Montag, Oktober 7


Stilkritik

Murat Yakins Brillen, Luis de la Fuentes knappe Anzüge und der feine Zwirn von Gareth Southgate: Anlässlich des Viertelfinals der EM 2024 lassen wir die Trainer der acht qualifizierten Mannschaften stilistisch gegeneinander antreten.

Spanien – Deutschland

Luis de la Fuente, 63, ist selbst ehemaliger Fussballspieler. Seine Frisur, der Dreitagebart und die Hornbrille geben ihm das Aussehen eines gut ausgeschlafenen Geschichtslehrers auf Oberstufenniveau. Sein Körperbau kontrastiert mit dem Eindruck eines Klischeeintellektuellen: Dass de la Fuente gerne mit Gewichten trainiert, ist offensichtlich. Seine Kleidung wählt er so aus, dass diese Bemühungen auch sichtbar sind: körpernah geschnittene Anzüge und Fussballtrikots, die mindestens eine Nummer zu klein sind.

Auch Julian Nagelsmann, Trainer der deutschen Fussballnationalmannschaft, rannte einst dem Ball hinterher. Optisch könnte der 36-Jährige mit der typischen gelverliebten Fussballerfrisur de la Fuentes Schüler sein. Stilistisch hat er sich noch nicht ganz gefunden: Hin und wieder trägt er fast schon avantgardistische Workwear, dann wieder glänzende Daunenjacken, wie sie Neureiche auf Sylt tragen, er zeigt sich im Trachtenanzug ebenso wie im sportlichen Hoodie.

Für die EM hat er sich eine Uniform zugelegt, die aber auch nicht recht zu überzeugen vermag: Er trägt meistens ein Langarmhemd aus winterlichem Stoff, dazu eine Skinny-Anzughose und wechselnde Turnschuhe.

Am Ende steht es 1:0 für Spanien
Beide Trainer mögen augenscheinlich körperbetonte Kleidung. Der kontrastreiche, selbstsichere Look von Luis de la Fuente schlägt den von Newcomer Julian Nagelsmann aber mühelos; dieser hat seinen Stil noch nicht gefunden.

Portugal – Frankreich

Klassisch ist Portugals Nationaltrainer Roberto Martínez, 50, unterwegs (dem übrigens eine gewisse Ähnlichkeit mit Alain Berset nicht abzusprechen ist). Gut geschnittene Anzüge, dunkelblau und augenscheinlich aus teurem Stoff, zu weissen Hemden und Krawatten, dazu ab und an Sneakers, um der Sportlichkeit willen.

Frankreichs Trainer Didier Deschamps, 55, pflegt einen ähnlichen Stil, allerdings etwas moderner, was die Farbwahl und die Schnitte angeht. Bei den Schuhen setzt er gern auf Klassiker. Früher pflegte der Ex-Profi eine wahrscheinlich von David Beckham inspirierte Erscheinung mit aufgestellten blondierten Haaren. Und auch heute passt seine zu einer Seite gegelte Frisur noch nicht so ganz zum Rest der Erscheinung.

Portugal – Frankreich: 0:0 (nach Elfmeterschiessen: 3:0)
Wäre diese Entscheidung ein Fussballspiel, hätte es Verlängerung und Elfmeter gegeben. Am Ende liegt Roberto Martínez vor Didier Deschamps: Seine Kleider sitzen einfach besser.

England – Schweiz

Gareth Southgate, 53, der Nationaltrainer von England, macht dem Tailoring-Ruf von England alle Ehre und gehört mit Sicherheit zu den am besten gekleideten Gentlemen auf dem Rasen. Feiner Zwirn, Krawatte, Schuhe, Anzug, gern auch mit Weste oder Einstecktuch – das ist klassische Schneiderkunst. Für die EM hat er sich eine Uniform zugelegt, bisher trug er immer das Gleiche: einen dunklen Anzug zu einem dickeren Poloshirt mit Reissverschluss. Ein solcher Signaturelook zeigt natürlich auch, dass er nun seine ganze Energie auf Spiel richten will.

Er tritt an gegen Murat Yakin, 49, der nicht nur die Schweizer Nationalmannschaft erfolgreich ins Viertelfinale führte, sondern sich mit seinem Äusseren eine treue Fangemeinde auf den sozialen Netzwerken eroberte. Vor allem seine leicht exzentrischen Brillen haben es vielen angetan; sie verhelfen seinem sonst eher glatten Musterschüler-mit Geld-Look mit Poloshirt und neuen Sneakers zu Ecken und Kanten. Dass die Brillen von den Schweizer Marken Götti und Nirvan Javan stammen, macht die Sache noch runder.

Endstand England – Schweiz: 0:0
Auf dem Feld muss es einen klaren Sieger geben, stilistisch steht es hier unentschieden: Auch wenn an Gareth Southgates Look alles stimmt, so beweist Murat Yakin doch mehr Individualität.

Niederlande – Türkei

Selbst wenn man Ronald Koeman im Vorfeld nicht viel zutraute, seine Mannschaft steht im Viertelfinal. Er hat sich ebenfalls eine Uniform für die EM zugelegt, und auch er hat wie einige seiner Gspänli eine Vorliebe für Poloshirts, eng geschnittene Hosen und die Farbe Dunkelblau. Dazu trägt er schwer verzeihbare Hybridschuhe, nämlich Mokassins mit Sneakersohle ohne Socken.

Er tritt hier an gegen den aus Italien stammenden Trainer der türkischen Nationalmannschaft, Vincenzo Montella. Dieser trägt eine klassische Herrengarderobe: Anzüge, Hemden, deren Ärmel er bei Hitze oder hitzigen Gefechten hochkrempelt, Poloshirts.

Resultat Niederlande – Türkei: 0:1
Knapper Sieg, auch wenn Vincenzo Montellas Businesslook trotz Sneaker fast schon etwas langweilig daherkommt.

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