Samstag, April 19

Bernard Arnault, der Chef von LVMH, ist der Mann, der die Luxuswelt beherrscht. Nun wurde er überholt – von dem Haus, das er nie kaufen konnte.

Das hätte sich Bernard Arnault wohl nie träumen lassen. Hermès, der elegante, lange unterschätzte Rivale, ist plötzlich mehr wert als sein eigener Luxusgüterkonzern LVMH. Ausgerechnet jenes (kotierte) Familienunternehmen, das er vor fünfzehn Jahren übernehmen wollte – und an dem er trotz jahrelangen Bemühungen scheiterte. Damals wehrte sich die Hermès-Familie in einem als «Handtaschenkrieg» bekannt gewordenen Machtkampf erfolgreich gegen die feindliche Übernahme.

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Nun aber hat Hermès die Nase vorn: Am Dienstagabend erreichte der Börsenwert des Unternehmens fast 249 Milliarden Euro. LVMH kam gleichzeitig auf 244 Milliarden. Damit ist Hermès das wertvollste Unternehmen im französischen Leitindex CAC 40 – und europaweit auf Platz drei, hinter dem deutschen Softwarekonzern SAP und dem dänischen Pharmaunternehmen Novo Nordisk.

Ein Kursrutsch bei LVMH – und stabiles Hermès

Auslöser für die Wachablösung war ein enttäuschender Quartalsbericht von LVMH am Montag. Der Umsatz sank im Vergleich zum Vorjahr um 3 Prozent. Analysten hatten hingegen mit einem leichten Plus gerechnet. Die Aktie brach daraufhin um 7,8 Prozent ein. Auch andere Luxuskonzerne gerieten unter Druck: Christian Dior verlor 8,25 Prozent, Kering 5,2 Prozent. Die Aktien von Hermès hingegen hielten sich stabil – mit leichten Kursgewinnen an beiden Tagen.

Der Vorsprung von Hermès beträgt nur rund 5 Milliarden Euro. Es ist also gut möglich, dass sich das Ranking bald wieder dreht. Und doch ist es bemerkenswert, dass die Finanzmärkte Hermès inzwischen ähnlich hoch bewerten wie LVMH – obwohl Hermès nur einen Bruchteil von dessen Umsatz erzielt. Im Jahr 2024 waren es 15 Milliarden Euro, bei LVMH rund 85 Milliarden.

Hermès ist im Wesentlichen ein Ein-Marken-Unternehmen. Zum Imperium von Bernard Arnault hingegen zählen 75 Marken, von Louis Vuitton über Moët & Chandon bis zu Christian Dior. Auch Schmuckhersteller wie Bulgari und Tiffany sowie drei Schweizer Uhrenmarken (TAG Heuer, Hublot, Zenith) gehören dazu.

Eine Ausnahmeerscheinung im Luxussegment

Doch Hermès wächst schneller: Seit 2019 hat sich der Umsatz mehr als verdoppelt. LVMH legte im selben Zeitraum nur um 58 Prozent zu. Auch bei der Rentabilität liegt Hermès vorn. Die Betriebsgewinnmarge beträgt fast 40 Prozent, die Nettomarge 33 Prozent – ein Spitzenwert. Zum Vergleich: Bei LVMH liegt die Nettomarge bei 14,8 Prozent, bei Richemont bei 11,6 Prozent, bei Kering gar nur bei 6,4 Prozent.

Die Zahlen zeigen: Hermès ist die grosse Ausnahme im derzeit schwächelnden Luxusmarkt. Während andere Konzerne mit stagnierendem Umsatz und sinkender Nachfrage kämpfen, wächst Hermès weiter – wenn auch etwas langsamer als in den Boomjahren. 2022 stieg der Umsatz noch um 29 Prozent, 2024 lag das Wachstum bei rund 14 Prozent. Doch das ist im Vergleich zur Konkurrenz weiterhin bemerkenswert.

Ein Grund für diese Widerstandskraft liegt im besonderen Geschäftsmodell von Hermès: Das Unternehmen setzt kompromisslos auf Exklusivität und Handarbeit – und unterscheidet sich damit grundlegend von vielen Mitbewerbern.

Handarbeit statt Massenproduktion

Das Umsatzwachstum basiert kaum auf höheren Stückzahlen, jedenfalls nicht bei den Kernprodukten. Denn viele Hermès-Produkte, insbesondere Taschen und Seidentücher, werden in aufwendiger Handarbeit in eigenen Werkstätten gefertigt. Die Konkurrenz setzt hier oft auf externe Produzenten. Kunden schätzen an Hermès genau das: Sie zahlen viel – wissen aber, dass sie höchste Qualität erhalten.

Wie es weitergeht, hängt von den nächsten Tagen ab. Am Donnerstag legt Hermès seine Quartalszahlen vor. Sollten sie überzeugen, könnte sich der Abstand zu LVMH weiter vergrössern. Bleiben sie hinter den Erwartungen zurück, dürfte sich die Rangliste rasch wieder ändern.

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