Sonntag, Oktober 27

Dieter Berninghaus war lange Jahre René Benkos Handelsstratege. Dann kam es zum Bruch zwischen den beiden. Nun soll Benko seinen ehemaligen Geschäftspartner abgehört haben.

Im Jahr 2020 ist Dieter Berninghaus oben angekommen. Im Februar hat er gemeinsam mit René Benko die Übernahme von Globus durchgezogen. Unter dem Dach von Benkos Immobilien- und Handelskonzern Signa sollten die Schweizer Kaufhäuser Teil einer der grössten Luxuskaufhaus-Gruppen Europas werden.

Der ehemalige Migros-Manager und der österreichische Immobilienunternehmer wirken nach aussen wie ein gut eingespieltes Team. «Er kümmert sich in 70 Prozent seiner Zeit um den Handel und in 30 Prozent um Signa Holding und Immobilien. Bei mir ist es andersherum», beschreibt Benko 2020 die Arbeitsteilung zwischen ihm und Berninghaus in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz».

Vier Jahre später ist die scheinbare Harmonie verflogen: Das Kartenhaus fällt zusammen. Im November schlittert die Signa Holding in Konkurs. Diese Woche erheben österreichische Medien den Vorwurf, Benko habe seinen ehemaligen Geschäftspartner sogar überwachen lassen.

Berninghaus, der sich im Mai 2023 krankheitshalber aus der Signa zurückgezogen hatte, war bis zu diesem Zeitpunkt Benkos Chefstratege für den Handel. Auf Anfrage der NZZ zeigt er sich «schockiert und fassungslos über die in der Recherche ans Tageslicht gekommenen Fakten». Zu möglichen rechtlichen Schritten will er sich nicht äussern. Zuerst müssten die Fakten analysiert werden.

Überraschende Wechsel

Der gebürtige Deutsche, der seit längerem auch über einen Schweizer Pass verfügt, ist ein schillernder Manager, der polarisiert. Er ist gut vernetzt, unterrichtete an der Universität St. Gallen und gehört dem Beirat des Wirtschaftsinstituts der Universität Zürich an.

Langjährige Weggefährten und Arbeitskollegen schildern ihn als eloquent, weltgewandt und einen guten Dealmaker, der viel vom Handel versteht. Er gilt als karrierebewusst. Die «NZZ am Sonntag» konnte mit einigen von ihnen sprechen. Sie alle wollen jedoch anonym bleiben.

Für andere wiederum ist er jemand, der Mitarbeiter begeistern kann. Bei öffentlichen Auftritten spricht er schnell, streut zwischendurch englische Ausdrücke ein. Die alltägliche Knochenarbeit im Handelsgeschäft und der Blick auf die Zahlen hätten ihn allerdings nur wenig interessiert. Auf Anfrage will sich Berninghaus dazu nicht äussern.

Berninghaus hat früh Karriere im Detailhandel gemacht. Seine erste Station ist Metro. Anschliessend wechselt er zum Handelskonzern Rewe, 2004 wird er im Alter von 38 Jahren Vorstandsvorsitzender. Im selben Jahr unterzeichnet er unter den Augen von Gerhard Schröder und Wladimir Putin den Vertrag für ein Gemeinschaftsunternehmen, mit dem Rewe gross in den russischen Markt einsteigt.

Wenige Monate später verlässt er den Konzern überraschend wieder. Den Weg in die Schweiz findet er über Philippe Gaydoul, zu jener Zeit Chef von Denner. Sie tauschen sich aus, weil die Detailhandelsbranche den Markteintritt der deutschen Discounter Aldi und Lidl fürchtet. Anfang 2007 holt Gaydoul Berninghaus in den Verwaltungsrat von Denner. Der Handelsmanager habe dem Discounter vor allem internationales Fachwissen gebracht, sagt Gaydoul damals. Auch nach seinem abrupten Abgang aus Deutschland habe er eine zweite Chance verdient.

Kurz danach leiten Gaydoul und Berninghaus den Verkauf von Denner an die Migros ein. Weggefährten bescheinigen ihm dabei eine zentrale Rolle. Seine Bekanntschaft mit Gaydoul ebnet Berninghaus auch den Weg zu seinem nächsten Arbeitgeber, der Migros.

Beteiligung an Digitec Galaxus

Anfang 2008 übernimmt er unter dem damaligen Chef des Migros-Genossenschafts-Bundes (MGB), Herbert Bolliger, das neu geschaffene Departement Handel. Hier bündelt der Detailhandelskonzern zum ersten Mal seine Handelsunternehmen wie Denner, Globus, Interio, Ex Libris oder den Online-Anbieter Le Shop.

In die Ära Berninghaus fallen diverse strategische Entscheidungen. So übernimmt die Migros beispielsweise die Mehrheit an Digitec Galaxus, heute der grösste Online-Shop der Schweiz. Eine treibende Kraft ist er auch hinter dem Aufbau von Migrolino. Gegen den Widerstand einiger Migros-Regionalgenossenschaften, die den Lebensmittelhandel innerhalb der Migros als ihre Domäne angesehen haben, setzt er die Expansion der Tankstellenshops durch.

Nicht alles, was Berninghaus bei der Migros anpackt, ist allerdings erfolgreich. Teuer zu stehen kommt sie etwa die Beteiligung an der Einrichtungskette Depot, welche der Detailhandelskonzern von der deutschen Gries Deco Holding erworben hat. Der Manager hatte sich davon Synergien für die schon länger schwächelnde Möbelkette Interio erhofft.

Diese haben sich aber nicht umsetzen lassen, wie Berninghaus später selbst gegenüber Medien sagte. Ausserdem ist Depot zu rasch expandiert. Zu viele Filialen wurden eröffnet, die Nachfrage hielt nicht mit. 2019 verkaufte die Migros Depot wieder an Gries zurück. Der tatsächliche Verkaufspreis ist nicht bekannt, doch der Verkauf belastet das Jahresergebnis mit rund 400 Millionen Franken.

Heikle Beratertätigkeiten

Da hat Berninghaus die Migros jedoch bereits verlassen. Im März 2016 gibt er seinen Abschied aus dem Detailhandelskonzern bekannt. Er will sich als Unternehmer und Investor selbständig machen. Zu René Benko bringt ihn seine Bekanntschaft mit dem deutschen Immobilien- und Finanzinvestor Nicolas Berggruen, die noch auf seine Zeit in Deutschland zurückgeht.

Er übernimmt für Benko Beratungsmandate, baut das Handelsgeschäft der Signa mit auf und investiert später auch selbst in die Signa Holding. Die beiden wollen hoch hinaus. Sie übernehmen Luxuskaufhäuser wie den Globus und zuletzt 2022, für 4 Milliarden Pfund, Selfridges in Grossbritannien.

Seine Tätigkeit für Benko bringt den Manager aber auch in Schwierigkeiten. Denn bereits als er noch bei der Migros angestellt war, hat Berninghaus die Signa beraten und dafür ein Honorar bezogen, wie die Tamedia-Zeitungen Anfang 2024 berichtet haben. Die Führung der Migros war über die Nebentätigkeiten ihres ehemaligen Managers nicht informiert.

Nach den Medienberichten hat der Detailhandelskonzern mögliche Interessenkonflikte extern untersuchen lassen. Die Abklärungen haben kein Fehlverhalten ergeben. Aus heutiger Sicht hätte die Nebentätigkeit jedoch gemeldet werden müssen, schreibt die Migros in einer Mitteilung.

Das Fazit über seine Migros-Jahre fällt gemischt aus. Als jemand, der von aussen in die Generaldirektion des Handelskonzerns gekommen sei, habe Berninghaus dieser doch eher behäbigen Institution Schwung verliehen. Laut einem Manager, der ihn gut kennt, sei er damit sicher bei manchen auch angeeckt.

Für einen anderen hochrangigen Gesprächspartner habe er sich allerdings zu wenig um die Führung der zugekauften Handelsunternehmen gekümmert. Die Beziehung von Berninghaus zu Benko sei innerhalb der Migros bekannt gewesen. Seine zeitgleiche Beratung der Signa bei der Karstadt-Übernahme stuft dieser Gesprächspartner aber zumindest als heikel ein.

Nachdem Berninghaus im Mai 2023 bei der Signa ausgeschieden ist, kommt es endgültig zum Bruch mit Benko. Das Misstrauen sei schon in den Monaten vor dem Signa-Zusammenbruch gewachsen, sagt ein Signa-Insider. Insbesondere nachdem Benko kurz nach der Übernahme von Selfridges den saudischen Staatsfonds PIF als Investor dazugeholt hat, ohne Berninghaus zu informieren.

Seit dem Konkurs des Immobilien- und Handelskonzerns streiten Investoren und Gläubiger erbittert um die verbliebenen Vermögenswerte. Zumindest für Globus gibt es eine Lösung. Der bisherige Miteigentümer, die Central Group aus Thailand, hat das operative Geschäft Ende September vollständig übernommen.

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