Donnerstag, November 14

Ab Montag treffen sich Tausende Delegierte in Aserbaidschan, um weiter über die Umsetzung des Pariser Klimavertrags zu verhandeln. Besonders hart dürfte darüber gerungen werden, wer wie viel bezahlt, um die schwerwiegendsten Folgen der Erderwärmung zu lindern.

Alle Jahre wieder eine Weltklimakonferenz. In Dubai, wo die Verhandlungen letztes Jahr stattfanden, hatten sich die beteiligten Regierungen nach mühsamen Auseinandersetzungen dazu durchgerungen, den Anfang vom Ende des fossilen Zeitalters auszurufen. Dieses Jahr, an der 29. Weltklimakonferenz in Baku, stehen nun heftige Kämpfe über das für die globale Energiewende notwendige Geld an.

Überschattet wird die Weltklimakonferenz von der Tatsache, dass sie in einem Land stattfindet, das von den Einnahmen seiner Erdöl- und Erdgasvorkommen profitiert. Aktivisten bemängeln, dass die autoritäre Regierung die Konferenz dazu nutzen möchte, ihren internationalen Ruf reinzuwaschen und vom Konflikt mit Armenien und von Menschenrechtsverletzungen abzulenken.

Geld und Geopolitik bestimmen diese Konferenz

Politische Vertreter von rund 200 Staaten verhandeln ab Montag wieder darüber, wie schnell und wie drastisch Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren gesenkt werden können. Und sie verhandeln darüber, wie sich die Folgen der Erderwärmung abfedern lassen.

Dabei geht es an der Konferenz vor allem um eine Frage: Wie viele Milliarden, gar Billionen, können künftig an finanzieller Unterstützung für Entwicklungsländer und für von den Auswirkungen des Klimawandels besonders hart getroffene Länder bereitgestellt werden? Dazu gehören auch hochkomplexe Verhandlungen über den internationalen Handel mit CO2-Gutschriften. Das soll nicht nur Ländern wie der Schweiz erleichtern, ihre Emissionsziele so günstig wie möglich zu erreichen. Befürworter sagen, dass ein solcher Markt auch zusätzliche Finanzmittel für Entwicklungsländer generieren könne.

Der Streit über die sogenannte Klimafinanzierung brodelt seit Jahren. 2009 einigten sich die Industriestaaten darauf, bis zum Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an finanzieller Unterstützung zu mobilisieren. Der Betrag war dabei eine rein politische Zielmarke.

Die Summe wurde während der Verhandlungen aus der Luft gegriffen – und hat seitdem die Beziehungen zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern schwer belastet. Das lag vor allem daran, dass die Industrieländer ihrer Verpflichtung lange nicht nachgekommen sind. Erst 2022, so eine offizielle Hochrechnung, wurde der Betrag erreicht.

In diesem Jahr sollen sich Regierungen nun offiziell auf ein neues Ziel einigen, das ab 2025 gilt. In der Diskussion geht es dabei längst über mehr als die 100 Milliarden. Forderungen vonseiten verschiedener Allianzen von Entwicklungs- und Schwellenländern reichen bis zu über 1 Billion jährlich. «Es geht mindestens um eine Verzehnfachung der bisherigen Gelder. Alles andere wird dem enormen Bedarf an Klimafinanzierung zum Einhalten des Pariser Klimaabkommens nicht gerecht», sagt David Ryfisch von der deutschen Nichtregierungsorganisation Germanwatch.

Internationale Machtkämpfe verschärfen die Lage

Das ist auch den Diplomaten aus den Industriestaaten bewusst. So schreiben die USA in einem Positionspapier, dass es weithin anerkannt sei, dass der Finanzbedarf zur Erreichung der Pariser Klimaziele bei weit über einer Billion Dollar liege. Der Kampf der kommenden Wochen dreht sich dabei weniger um den Betrag selbst, als vielmehr um die Fragen, wer die Summen bereitstellt, in welchem Masse der Privatsektor einbezogen werden wird und an welche Bedingungen die Gelder geknüpft sind.

«Es ist jedoch klar, dass öffentliche internationale Finanzmittel allein ein solches Niveau nicht erreichen können. Und das Klimafinanzierungsziel muss diese Realität widerspiegeln», schreiben etwa die USA. Dazu kommt auch, dass viele der traditionellen Geberländer ihre eigenen Staatshaushalte gestrafft haben. Dabei haben sie auch die Mittel für die Entwicklungshilfe gekürzt, wie zum Beispiel Grossbritannien.

Die Auseinandersetzungen der kommenden Wochen spiegeln vor allem auch ein geopolitisches Kräftemessen wider. Es spitzt sich seit Jahren zu. In diesem Jahr wird der Machtkampf von den Kriegen in der Ukraine, in Gaza und dem wirtschaftspolitischen Wettstreit zwischen den USA, China und Europa weiter verschärft.

In der alteingesessenen Logik der Klimaverhandlungen waren bislang nur die Industrieländer gefordert, die Finanzmittel bereitzustellen. Doch diese Staaten, allen voran die USA, die Mitgliedsländer der EU sowie die Schweiz, wollen das inzwischen nicht länger hinnehmen.

Längst sind sie nicht mehr allein für die steigenden Emissionen und die damit einhergehenden Schäden verantwortlich. Im Gegenteil. Die wirtschaftlichen Emporkömmlinge der G-20 tragen den Löwenanteil an den steigenden Emissionen. Auch sie sollen künftig finanziell in der Verantwortung stehen.

Schon letztes Jahr hatte der EU-Kommissar Wopke Hoekstra betont, dass es keinen Grund mehr gebe, grosse und wohlhabende Schwellenländer, allen voran China und die Erdölstaaten am Golf, vom Haken zu lassen. In diesem Jahr werden solche Forderungen noch lauter ertönen – und die Stimmung erwartungsgemäss aufheizen. Die wachsende Schuldenkrise in vielen Entwicklungsländern wird die Verhandlungen dabei weiter belasten.

Wetterextreme kosten Milliarden

Auch die steigenden Kosten durch sich häufende Wetterextreme überschatten die Konferenz. Ein neuer Fonds für Klimaschäden und Verluste, die schon heute unabweisbar sind, wurde vor zwei Jahren an der Weltklimakonferenz in Sharm al-Sheikh beschlossen.

Bislang haben Länder rund 700 Millionen Dollar an Finanzierung versprochen, und viele organisatorische Fragen sind offiziell geklärt. Der Betrag sei ein Anfang, sagen Beteiligte, aber reiche bei weitem nicht aus, um betroffene Entwicklungsländer zu unterstützen. Es sei weiterhin offen, wie effektiv der Fonds den Ländern zügig und ausreichend Hilfe zukommen lassen könne.

Dabei wurden in diesem Jahr nicht nur anfällige Entwicklungsländer heftig von den Auswirkungen steigender Temperaturen gebeutelt. Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren haben während der vergangenen Monate Gemeinden in ganz Europa mitgenommen. Der Klimawandel verschärft solche Extremereignisse.

Nach dem Sturzregen in der spanischen Provinz Valencia werden noch immer Dutzende vermisst. Die Wassermengen zerstörten Häuser, Autos und Infrastruktur. Der Wiederaufbau wird wohl nicht nur viele Millionen, sondern auch viel Zeit kosten.

Die Bilder der Zerstörung, so Klimadiplomaten und Aktivisten, zeigten immer klarer, wie dringend die Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahren fallen müssten. In den vergangenen Jahren sind sie immer noch gestiegen, wenn auch langsam. Regierungen stehen unter Druck, im nächsten Jahr neue und verbesserte Klimapläne vorzulegen. Das sehen die Regeln des Pariser Klimavertrags so vor.

Gleichzeitig zeigen die jüngsten Zahlen der Vereinten Nationen, dass Regierungen mittels ihrer geplanten Emissionsreduktionen zur Zeit auf bis zu 3,1 Grad Erwärmung zusteuern – im besten Fall auf etwa 2,4 Grad. Das ist weit entfernt von den Zielen des Abkommens, den Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts auf weit unter 2 Grad und idealerweise auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Diese Befunde geben Aktivisten nicht nur Grund zur Sorge, sondern weitere Munition, den dringenden Ausstieg aus fossilen Brennstoffen lautstark zu fordern. In Dubai hatten sich Regierungen auf vage Formulierungen in diese Richtung geeinigt, die kommenden Jahren werden jedoch erst zeigen, wie ernst es Hauptstädten damit ist.

Die Energiewende geht voran – aber uneinheitlich

Laut Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) hat die weltweite Energiewende Fahrt aufgenommen: Die jährlichen Investitionen in saubere Energieprojekte nähern sich 2 Billionen Dollar. Sie werden damit fast doppelt so hoch sein wie die Summe, die für neue Öl-, Gas- und Kohlelieferungen ausgegeben wird, so die IEA. Gleichzeitig fallen auch die Kosten für viele grüne Technologien wieder, nachdem sie infolge der Covid-Pandemie teilweise gestiegen sind.

NZZ Planet A

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Aber Erdöl, Gas und Kohle dominieren weiterhin das globale Energiesystem. Und die grossen Petrolstaaten machen keine Anzeichen, dass sie bereit sind, den Öl- und Gashahn zuzudrehen.

Im Gegenteil. Diese Aussicht hat sich am Mittwoch weiter verschlechtert, nachdem Donald Trump als Wahlsieger in den amerikanischen Präsidentschaftswahlen hervorgegangen war. Die USA sind nicht nur der weltweit zweitgrösste Verursacher von Emissionen. Sie sind auch der weltweit grösste Erdölproduzent. Die Vereinigten Staaten haben in den vergangenen sechs Jahren in Folge mehr Rohöl gefördert als jedes andere Land zu irgendeinem Zeitpunkt, so die landeseigene Energieagentur in diesem März. Gleichzeitig exportiert kein Land mehr Flüssigerdgas (LNG) als die USA.

Umweltaktivisten aus aller Welt schickten schon am Mittwoch warnende Zitate an Journalisten; die Angst geht um, dass eine weitere Amtszeit unter Trump die internationalen Klimabemühungen langfristig ramponiert.

«Diese Nachricht macht den ohnehin schon schwierigen Weg zu einem Konsens noch steiler und unsicherer», sagt Harjeet Singh von der Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty Initiative über die Aussichten für die Klimakonferenz in Baku. «Die Welt kann es sich nicht leisten, dass sich ihr grösster historischer Emittent und wichtigster Produzent fossiler Brennstoffe seiner Verantwortung entzieht.»

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