Montag, November 25

Die Schweiz soll 70 Prozent der benötigten Lebensmittel selbst produzieren, das fordert die Ernährungsinitiative. Viele Bauern müssten dann Weizen anpflanzen, statt Tiere zu mästen.

Guy Parmelin wirkt entspannt, als er am Mittwoch im Medienzentrum Platz nimmt. Der SVP-Bundesrat wird wohl die Mehrheit der Schweizer hinter sich wissen, als er sagt: «Die Konsumentinnen und Konsumenten sollen die Wahl haben, was auf ihren Teller kommt.» Der Bundesrat wolle nicht, dass die Bevölkerung «staatlich angeordnet» ihre Essgewohnheiten umstellen müsse.

Die Rede ist von der Ernährungsinitiative, mit der sich der Bundesrat am Mittwoch auseinandergesetzt hat. Sie fordert, dass die Schweiz mehr Nahrungsmittel selbst produziert, statt sie zu importieren. Konkret will sie einen Netto-Selbstversorgungsgrad von 70 Prozent innert zehn Jahren in die Verfassung schreiben. Damit werde die Schweiz unabhängiger vom Ausland und schone die Natur, so die Initianten.

Im Jahr 2022 betrug der Selbstversorgungsgrad 46 Prozent. Eine Steigerung um 24 Prozent hätte eine «tiefgreifende Transformation» der Landwirtschaft zur Folge, warnt Parmelin. So müssten die Bauern ihre Tierbestände «etwa um die Hälfte» reduzieren und die Brotgetreideproduktion «massiv ausbauen». Mit Weizen lassen sich deutlich mehr Kalorien produzieren als etwa mit Hühner- oder Schweinemast. «Am Schluss kaufen die Bürger ihr Fleisch im Ausland, das ist ja auch nicht ökologisch», befürchtet Parmelin.

«Zwängerei» schadet «den Bauernfamilien»

Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Dennoch gibt Parmelin zu, dass sie einen wunden Punkt trifft: Eigentlich hätte der Bund den Auftrag, den Selbstversorgungsgrad bei über 50 Prozent zu stabilisieren. Trotzdem ist dieser in den letzten Jahren gesunken, im Jahr 2011 lag er laut Agrarbericht 2023 bei 57 Prozent. Grund ist einerseits die Bevölkerungszunahme, andererseits gab es Ernteausfälle aufgrund von Wetterextremen.

Der Bund hat Gegenmassnahmen skizziert. Der landwirtschaftliche Zahlungsrahmen 2026 bis 2029 sieht Ressourcen für Bewässerungsanlagen oder resistente Pflanzensorten vor. Das soll die Landwirtschaft resilienter gegen den Klimawandel machen. Ausserdem kündigt der Bund im Bericht «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» an, die Wertschöpfung in der Landwirtschaft mit einer transparenten Preispolitik erhöhen zu wollen. Die Ziele sollen in der Agrarpolitik 2030 konkretisiert werden. Ein Gegenvorschlag zur Initiative sei daher überflüssig, so Parmelin.

Wenn man die Urheberin der Initiative kennt, überraschen die weitgehenden Forderungen nicht. Es handelt sich um die Aktivistin Franziska Herren, die an der Urne bereits mit der Trinkwasserinitiative gescheitert ist. Der Schweizer Bauernverband hat keine Freude an ihrer «Vegi-Initiative» und spricht von «Zwängerei». So sind in den letzten Jahren diverse Volksbegehren aus Umwelt- und Tierschutzkreisen gescheitert, etwa die Pestizidinitiative, die Massentierhaltungsinitiative und jüngst die Biodiversitätsinitiative. «Solche unsinnigen Forderungen belasten die Psyche der Bauernfamilien und verschlingen unnötig Ressourcen», sagte der Bauernverband im Sommer.

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