Beim Referendum zu einem Entscheid des Stadtparlaments zur Friedhofsordnung haben sich die Einwohner knapp gegen die Änderung ausgesprochen.

Der Friedhof in Weinfelden wird auch künftig kein Grabfeld nach muslimischen Vorgaben bieten. Die Einwohner der Stadt im Thurgau haben sich bei der Volksabstimmung am Sonntag knapp dagegen entschieden. Die Änderung des Friedhofreglements wurde mit 51,6 Prozent (2078 Nein-Stimmen zu 1947 Ja-Stimmen) abgelehnt. Die Stimmbeteiligung betrug 53,9 Prozent. Für die muslimische Gemeinschaft ist der Entscheid ein weiterer Rückschlag.

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Stadträtin Ursi Senn-Bieri, verantwortlich für Gesellschaft und Gesundheit, sagte: «Es wurde unglaublich viel Zeit in diesen Kompromiss investiert. Leider hat er wegen 131 Stimmen keine Mehrheit gefunden.» Zwar gelte es, das Ergebnis zu akzeptieren. «Allerdings spaltet es Weinfelden eher, als dass es uns eint», sagte Senn-Bieri.

Die Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) teilte mit, dass sie die Entscheidung bedauere. Damit sende Weinfelden kein Signal, sondern «bestätigt nur seinen Rückstand». Der Beschluss grenze Menschen aus, die in Weinfelden gelebt, gearbeitet und zur Gemeinschaft beigetragen hätten. Solche Personen könnten weiterhin nicht nach ihren religiösen Überzeugungen bestattet werden. Das widerspreche dem Geist einer offenen Schweiz.

Auslöser des Referendums war ein Entscheid des Stadtparlaments vom vergangenen Dezember. Laut diesem sollten maximal siebzig Gräber mit Ausrichtung nach Mekka auf dem Friedhof angelegt werden. Zudem sollte es dort gestattet sein, Verstorbene nur in einem Leichentuch statt in einem Sarg zu bestatten. Das neue Grabfeld wäre zudem nicht Muslimen vorbehalten gewesen, sondern «allen Glaubensrichtungen und auch nicht religiösen Personen zur Verfügung» gestanden.

Widerstand nach Beschluss des Stadtparlaments

Die Pläne stiessen auf Widerstand bei der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU) und einigen Vertretern der SVP. Sie sammelten innert weniger Tage mehr als tausend Unterschriften. Deshalb musste ein Referendum folgen. Zu den Unterstützern zählten neben dem Kantonsrat Lukas Madörin auch der frühere Präsident der Thurgauer Kantonalbank, René Bock, die Thurgauer SVP-Nationalräte Pascal Schmid und Manuel Strupler, der Weinfelder SVP-Politiker Stefan Wolfer und der frühere «Weltwoche»-Journalist Markus Schär.

Sie argumentierten in ihrem Aufruf: «Eine individuelle Regelung für eine Gemeinschaft kann einen Präzedenzfall schaffen, der dazu führt, dass auch andere religiöse Gruppen oder Untergruppen ähnliche Sonderregelungen fordern.» Das Referendumskomitee postulierte deshalb: «Wer in die Schweiz einwandert, darf nicht seine Religion über unseren Staat stellen.»

Die Kampagne löste in Weinfelden eine Debatte aus. Der Kantonsrat Madörin klagte im April im Gespräch mit der «Thurgauer Zeitung» über Hass und schwindende Kundschaft in seinem Gemüseladen in Weinfelden. Für eine Stellungnahme war er nach dem erfolgreichen Referendum nicht zu erreichen. Schär teilte auf Anfrage mit, er habe die Sprecherrolle im Komitee übernommen. Madörin sorge sich um seine Sicherheit.

Wenige Grabfelder in der Schweiz

Das Referendum bestätigt grundsätzlich die bestehende Rechtsordnung in der Schweiz. Laut dieser gibt es kein Recht auf eine Bestattung nach bestimmten religiösen Vorschriften. Die Bundesverfassung von 1874 hat Friedhöfe zur Sache der politischen Gemeinden anstelle der Kirchen gemacht. So sollte sichergestellt werden, dass alle Personen würdevoll bestattet werden und niemand ausgeschlossen wird. Die Beerdigung ist seither also eine bürgerliche Institution und die Konsequenz der verfassungsmässigen Glaubensfreiheit.

Die Initiatoren der Abstimmung machten die geplanten Grabfelder allerdings zu einer «Grundsatzfrage der Integration»: «Auf dem Friedhof sind alle gleich, als Einwohner der Gemeinde, in der sie lebten; es kommt nicht auf die Religion oder die Nationalität an.»

Die Regeln des Islam sehen vor, den Leichnam mit Blick nach Mekka in einem Leichentuch zu begraben. Die Erde sollte zudem «rein» sein, also nicht schon zuvor als Grabstätte genutzt worden sein. Ausserdem darf die Totenruhe nicht gestört werden. Nach Schweizer Recht werden Gräber jedoch nach 20 bis 25 Jahren ausgehoben. Das wäre auch beim geplanten Grabfeld der Fall gewesen und ist ein gängiger Kompromiss in vielen Gemeinden.

In Weinfelden leben 12 000 Einwohner, etwa zehn Prozent von ihnen sind Muslime. Bislang gibt es in dem Ort keine Möglichkeit, sich nach den Vorgaben des Islam bestatten zu lassen. Ohne Abkommen mit Partnergemeinden stehen Angehörige damit weiter vor dem Problem, wie sie ihre Verstorbenen nach religiösen Vorgaben bestatten können.

Derzeit gibt es 36 Grabfelder in der Schweiz, auf denen muslimische Bestattungen möglich sind, unter anderem in Zürich, Bern und Lausanne. Laut dem Bundesamt für Statistik (BfS) leben 455 000 Muslime in der Schweiz, im Thurgau sind es 17 000. In dem Kanton können Muslime bis jetzt nur in Frauenfeld nach islamischem Brauch begraben werden, allerdings nur, wenn sie auch Einwohner der Stadt waren.

Der Sprecher des Referendumskomitees Schär sagte, dass das Referendum in Weinfelden «die bereits bestehenden Muslimgräber nicht infrage» stelle. Es müsse aber «zu einer landesweiten Debatte führen», ob man in der Schweiz die «säkulare Ordnung aufgrund von religiösen Forderungen» ändern wolle.

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