Sonntag, Oktober 6

Weine aus der Schweiz müssten jung getrunken werden, ist oft zu hören. Das stimmt zumindest für die Elite des Landes nicht.

Zwei Vorurteile begleiten Schweizer Weine hartnäckig: Sie müssen jung getrunken werden und kosten vergleichsweise viel. Letzteres mag für Einstiegstropfen gelten, die nicht mit der Billigkonkurrenz aus dem Ausland mithalten können. Das Vorurteil trifft jedoch für die Crus an der Spitze überhaupt nicht zu. Diese kosten in der Regel um die 50, 60 Franken je Flasche, ganz selten mehr als dreistellige Summen. Schauen Sie sich bei der Crème de la Crème im Ausland um: Da gehören solche Beträge für Topweine fast zur Tagesordnung.

Was viele nicht wissen und weiterhin unterschätzen: Die einheimischen Weine können hervorragend reifen, zumindest jene Erzeugnisse der besten Produzenten. Letzthin durfte ich den genialen Dézaley Médinette 2006 der Domaine Louis Bovard aus der Waadt verkosten – ein komplexer Chasselas, der keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigt. Das gilt ebenso für den 2004er, der kürzlich in einer in Zürich erstmals durchgeführten Masterclass des Mémoire des Vins Suisses kredenzt worden ist. Aufgrund dieser Erfahrungen lohnt es sich also, einen jungen Jahrgang dieses im grossen Holzfass ausgebauten Weissweins auf die Seite zu legen, beispielsweise den jetzt erhältlichen 2022er (33 Franken; domainebovard.com).

In der Sammlung des Mémoire, der bekanntesten Winzervereinigung des Landes, befinden sich rund sechzig noble Weine, die das Potenzial besitzen, mindestens 10 Jahre alt zu werden. Dazu gehört auch der Pinot noir Sélection Stadtberg des Zürcher Weinguts Pircher aus Eglisau. An der Masterclass wurde der 2001er geöffnet. Er besitzt in der Farbe leicht bräunliche Töne, präsentiert sich indessen immer noch frisch, mit einer gewissen Frucht, ist komplex, saftig, elegant und sollte jetzt getrunken werden. Das gilt auch für den Montagna Magica 2002 des Tessiner Weinguts Hubervini. Der gut strukturierte Merlot hat sich indessen ebenfalls hervorragend gehalten.

Alle drei Weingüter gehören zur Elite des Landes und werden am nächsten Montag, dem 26. August, im Zürcher Kongresshaus ihre Weinwerke vorstellen. Insgesamt sind diesmal am grossen, traditionellen Swiss Wine Tasting 148 Produzenten des Landes dabei – eine einmalige Werkschau des einheimischen Weinschaffens (Infos unter swiss-wine-tasting.ch).

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