Dienstag, März 4

Nach fast 60 Jahren ist das sogenannte Sofaproblem gelöst. Ameisen kämpfen mitunter mit ähnlichen Problemen. Zur Lösung setzen sie allerdings auf eine andere Art der Intelligenz als der Mensch.

Jeder von uns kennt das. In der Wohnung steht ein Sofa, das vom einen Zimmer ins andere gezügelt werden soll. Aber wie man es auch dreht und wendet, es scheint keine Möglichkeit zu geben, das sperrige Ding um die Ecke zu bugsieren. Nicht selten endet der Versuch mit Verwünschungen und unschönen Kratzern in der frisch gestrichenen Wohnung.

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Das wäre nicht nötig. Der Mathematiker Jineon Baek von der Yonsei University in Seoul hat kürzlich bewiesen, wie gross ein Sofa maximal sein darf, damit es um die Ecke passt. Ist es grösser, kann man sich jeden Versuch schenken. Allerdings hilft dieser Beweis im realen Leben nur bedingt weiter. Denn er gilt nur in einer idealisierten Welt mit zwei Dimensionen – also etwa für Sofas, die so schwer sind, dass man sie nicht anheben, sondern nur über den Boden schieben kann.

Ein Alltagsproblem hält Mathematiker auf Trab

Das sogenannte Sofaproblem beschäftigt Mathematiker seit Jahrzehnten. Erstmals wurde es 1966 vom österreichisch-kanadischen Mathematiker Leo Moser beschrieben. Moser fragte sich, welche Fläche ein starrer zweidimensionaler Körper maximal haben darf, damit er in einem ein Meter breiten Korridor um eine rechtwinklige Ecke manövriert werden kann. Wie Jineon Baek im Dezember bewiesen hat, lautet die korrekte Antwort 2,2195 m2. Aber der Reihe nach.

Ist das Sofa quadratisch, lässt sich die Frage relativ einfach beantworten. Damit es um die Ecke passt, dürfen seine Kanten nicht länger als ein Meter sein. Seine Fläche beträgt dann 1 m2. Ist eine der beiden Seiten auch nur geringfügig länger, gibt es keine Möglichkeit, das Sofa um die Ecke zu bringen. Man eckt unweigerlich an.

Trotzdem ist 1 m2 nicht die maximale Fläche, die ein Sofa haben darf. Lässt man nämlich runde Formen zu, kann man das Sofa nicht nur schieben, sondern auch drehen. Das eröffnet neue Möglichkeiten.

Ein Beispiel dafür ist ein Halbkreis. Wenn dieser einen Radius von einem Meter hat, lässt sich das Sofa gerade noch um die Ecke drehen. Dieser Halbkreis hat (in der Einheit m2) eine Fläche von π/2 ≈ 1,571; er ist also grösser als das Einheitsquadrat.

Geht es noch besser? Ja, viel besser sogar. Im Jahr 1968 präsentierte der britische Mathematiker Michael Hammersley eine Lösung, die an einen altmodischen Telefonhörer erinnert. Hammersley zerschnitt das halbkreisförmige Sofa gedanklich in der Mitte und fügte ein Rechteck mit einer halbkreisförmigen Aussparung ein. Diese Aussparung stellt sicher, dass das Sofa um die Ecke gedreht werden kann, obwohl es länger ist als der Halbkreis im obigen Beispiel.

Wie Hammersley berechnete, ergibt sich das Optimum, wenn der ausgeschnittene Halbkreis einen Radius von 2/π besitzt. Eine einfache Berechnung aller Teilflächen zeigt, dass das gesamte Sofa dann eine Fläche von π/2 + 2/π ≈ 2,2074 hat. Das Hammersley-Sofa ist also deutlich grösser als das halbkreisförmige.

Hammersley vermutete, dass seine Lösung optimal ist. Aber er täuschte sich. Im Jahr 1992 konstruierte Joseph Gerver von der Rutgers University ein Sofa, das sich in winzigen Details vom Hammersley-Sofa unterscheidet.

Das Gerver-Sofa wird von 18 aneinandergestückelten Kurven begrenzt. Eine Berechnung ergab, dass es eine Fläche von 2,2195 m2 besitzt. Damit ist es wenige Prozent grösser als das Hammersley-Sofa. Gerver konnte zwar zeigen, dass lokale Veränderungen dieser Form kein besseres Ergebnis lieferten. Er konnte aber nicht ausschliessen, dass ein ganz anders geformtes Sofa eine noch grössere Fläche hat.

Eine solche Lösung wurde bis heute nicht gefunden. Das heisst allerdings nicht, dass es sie nicht gibt. Solange nicht bewiesen ist, dass Gervers Sofa die maximal mögliche Fläche hat, kann es jederzeit passieren, dass ein findiger Mathematiker ein Sofa konstruiert, das noch etwas grösser ist und um die Ecke passt.

Hier kommt nun Jineon Baek ins Spiel. Auf 119 Seiten beweist er, dass die Konstruktion von Gerver die maximal mögliche Fläche erreicht. Die Arbeit ist noch nicht begutachtet worden. Deshalb gilt der Beweis bis jetzt nur unter Vorbehalt.

Baek hatte sich schon während seiner Doktorarbeit mit dem Sofaproblem beschäftigt. In dieser Zeit hatte er sich wiederholt mit Dan Romik von der University of California in Davis ausgetauscht, einem Experten auf diesem Gebiet. Der Beweis von Baek basiere auf soliden mathematischen Ideen und einigen sehr interessanten und neuartigen Erkenntnissen, schreibt Romik auf Anfrage. Er habe den Beweis zwar noch nicht vollständig überprüft. Romik wäre aber sehr überrascht, wenn sich herausstellen würde, dass mit dem Beweis etwas nicht stimme.

Was Ameisen besser können als Menschen

Egal, ob der Beweis richtig oder falsch ist. Im täglichen Leben hilft die Mathematik kaum weiter. Wer ein Sofa zügelt, will nicht wissen, wie das optimale Sofa aussieht, das gerade noch um die Ecke passt. Er will wissen, ob sein wie auch immer geformtes Sofa ins Nachbarzimmer gebracht werden kann. Darauf liefert der Beweis des Sofaproblems keine Antwort. Am Ende bleibt also doch nichts anderes übrig, als das geometrische Puzzle durch Versuch und Irrtum zu lösen.

Darin sind Menschen weniger gut, als man meinen könnte – vor allem wenn das Sofa zum Beispiel ein Klavier ist. Von Ameisen weiss man, dass sie im Kollektiv Leistungen erbringen können, zu denen das einzelne Individuum nicht in der Lage ist. Beim Menschen verhält es sich umgekehrt. Hier gilt: Zu viele Köche verderben den Brei.

Das zeigt etwa ein Experiment, das kürzlich am Weizman Institute of Science in Rechovot in Israel durchgeführt worden ist. Die Arbeitsgruppe von Ofer Feinerman stellte Ameisen und Menschen vor die gleiche Aufgabe. Sie sollten einen in Gewicht und Grösse skalierten T-förmigen Gegenstand durch einen Hindernisparcours transportieren.

Puzzle solving in ants and people: part 3, large ant group

Die Ameisen konnten das Piano-Transport-Rätsel in der Gruppe viel besser lösen als einzeln. Eine Gruppe von Menschen tat sich hingegen schwerer als eine Einzelperson. Besonders kläglich war das Resultat, wenn die Träger nicht miteinander kommunizieren konnten.

Die Forscher führen die Unterschiede darauf zurück, dass Ameisen in der Gruppe ein kollektives Kurzzeitgedächtnis entwickeln, das die Bewegungen der einzelnen Individuen steuert und koordiniert.

Die Stärke des Menschen liegt darin, dass er die Aufgabe durchdenkt und einen Plan entwickelt. Sobald er jedoch in der Gruppe agiert, verfällt er dem Gruppendenken und verfolgt nur noch die naheliegendsten Lösungen. Die Kommunikation in der Gruppe verbessert zwar das Resultat. Aber die Schwarmintelligenz reicht immer noch nicht an die Fähigkeit des Einzelnen heran.

Wer also das nächste Mal ein Sofa oder ein Klavier zu transportieren hat, sollte die Zahl der Helfer auf ein Minimum beschränken und vor allem eins nicht vergessen: reden, reden, reden.

Ein Artikel aus der «»

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