Die Armee steht vor der Frage, ob sie ganze Waffengattungen abschaffen soll. Die Finanzen laufen aus dem Ruder, weil sich die Politik immer noch Luxusausgaben leistet.
60 Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 1964 droht der Patrouille Suisse das Grounding. Die gross angerichtete Geburtstagsfeier fällt schon einmal aus. Mit der «Airspirit 24» vom 30. und 31. August in Emmen (LU) hätte nicht zuletzt das Jubiläum der Kunstflugstaffel der Schweizer Luftwaffe gefeiert werden sollen. Doch bekanntlich hat die Schweizer Armee den Grossanlass abgesagt, zu dem bis zu 80 000 Flugbegeisterte erwartet wurden. Auch das Fliegerschiessen auf der Axalp, bei welchem der Auftritt der Kunstflugstaffel jeweils nicht fehlen durfte, fällt ins Wasser.
Ob die Patrouille Suisse je wieder ihre Kunststücke am Himmel zeigen wird, ist zurzeit offen. Auf der offiziellen Website der weltberühmten Staffel findet sich momentan unter der Rubrik Agenda kein offizieller Termin für einen Auftritt im Jahr 2024. «Diese Ungewissheit lässt mir den kalten Schweiss den Rücken herunterlaufen», sagt Roland Studer, der Mediensprecher des Patrouille-Suisse-Fanklubs. Die Kommunikation der Armeespitze sei miserabel. «Angesichts der finanziellen Schwierigkeiten müssen wir ja das Schlimmste befürchten», erklärt Studer.
Ausdruck des Nationalstolzes
Tatsächlich stehen die beliebten Luftakrobaten schon seit längerer Zeit auf der Kippe. Mit der Armeebotschaft 2022 beantragte Verteidigungsministerin Viola Amherd nämlich die Ausmusterung der bestehenden F-5-Flotte. Dies hätte gleichzeitig das definitive Aus für die Patrouille Suisse bedeutet, die auf den Tiger-Kampfjets unterwegs ist. Der aus den 1970er Jahren stammende Tiger wird bereits seit 2018 nur noch für die Entlastung des F/A-18 Hornet, zur Überwachung und in rot-weisser Sonderbemalung für die Kunstflugstaffel eingesetzt.
Die Ankündigung Amherds sorgte damals bei der grossen Gemeinschaft der Flugzeugfans für einen Aufschrei der Entrüstung. Bald zeigte sich, dass auch zahlreiche bürgerliche Politiker zu den Menschen gehören, für welche die Patrouille Suisse mehr als eine Kunstflugstaffel ist, nämlich ein Ausdruck des Nationalstolzes. Im Parlament hatte die Streichung denn auch keine Chance.
Finanzpolitische Überlegungen spielten plötzlich keine Rolle mehr, als der Ständerat im Juni 2022 das Geschäft behandelte. Die Mehrheit der kleinen Kammer wurde von ihren Gefühlen übermannt. So erklärte der Berner SVP-Vertreter Werner Salzmann: «Militärisch brauchen wir die F-5 nicht mehr, aber es ist eine emotionale Frage.»
Für seinen Schwyzer Parteikollegen Alex Kuprecht ist die Patrouille Suisse nicht weniger als eine «überdimensionierte Postkarte der Schweiz». Laut Amherd kostet diese «Postkarte» 25 Millionen Franken. So viel kostet nämlich der Weiterbetrieb der F-5-Flotte im Jahr. Mit diesem Entscheid schien der Weiterbestand der Patrouille Suisse bis ins Jahr 2018 gesichert. Doch nun zeigt sich, dass das Geld, das das Parlament vor zwei Jahren sprach, nicht vorhanden ist.
Roland Studer bekundet Mühe mit dem Hin und Her. «Irgendwie hat man den Eindruck, dass die Armeeführung trötzelt und den Auftrag des Parlaments betreffend Weiterführung des F-5 nicht umsetzen will», sagt der Vertreter des Patrouille-Suisse-Fanklubs, der rund 4100 Mitglieder zählt.
Wie es mit dem Aushängeschild der Schweizer Luftwaffe nun weitergehen soll, weiss man bei der Armee nicht. «Es ist noch zu früh, um Aussagen zu machen, welche Auswirkungen die finanziellen Engpässe auf einzelne Waffengattungen und Formationen haben», erklärt Armeesprecher Stefan Hofer auf Anfrage der NZZ. Die letzten Tage haben gezeigt, dass in dieser Beziehung sehr viel möglich ist.
Schreckmoment im Kanton Zug
Dazu kommt, dass die Patrouille Suisse im Vorfeld des Eidgenössischen Jodlerfests in Zug im vergangenen Jahr für einmal keine Werbung in eigener Sache gemacht hat. Bei einem Trainingsflug touchierten sich nämlich zwei Jets. Alle Maschinen konnten nach dem Schreckmoment sicher landen. Bei einem Tiger-Jet brach jedoch die Flugzeugnase ab und prallte an die Fassade eines Hauses. Eine Person wurde durch Glassplitter leicht verletzt. Später stellte sich heraus, dass die Kunstflugstaffel keine Bewilligung für den Trainingsflug gehabt hatte.
Bei ihrem letzten Auftritt an den Lauberhornrennen in Wengen war dieser Zwischenfall bereits wieder vergessen. Tausende von Zuschauern freuten sich nicht nur über die Erfolge von Marco Odermatt, sondern auch über die Kunststücke der Kunstflugstaffel. Gut möglich, dass es diese spektakulären Momente in Zukunft nicht mehr geben wird.
Auch in anderer Hinsicht gibt es schlechte Nachrichten für die Flugzeugfans. Wie das Fachmagazin «Flugrevue» meldet, soll der beliebte Aussichtspunkt beim Flugplatz Emmen in den kommenden Jahren geschlossen werden. Zu sehen gibt es angesichts der schrumpfenden Luftwaffe dort ohnehin immer weniger. Auch die Armee dürfte bald unsichtbar werden, wenn sie ihr Geldproblem nicht lösen kann. Die Patrouille Suisse dürfte dann das geringste Problem sein.