Entscheidungen schnell treffen zu können. Ab Juli 2026 soll die Plattform betrieben werden können.

Die EFK schreibt, dass das Projekt inhaltlich auf Kurs sei und transparent informiert werde. Jedoch zeichne sich ab, dass der Betrieb der Plattform, der Tag und Nacht gewährleistet werden soll, mehr Ressourcen in Anspruch nehmen werde als ursprünglich erwartet. Das Kommando Cyber, das für die NDP zuständig ist, sei sich dessen aber bewusst und habe zusätzliche Ressourcen beantragt.

Darüber hinaus hat die EFK auch das Projektmanagement des Schlüsselprojektes Sicheres Datenverbundnetz plus (SDVN+) überprüft. Hier geht es um den Datenaustausch im Falle einer Katastrophe oder Notlage. Bund, Kantone und Betreiber kritischer Infrastrukturen sollen auch in einer längeren Krisensituation miteinander kommunizieren können. Bis Ende 2024 sollten alle Kantonsstandorte erschlossen sein. Dies sei jedoch nicht gelungen, schreibt die EFK. Es «zeichnet sich eine Verzögerung von rund sieben Monaten ab».

Auch bestünden Unsicherheiten bei den Kosten des rund 134 Millionen Franken teuren Projektes. Die EFK empfiehlt dem zuständigen Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) eine «realistische Neuplanung von Terminen und allfälligen Kosten». Das Babs hat die Empfehlung akzeptiert, die Neuplanung sei bereits im Gange.

Die Finanzdelegation des Parlamentes wird sich durch die Prüfberichte der EFK mehrheitlich bestätigt fühlen. Die Politiker haben vor Weihnachten der VBS-Vorsteherin Viola Amherd einen alarmierenden Brief geschrieben. Sie würden sich grosse Sorgen über zahlreiche «Top- und Schlüsselprojekte» machen. Die Situation der Projekte im Umfang von 19 Milliarden Franken habe sich «spürbar verschlechtert».

Bundesrätin Viola Amherd konterte am Tag ihres Rücktritts die Kritik an der Projektführung im VBS. Sie habe stets ein ehrliches Reporting der Projekte verlangt. Fragen oder Risiken müssten bezeichnet werden, das sei für sie «seriöse Projektarbeit».

Doch die Finanzdelegation verlangt eine transparentere Berichterstattung und eine realistischere Planung, «um das Vertrauen in die Projekte zu verstärken», wie sie in ihrem Brief schreibt. Sie will ihre Aufsicht über die Grossprojekte des VBS verstärken.

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