Sonntag, September 8

Seit der Zinswende expandieren die Eigenkapitalrenditen der Kantonalbanken, doch die Bewertungen ihrer Aktien steigen kaum. Das spricht für weitere Kursgewinne.

Im Februar haben diverse Börsenbarometer neue Höchst erklommen, darunter der US-Leitindex S&P 500, der europäische Stoxx 600 und gar der japanische Nikkei 225. Die Schweizer Börse hinkt bei dieser Aufholjagd hinterher. Es gibt jedoch Ausnahmen, und zwar in einem Segment, in dem man sie kaum erwarten würde: den Kantonalbanken.

Alle ihre Valoren haben seit Anfang 2022, als der Swiss Performance Index (SPI) seinen bisherigen Höchststand markiert hat, den Index geschlagen und notieren mit Ausnahme der Luzerner Kantonalbank und der Basellandschaftlichen KB allesamt über dem Wert von Anfang 2022, teilweise gar deutlich.

Die nun vorliegenden Jahreszahlen illustrieren, was die Titel der Kantonalbanken antreibt: Das Geschäft mit dem Zins ist der Kernbereich der Banken, während die Teuerung und die steigenden Zinsen für viele Unternehmen zur Belastung wurden und auf die Bewertungen ihrer Aktien drücken.

Im Schnitt kommen zwei Drittel der Einnahmen der Kantonalbanken aus dem Zinsdifferenzgeschäft. Sie nehmen Kundeneinlagen entgegen und verleihen dieses Geld zu einem höheren Zinssatz in Form von Hypotheken und Krediten. Die Differenz daraus ist ihr Gewinn, und der sprudelt derzeit reichlich.

Die folgende Analyse beschränkt sich auf die elf grössten kotierten Kantonalbanken, die eine Marktkapitalisierung von je mindestens 1,5 Mrd. Fr. aufweisen. Zudem wird die Regionalbank Valiant berücksichtigt, die ein vergleichbares Geschäftsmodell verfolgt.

Alle zwölf Institute haben 2023 den Erfolg in ihrem wichtigsten Ertragspfeiler massiv ausgebaut – an der Spitze die BC de Genève um mehr als 30%, gefolgt von den Kantonalbanken aus Zug, dem Wallis und der BCV, die den Zinserfolg im Jahresvergleich jeweils um mindesten 28% gesteigert haben.

Folge des massiv expandierenden Zinserfolgs ist, dass viele Kantonalbanken 2023 ein Rekordergebnis geschrieben haben: Der Auslöser dafür war, dass nach Jahren mit Negativzinsen 2022 endlich der von den Banken ersehnte Zinsanstieg eingesetzt hatte.

Von der Zinswende profitieren die Kantonal- und Regionalbanken gleich doppelt: Erstens weitet sich ihre Marge bei einem höheren Zinsniveau grundsätzlich aus. Zweitens nutzen die Banken den Effekt, dass die Aktivzinsen, also der Satz, den die Kunden für Ausleihungen bezahlen, schneller steigt als die Passivzinsen, beispielsweise die Zinsen, die die Banken auf dem Sparkonto gewähren.

Eine Illustration dazu gibt die Entwicklung der Aktiv- und Passivzinsen der Bank Valiant.

Was diese ungleich schnelle Entwicklung für die Zinsmarge bedeutet, zeigt sich beispielhaft bei der St. Galler Kantonalbank. Hier über den Zeitraum von zehn Jahren, wobei Anfang 2015 die Negativzinsen eingeführt worden waren.

Ersichtlich ist bei der Entwicklung der Zinsmarge aber auch, dass deren Anstieg sich vom ersten Semester 2023, dessen Vergleichsbasis noch von den Negativzinsen geprägt war, zum zweiten Semester verlangsamt. Im konkreten Beispiel der St. Galler Kantonalbank gar einen minimen Rückgang gebracht hat.

«Bei einigen Kantonalbanken ist im zweiten Semester 2023 die Profitabilität im Zinsgeschäft leicht gesunken», sagt Ausano Cajrati Crivelli, Bankenanalyst der ZKB. «Aber sie lag noch immer deutlich über den Vorjahren.»

Der Bankenspezialist ist optimistisch, dass dieses höhere Margenniveau nun gehalten werden kann: «Ich erwarte bei bis Ende Jahr gleichbleibenden Leitzinsen, dass sich die Profitabilität der meisten von uns abgedeckten Kantonalbanken im laufenden Jahr in etwa auf der Höhe des zweiten Semesters 2023 halten wird.»

Der anfängliche Schub beim Wachstum des Zinserfolgs, der sich daraus ergab, dass die Banken die Zinsen auf Einlagen langsamer erhöht hatten als auf Ausleihungen, ist zwar abgeflacht. «Die Einlagezinsen, die die Banken bieten, haben sich nach dem Anstieg im Jahr 2023 stabilisiert», sagt Crivelli. Doch die positiven Effekte aus dem höheren Zinsniveau gehen dennoch weiter: «Auf der Aktivseite – also hauptsächlich bei Hypotheken und Krediten – können die Banken ältere und auslaufende Verträge weiter in höher verzinsliche Kontrakte rollen.»

Rendite auf dem Eigenkapital steigt

Die positive – und voraussichtlich vorerst auf diesem Niveau verbleibende – Entwicklung des Zinserfolgs hat angesichts des Gewichts des Ertragspfeilers einen deutlichen Effekt auf das Gewinnpotenzial der Kantonal- und Regionalbanken. Ausdruck findet das in der Rendite auf dem Eigenkapital.

Sie zeigt 2023 bei allen Instituten nach oben. Bei den grössten Zinsprofiteuren – der BC de Genève, der Zuger und der Walliser KB, der BCV, aber auch der Regionalbank Valiant – gilt dies sowohl für die erste Jahreshälfte als auch nochmals gesteigert für die zweite. Alle übrigen Kantonalbanken haben das zur Jahresmitte erreichte höhere Niveau zumindest verteidigt.

Bewertung hat im Schnitt kaum zugenommen

Bei Banken hängen die Rentabilität auf dem Eigenkapital und die Bewertung anhand des Buchwerts normalerweise eng zusammen. Doch im Gegensatz zur klar sichtbar steigenden Eigenkapitalrendite hat die Bewertung der Valoren der Kantonalbanken im Schnitt nur minimal zugenommen.

Die Ausnahmen bilden die schon zuvor hoch bewerteten Titel der Banque Cantonale Vaudoise, die nochmals angezogen, aber jüngst auch wieder nachgegeben haben, sowie die Aufholjagd der Genfer KB. Ihre Aktien waren zuvor unterdurchschnittlich bewertet – und sie hat dieses Jahr den grössten Fortschritt im Zinsgeschäft verbuchen können.

Eine mögliche Erklärung dafür, warum die Bewertung der meisten Kantonalbanken hinter ihrem Fortschritt bei der Eigenkapitalrendite zurückbleibt, ist, dass die Investoren bereits wieder sinkende Zinsen erwarten. Sie taxieren die aktuellen Werte als Strohfeuer und rechnen mit Blick nach vorne bereits wieder mit tieferen Zinsen und einem entsprechend rückläufigen Zinserfolg der Banken.

Bedenkt man aber, dass die Kantonalbanken im Schnitt jährlich rund ein Fünftel der Hypotheken erneuern und an das neue Zinsniveau anpassen, besteht noch über Jahre zumindest Potenzial, von Zinsen zu profitieren, die im positiven Bereich verbleiben. Oder andersherum betrachtet: Selbst wenn die Zinsen demnächst wieder fallen sollten, ist das in den aktuellen Bewertungen meist schon reflektiert und dürfte kaum Druck ausüben.

Welche Banken Kurspotenzial bieten

Die obigen Grafiken zeigten es bereits: Die Kantonal- und Retailbanken sind keine Einheit, sondern sie unterscheiden sich mitunter bezüglich dem Rentabilitäts- und Bewertungsniveau. Beide Parameter stehen jedoch in einem Zusammenhang zueinander: Je höher die Rendite auf dem Eigenkapital ausfällt, desto höher ist in der Regel die Börsenbewertung.

In diesem relativen Vergleich zeigt sich derzeit folgendes Bild: Die Banque Cantonale Vaudoise ist mit einer Eigenkapitalrendite von mehr als 12% zum 2,4-fachem Buchwert bewertet. Am tiefsten ist die Bewertung von Valiant zum 0,6-fachen Buchwert, dies bei einer Eigenkapitalrendite von knapp unter 6%.

Legt man eine lineare Korrelation zwischen die Bewertung und die Eigenkapitalrendite, gibt das einen Hinweis, welche Bankaktien derzeit eher hoch oder tief bewertet sind. Grob gesagt gilt: Alles über dieser Trendlinie ist teuer, alles darunter günstig.

Ins Auge sticht dabei, dass die BC Vaudoise trotz ihrer mit Abstand höchsten Eigenkapitalrendite übermässig hoch bewertet erscheint. Das gegenteilige Bild zeichnet sich bei der BC de Genève. Nach ihrem massiven Anstieg der Eigenkapitalrendite wirkt ihre Bewertung trotz der starken Kursavance seit 2022 von mehr als 60% weiterhin günstig. Aufwertungspotenzial bieten zudem die Retailbank Valiant sowie die Basellandschaftliche KB, deren Titel jedoch nur wenig gehandelt werden .

Was abgesehen von der Bewertung und dem defensiven Charakter dieses Anlagesegments für die Valoren der Kantonal- und Retailbanken spricht, sind ihre oft attraktiven Dividenden: Valiant bietet derzeit geschätzt eine Rendite von 5,5%, die BCV von 4,3% und die St. Galler KB von 4%.

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