Montag, Oktober 28

Korkenzieher sind für Weinliebhaber unentbehrlich – jedenfalls in den meisten Ländern der Welt. Doch welches Werkzeug es sein darf, bleibt diskutabel, zumal sich nicht jede Innovation am Ende durchsetzt.

Neuseeländer müsste man sein. Denn in Neuseeland brauchte man sich keine Sorgen zu machen, ob das Werkzeug zum Öffnen der im Laden erworbenen Flasche Wein dabei ist oder was zu tun ist, wenn der vermaledeite Korken beim Ziehversuch abbricht. Denn rund 95 Prozent aller am anderen Ende der Welt abgefüllten Flaschen sind mittlerweile mit Schraubverschluss versehen. Dass die Kellnerinnen und Kellner in den Restaurants zwischen Wellington und Auckland oft gar keinen Korkenzieher mehr in der Tasche haben, wundert daher kaum.

Ob es in der Schweiz jemals so weit sein wird, ist fraglich. Die Leidenschaft für Kork-Alternativen ist bei europäischen Winzern und Weintrinkern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Und vor allem im gehobenen Segment der Bordeaux und Burgunder, aber auch der besten Walliser und Bündner Weine, zurückhaltend. Einen Gantenbein-Pinot-noir mit Screwcap? Einen Léoville-Las-Cases ohne Baumrinde im Flaschenhals? Kaum realistisch. Zumal die Korkproduzenten ja Fortschritte gemacht und die Anzahl der den Wein verderbenden Fehltöne reduziert haben.

Perfekt durchdacht

Die Produzenten der Zapfenzieher können sich also bequem zurücklehnen, denn ihr Produkt ist und bleibt gefragt. Aber sie leiden auch darunter, dass Innovationen nur eingeschränkt möglich sind. Das Werkzeug ist, seit man die Spirale in der Form perfektioniert und gleich noch die Teflonbeschichtung für selbige entwickelt hat, so gut wie zu Ende erfunden. Herstellern wie Verbrauchern ist längst klar, dass die Spindel hohl sein muss und dass, wer noch Billigwerkzeuge in der Küchenschublade liegen hat, bei denen das nicht der Fall ist, selbige schleunigst zum Altmetall geben sollte.

Auch die Scharniere sind wichtig: Was nützt die beste Spindel, wenn sich beim Aufhebeln alles verkantet? So mancher schicke Designkorkenzieher sieht zwar gut aus, erweist sich aber auf Dauer als unpraktisch – und dass vor ein paar Jahrzehnten der sogenannte Screwpull Furore machte, ist heute fast vergessen. Jenes schicke Gerät ersetzte einst den Hebel konventioneller Korkenzieher durch eine Schraube – der Nutzer musste die Spirale nur in den Zapfen hinein- und anschliessend wieder herausdrehen. So mancher Fan der ersten Stunde kehrte allerdings bald wieder zum klassischen Kellnermesser mit Hebelfunktion zurück, denn ein Screwpull lässt sich nicht so einfach in der Hosentasche verstauen wie manch anderer Korkenzieher.

Anders als Laien, die womöglich nur alle paar Tage eine Flasche öffnen, setzen Profis Zuverlässigkeit an die erste Stelle. Fragt man Aurélien Blanc, Restaurantmanager im neuen Zürcher Lokal «Marguita» und einer der profiliertesten Sommeliers der Schweiz, wird klar, was wirklich wichtig ist: «Im Alltag am praktischsten und robustesten ist der banale Pulltap.» Jener auch als Kellnermesser bekannte Korkenzieher also, der oft von Winzern und Weinhandlungen als Werbegeschenk überreicht wird. Für den Pulltap spricht auch das eingebaute Messer, um eine oft vorhandene Kapsel zu entfernen.

Kräftesparend öffnen

Nach ein paar Einsätzen werde das Ganze zudem leichtgängig, so Blanc. Ein ähnliches Prinzip verfolgt der Coutale-Korkenzieher, auf den andere Sommeliers schwören. Der Aufsatz, der auf dem Flaschenhals ruht, wurde hier perfektioniert, um den Druck möglichst umfassend nach unten zu leiten. Auch Neues ist hier in Sicht. «Wir werden das Modell Rapido herausbringen», sagt Coutale-Entwickler Philippe Bernède. Die Innovation soll das Öffnen in einer einzigen Bewegung erlauben, nicht wie sonst üblich in zwei Aufsetz-Schritten, und mit einer beachtlichen Reduktion des Krafteinsatzes einhergehen.

Manchmal freilich muss es auch gar nicht das Praktischste sein, sondern das Schönste. Persönlich und auf die private Weise sei er der Marke Château Laguiole treu, sagt Aurélien Blanc. «Ich sammle sie nicht unbedingt, aber ich besitze zahlreiche Exemplare.» Solche Edelstücke würde der «Marguita»-Maître wohl auch dann nicht verschrotten, entschlössen sich irgendwann doch alle Winzer Europas, nur noch Schraubverschlüsse zu verwenden.

Spezialkorkenzieher für Härtefälle

Je älter der Wein, desto schlechter der Korken? Ganz so einfach ist die Gleichung nicht. Denn in Tat und Wahrheit kommt es sehr auf die individuelle Qualität des in der Flasche steckenden Stückes Baumrinde an. Aus dem 1921er Riesling von der Mosel, den der Autor dieses Artikels vor ein paar Monaten öffnete, liess sich der Kork in einem Stück und ohne grosse Probleme herausziehen.

Sollte dies nicht mehr möglich sein, hilft meist ein Spezialkorkenzieher namens Durand; seitliche Klingen geben auch ultramürben Zapfen Halt. Hin und wieder kann es aber auch sinnvoll sein, den bröselnden Korken energisch in die Flasche zu drücken und deren Inhalt zu filtern. Auch an einem Druckkorkenzieher kann man sich in solchen Fällen versuchen. Dazu wird Luft mit einer Nadel in die Flasche gepumpt, so dass der Überdruck für ein Hinausgleiten des Korkens sorgt.

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