Eine Anleitung für gesunde Zähne in fünf Schritten – mit Tipps einer Prophylaxe-Assistentin und eines Zahnmediziners.

Zähneputzen ist für die meisten Menschen ein Automatismus. Was aber sollte man wirklich tun, um Karies und Zahnfleischentzündungen zu vermeiden? Muss es wirklich Zahnpasta mit Fluorid sein? Ist eine elektrische Zahnbürste nötig? Sollte man lieber Zahnseide oder Interdentalbürsten nutzen? Und muss man nach dem Frühstück wirklich dreissig Minuten mit dem Zähneputzen warten?

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Hier sind die Antworten – in einer wissenschaftlich fundierten Anleitung zur Zahnpflege in fünf Schritten:

Mit Streifen oder ohne, mit Minzaroma oder so neutral wie möglich: All das ist Geschmackssache. Zahnpasta braucht gemäss wissenschaftlichen Studien nur eines unbedingt: Fluorid. Deshalb also weg mit Produkten, die die Zähne ganz ohne Fluorid, aber mithilfe allerlei anderer Inhaltsstoffe intakt halten wollen. Damit riskiert man Karies.

Fluorid trägt dazu bei, dass die Zähne gesund bleiben. Und die Zähne der meisten Menschen brauchen diese Hilfe. Bakterien im Mund wandeln ständig Kohlenhydrate in Säure um. Die Säure greift den Zahnschmelz an und entzieht ihm Mineralien. Fachleute sprechen dabei von Demineralisierung. Geschieht das über den Tag verteilt oft, entstehen mit der Zeit Löcher. Fluorid lagert sich im Zahnschmelz an, verhindert Schäden durch die Säureattacken und gleicht den Verlust an Mineralien aus. Es remineralisiert die Zähne.

Die meisten Zahnpasten enthalten zwischen 1000 und 1500 ppm Fluorid. Die Abkürzung ppm steht für «parts per million». Das bedeutet, von einer Million Teilchen sind 1000 bis 1500 Teile Fluorid.

Philipp Sahrmann, Professor für Parodontologie und Leiter des Zentrums für Prophylaxe am Universitären Zentrum für Zahnmedizin in Basel (UZB), sagt dazu: «Dieser Gehalt hat sich in Studien als sehr effizient herausgestellt, um Karies bei Schlechtputzern zu vermeiden. Und Schlechtputzer sind wir eigentlich alle.»

Von Zahnpasten, die die Zähne besonders weiss machen sollen, rät der Fachmann ab. Sie enthalten winzige Teilchen, die die Zähne abschmirgeln und damit den Zahnschmelz angreifen. Philipp Sahrmann stellt einen Vergleich an: «Wer würde denn sein Auto mit Scheuermittel reinigen?» Solch eine aggressive Reinigung sollte man den eigenen Zähnen nicht antun.

Es ist ernüchternd: Gerade einmal 41 Prozent der Zahnoberflächen befreit der Durchschnittsputzer mit seiner Zahnbürste von Plaque, wenn er zwei Minuten lang putzt. Tut er das nur eine Minute lang, sind es nur 27 Prozent. Plaque ist ein Biofilm – eine schleimige Schicht auf den Zähnen, in der unzählbar viele verschiedene Bakterien leben. Auch Streptococcus mutans gedeiht dort: Das Bakterium, das für die Entstehung von Karies hauptverantwortlich ist. Damit die Säuren, die das Bakterium produziert, den Zahnschmelz nicht schädigen können, müssen wir den Biofilm wegputzen.

«Wir würden uns wünschen, dass die Leute mehr als 41 Prozent ihres Biofilms entfernen», sagt die Prophylaxe-Assistentin Dobrila Doukoudis. Sie leitet die Abteilung Prophylaxe am UZB und instruiert täglich Menschen darin, ihre Zähne besser zu putzen, als sie es bisher taten.

«80 bis 90 Prozent, das ist unser Ziel bei Patienten, die wegen Parodontitis bei uns in Behandlung sind», sagt Philipp Sahrmann. Parodontitis ist neben Karies das zweite gravierende Problem, das an den Zähnen entstehen kann. Dabei reagiert das Immunsystem mit einer Entzündung auf den Biofilm am Zahnfleisch. Mit der Zeit entsteht eine Zahnfleischtasche – ein Spalt zwischen Zahn und Zahnfleisch. Dort sammeln sich noch mehr Bakterien an. Die Entzündung wird stärker. Unbehandelt lockern sich die Zähne so sehr, dass sie ausfallen.

Um das zu verhindern, müssen die Betroffenen auf eine besonders gute Zahnpflege achten und beim Putzen so viel Plaque wie möglich entfernen, besonders am Zahnfleischrand. Dafür nutzen sie auch Spezialwerkzeug: spitz zulaufende Schallzahnbürsten, mit denen sie die Bakterienschicht in den entstandenen Lücken zwischen Zähnen und Zahnfleisch entfernen.

Ganz wichtig sind für diese Patienten auch Interdentalbürsten, mit denen sie den Bereich zwischen zwei Zähnen reinigen. Die sollte man übrigens nicht mit Zahnpasta verwenden. Denn Zahnpasta schmirgelt die Zähne immer leicht ab – und das kann dazu führen, dass die Zahnhälse geschädigt werden. Das ist der Bereich des Zahns, der vom Zahnfleisch umgeben ist.

Dobrila Doukoudis empfiehlt, verschieden grosse Bürstchen zu nutzen, da nicht jeder Zahnzwischenraum dieselbe Grösse hat. «Die Bürste darf nicht zu klein sein, weil sie sonst den Biofilm nicht entfernt», sagt sie. «Sie sollte aber auch nicht zu gross sein, weil sie sonst Zahnhälse und Zahnfleisch schädigen kann. Spürt man einen geringen Widerstand beim Einführen in den Zahnzwischenraum, hat man die richtige Grösse gefunden.»

Doch es gibt auch Menschen, die mit weitaus weniger Pflege gut zurechtkommen. Philipp Sahrmann glaubt nicht, dass er selbst 80 bis 90 Prozent seines Biofilms wegputzt. Zahnprobleme hat er trotzdem nicht. Er erklärt: «Es kommt auf die Neigung an, mit Entzündungen auf den Reiz vom Biofilm zu reagieren. Das hängt von unterschiedlichen Risikofaktoren wie Rauchen und Allgemeinerkrankungen ab, aber ist zu einem Teil auch genetisch festgelegt.»

Wie aber verbessert man die eigene Putztechnik, wenn man zu Zahnproblemen neigt? Erstaunlicherweise gibt es keine allgemeingültige und wissenschaftlich erprobte Putztechnik, die besonders effektiv ist. «Das ist ein sehr individuelles Thema», sagt die Prophylaxe-Assistentin Dobrila Doukoudis.

Mithilfe einer Farblösung, die die Plaque einfärbt und dadurch Schwachstellen beim Putzen aufzeigt, entwickelt sie mit jedem Patienten einen jeweils eigenen Weg hin zu einer verbesserten Mundhygiene.

Dass jeder Mensch eine individuelle Hilfestellung braucht, hat auch damit zu tun, dass ein jeder sein eigenes Putzmuster entwickelt. Manche Stellen putzt der Mensch besonders gut, andere lässt er systematisch aus. Putzt er einfach nur länger, wird sich an den Stellen, die er ohnehin vernachlässigt, kaum etwas verbessern. Es braucht also die persönliche Beratung.

Pauschale Tipps wollen deshalb weder Philipp Sahrmann noch Dobrila Doukoudis abgeben. Die medizinische Leitlinie zur Kariesprävention gibt den beiden Fachleuten recht. Darin heisst es: «Es sollte eine individuell geeignete Systematik vermittelt werden.»

Lässt die Wissenschaft immerhin einen Tipp zur Wahl der Zahnbürste zu? Auch das ist nicht ganz klar. Man braucht nicht unbedingt eine elektrische Zahnbürste, um Plaque gut zu entfernen. Mit einer Handzahnbürste ist das prinzipiell auch möglich. Studien haben aber gezeigt, dass sich mit einer elektrischen Zahnbürste eher mehr Biofilm entfernen lässt. Zudem empfehlen Fachleute, die Zähne zweimal am Tag für jeweils mindestens zwei Minuten mit nur sanftem Druck zu pflegen.

Sollte man vor einer Mahlzeit die Zähne putzen oder lieber danach? Es ist erstaunlich, aber gemäss der Leitlinie zur Kariesprophylaxe gibt es keine gut gemachten klinischen Studien, die diese Frage beantworten könnten. Allerdings hält die Expertenkommission, die die Leitlinie geschrieben hat, das Zähneputzen nach dem Essen für sinnvoller. Es ist eben trotz mangelnden wissenschaftlichen Erkenntnissen logisch: Mit dem Essen bekommen auch die Bakterien neues Futter.

Aber sollte man nach dem Essen eine halbe Stunde oder sogar eine Stunde lang mit dem Zähneputzen warten, wenn man etwas Säurehaltiges gegessen oder getrunken hat, zum Beispiel Orangensaft? Solche Empfehlungen geben noch immer einige Zahnärzte. Doch das ist gemäss neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen überholt. Man muss also nicht warten.

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Einen grossen Teil unserer Zähne kann die Zahnbürste nicht erreichen. 30 bis 40 Prozent der Zahnflächen entfallen auf den sogenannten Interdentalraum, das ist der Bereich zwischen zwei Zähnen. Deshalb empfehlen Zahnärztinnen und Dentalhygieniker gebetsmühlenartig, Zahnseide und spezielle Bürsten für den Zahnzwischenraum zu nutzen. Allerdings ist es wissenschaftlich nicht gesichert, dass das etwas nützt. In der Leitlinie zur Kariesprävention hält man trotz der schlechten Forschungslage an der Empfehlung fest. Zur Begründung heisst es: «Es ist biologisch plausibel, dass eine regelmässige Interdentalraumreinigung eine kariesprotektive Wirkung aufweist.»

Welches Hilfsmittel aber soll man nutzen, um den Bereich zwischen den Zähnen bestmöglich zu reinigen? Dobrila Doukoudis zögert nicht lange und sagt: «Das beste Produkt zur Interdentalpflege ist das, was der Patient jeden Tag nutzt.» Und Philipp Sahrmann präzisiert: «Die Interdentalbürste ist gut geeignet, um den Zahnfleischrand zu säubern und damit Parodontitis vorzubeugen.» Mit der Zahnseide hingegen komme man besser an die sehr enge Stelle des Kontaktes zwischen den Zähnen, und das helfe, Karies zu verhindern.

Regelmässige Vorsorgeuntersuchungen mit individueller Beratung und professioneller Zahnreinigung helfen, Karies vorzubeugen. «So ein Termin ist nicht mit einer Waschstrasse zu vergleichen», sagt Philipp Sahrmann. «Wir reinigen die Zähne nicht nur, sondern wir geben auch Hilfe zur Selbsthilfe und begleiten den Patienten professionell.» Er empfiehlt solche Termine auch und besonders Personen mit Implantaten.

Karies kann an Implantaten zwar nicht entstehen, aber Zahnfleischentzündungen seien die «Achillesferse» für Implantate. Entzündungen können dazu führen, dass die künstlichen Wurzeln langfristig ihren Halt im Knochen verlieren. Eine regelmässige professionelle Zahnreinigung mit Beratung könne dazu beitragen, das zu verhindern.

Es gibt etliche Massnahmen, die man zusätzlich zum Zähneputzen treffen kann. Aber tut man damit wirklich den Zähnen etwas Gutes oder vor allem dem eigenen Gewissen? Betrachten wir drei Beispiele:

Fluoridierte Mundspülung: In der Leitlinie zur Kariesprävention kommt die Mundspülung gut weg. Die Autoren geben aufgrund der Studienlage eine klare Empfehlung für Mundspülungen, vor allem für Kinder und Jugendliche.

Der Zahnmediziner Philipp Sahrmann sieht das anders. «Man sollte den Aufwand besser nutzen, um das Zähneputzen zu verbessern. Das bringt sehr viel mehr als eine Mundspülung.»

Kaugummi zur Kariesprophylaxe: Speichel schützt die Zähne. Er neutralisiert Säuren, die die Zähne angreifen, remineralisiert die Zähne und spült Nahrungsreste weg. Kaugummi zu kauen regt die Produktion von Speichel an. Deshalb ist es durchaus eine gute Idee, ihn regelmässig zu kauen, vor allem nach den Mahlzeiten. Wichtig ist es, zuckerfreien Kaugummi zu wählen und dabei zu beachten, dass der Kaugummi das Zähneputzen nicht ersetzen kann.

Den Lebensstil ändern: Rauchen und Diabetes erhöhen das Risiko, an Parodontitis zu erkranken. Um Karies zu vermeiden, sollte man vor allem sogenannte freie Zucker meiden: Das ist Zucker, der Nahrungsmitteln zugesetzt wird und der in Honig, Fruchtsäften oder Sirup enthalten ist. Ihn können die Bakterien im Mund nämlich besonders gut in Säure umwandeln, die die Zähne angreift.

Gewisse Lebensmittel verändern darüber hinaus den pH-Wert im Mund so ungünstig, dass sie die Zähne direkt angreifen. Dazu gehören Soft- und Energydrinks, Orangensaft (ausser ihm ist Kalzium zugesetzt) und Frucht-Smoothies. Schützen kann man die Zähne mithilfe der Ernährung, indem man fluoridiertes Speisesalz verwendet.

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