Jedes Jahr werden Hunderte vermeintlich harmlose Dinge auf Temu, Amazon und Co. bestellt und in die Schweiz importiert. Entpuppen sie sich als Waffen-Nachahmungen, drohen den Käufern hohe Geldstrafen. Ein Walliser Ständerat will das ändern.

Auch schon aus Versehen eine Waffe auf Temu gekauft?

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Genau das passierte Marc Jaisli. Sein Fall sorgte Anfang März für Schlagzeilen. Und er ist bei weitem nicht der Einzige. Aus der Politik kommen nun erste Vorstösse. Doch der Reihe nach.

Aus Wasserpistolen werden verbotene Waffen

Die «Aargauer Zeitung» hatte als Erstes über den Fall berichtet. Jaisli, SVP-Politiker und Einwohnerratspräsident von Buchs im Kanton Aargau, hatte im August 2024 zwei pinkfarbene Wasserpistolen auf Temu bestellt. Ein Geschenk für seine Patenkinder, wie er der «Aargauer Zeitung» sagte. Gefunden hatte er die Spielzeuge beim chinesischen Onlinehandel-Giganten Temu. Nur: Die beiden Wasserpistolen gelten gemäss Schweizer Gesetz nicht als Spielsachen, sondern als Waffen

Laut der Aargauer Staatsanwaltschaft handelte es sich bei den Wasserpistolen um sogenannte Imitationswaffen. Diese ähneln echten Feuerwaffen so stark, dass sie leicht mit ihnen verwechselt werden könnten. Sie fallen deshalb wie echte Waffen unter das Waffengesetz und unterliegen strikten Einfuhrregeln.

Jaisli ahnte zum Zeitpunkt der Online-Bestellung nicht, dass er gegen diese Regeln verstiess. Jetzt wurde er von der Staatsanwaltschaft zu einer bedingten Geldstrafe von 5200 Franken – 20 Tagessätze zu je 260 Franken – und einer Busse von 1300 Franken verurteilt. Wie er zur «Aargauer Zeitung» sagte, wegen «fahrlässiger widerrechtlicher Einfuhr von Waffen in das schweizerische Staatsgebiet ohne Bewilligung».

David gegen Goliath

Nun zeigt sich: Jaisli ist kein Einzelfall. Beat Rieder, Mitte-Ständerat des Kantons Wallis, ist hauptberuflich Rechtsanwalt. Viele seiner Klienten haben ebenfalls aus Unwissen illegale Waffenimitate bei Onlinehändlern bestellt. Alleine im Oberwallis seien es jedes Jahr Dutzende Fälle, sagt Rieder auf Anfrage. Er will deshalb die Schweizer Bürger schützen. An ihrer Stelle sollen die Grosskonzerne in die Verantwortung genommen werden. Vor einer Woche hat er eine entsprechende Motion eingereicht, mit passendem Titel: «Die Kleinen hängt man zu Hunderten auf, den Grossen lässt man laufen».

Rieder fordert, dass nicht nur Käufer, sondern auch Verkäufer verfolgt und verurteilt würden. Sollte dies nicht möglich sein, fordert er eine Anpassung des Waffengesetzes, so dass bei Bagatellfällen, wie beim Import vermeintlich harmloser Spielzeuge, nur noch Bussen und keine Geldstrafen verhängt würden.

Auch die Handelsplattformen kritisiert Rieder. Diese will er dazu verpflichten, Produkte zu kennzeichnen, die in der Schweiz verboten sind. Käuferinnen und Käufer würden so sofort erkennen, dass sie etwas Illegales bestellen wollten. Bis jetzt gaukelten die Konzerne den Käufern vor, dass es sich um legale Produkte handle. Diese Konzerne erzielten in der Schweiz dreistellige Millionenumsätze, so Rieder, aber kümmerten «sich einen Dreck um ihre Kunden».

Fall Jaisli bei weitem kein Einzelfall

Rieder begründet seine Forderungen auch damit, dass jährlich Hunderte solcher Fälle einem bereits überlasteten Justizapparat weitere Ressourcen entzögen. Denn jede Zwei-Franken-Bestellung verursache mehrere tausend Franken Kosten.

In Zeiten des Onlinehandels wird der Schweizer Zoll mit Paketen regelrecht geflutet. In wie vielen – bewusst oder unbewusst – Waffen oder verbotene Attrappen sind, weiss niemand. Jedes einzelne Paket zu durchleuchten und zu kontrollieren, ist unmöglich, wie eine Reportage der NZZ Ende letztes Jahr zeigte. Nur dank Stichproben erwischen die Behörden unwissende und wissende Käufer.

Dabei geht es nicht nur um Attrappen-Käufe wie im Fall Jaisli. Auf Temu, Amazon, Aliexpress und Co. sind bereits für wenige Franken diverse manchmal mehr, manchmal weniger gefährliche Gegenstände erhältlich, darunter Wurfsterne, Laserpointer, Steinschleudern, Pfeffersprays. Für die Konsumenten ist kaum erkennbar, was davon hierzulande legal ist und was nicht.

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