Donnerstag, Oktober 10

Am 24. November entscheidet das Stimmvolk über den Ausbau der Autobahnen. Die Befürworter rechnen mit flüssigerem Verkehr. Für die Gegner führen die Erweiterungen bloss zu noch mehr Staus und Lärm.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Verkehr auf dem Nationalstrassennetz ist stark gewachsen. Das Bundesamt für Strassen (Astra) verzeichnete auf diesem im letzten Jahr gut 48 000 Staustunden, 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Eine punktuelle Entlastung sollen Erweiterungen bringen. Das Parlament hat dem hängigen Ausbauschritt 2023 mit fünf baureifen Projekten im September 2023 zugestimmt. Zudem fügte es ein Projekt in der Westschweiz hinzu. Insgesamt sind für die Ausbauten rund fünf Milliarden Franken vorgesehen. Der Nationalrat hat der Vorlage mit 107 zu 87 Stimmen bei einer Enthaltung zugestimmt, der Ständerat mit 33 zu 6 Stimmen bei 5 Enthaltungen.
  • Gegen diesen Ausbauschritt haben rund 30 Verbände unter der Führung des Verkehrsclub der Schweiz (VCS) das Referendum ergriffen. Von den Parteien unterstützen dieses die Grünen, die SP und die Grünliberalen. Die Gegner argumentieren, der Ausbau sei überdimensioniert, überteuert und klimaschädlich. Die FDP, die Mitte und die SVP sowie die Kantone und Wirtschaftsverbände unterstützen den Ausbauschritt. Die Befürworter argumentieren, die Erweiterungen seien nötig, um Staus zu vermindern und die Sicherheit zu erhöhen.

Die Vorlage im Detail

Mit dem Ausbauschritt 2023 will der Bund die Engpässe auf fünf Abschnitten beseitigen. Dazu gehören die Erweiterung der A 1 zwischen Wankdorf und Schönbühl im Kanton Bern auf acht Spuren und zwischen Schönbühl und Kirchberg auf sechs Spuren. Auf den beiden stark befahrenen Abschnitten kommt es häufig zu Stau und Ausweichverkehr. Mit einer dritten Röhre soll zudem der stark befahrene Rosenbergtunnel in St. Gallen entlastet werden. Zum Projekt gehört der Bau einer Zubringerverbindung beim früheren Güterbahnhof, um weniger Verkehr aus Appenzell über das städtische Strassennetz zu führen.

Der Bau des Rheintunnels in Basel soll die Osttangente der A 2 entlasten und dem Transit- und Güterverkehr dienen. Der Bau der zweiten Röhre des Fäsenstaubtunnels in Schaffhausen soll es ermöglichen, den Verkehr künftig richtungsgetrennt zu führen. Zusätzlich zu diesen Projekten fügte das Parlament den Ausbau der A 1 von Le Vengeron über Coppet nach Nyon auf sechs Spuren hinzu – für rund eine Milliarde Franken. Auf diesem Abschnitt kommt es häufig zu Stau und stockendem Kolonnenverkehr.

Finanziert werden diese Projekte aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF), dem das Stimmvolk im Jahr 2017 zugestimmt hat. Dieser ist durch die Nutzer und Nutzerinnen finanziert – und wird durch den Zuschlag auf die Mineralölsteuer, die Autobahnvignette, die Automobilsteuer und in der Regel zehn Prozent der Mineralölsteuer gespeist. Aus diesem Topf finanziert der Bund den Betrieb, den Unterhalt und den Ausbau des Autobahnnetzes. Er legt dem Parlament alle vier Jahre einen Ausbauschritt vor, ähnlich wie bei der Bahn. Bis 2030 will der Bund rund 12 Milliarden Franken in Bauprojekte investieren. Die Gelder im NAF sind zweckgebunden.

Die Nationalstrassen sind das Rückgrat des Strassenverkehrs, obwohl sie lediglich knapp drei Prozent des Netzes ausmachen. Auf diesen werden gemäss Zahlen des Astra gut 41 Prozent der privaten Strassenfahrten sowie 70 Prozent des Strassengüterverkehrs abgewickelt. Trotz grossen Investitionen erfolgt nur etwa ein Viertel des Personenverkehrs in der Schweiz auf der Schiene.

Auf den Nationalstrassen sind heute mehr als doppelt so viele Fahrzeuge unterwegs wie 1990. Ein Treiber ist das starke Wachstum der Bevölkerung. In der Folge kommt es bei den Nadelöhren vermehrt zu Staus. Das belastet die betroffene Wirtschaft und Bevölkerung. Autos und Lastwagen weichen teilweise auf das nachgelagerte Strassennetz aus, was Lärm verursacht und das Unfallrisiko erhöht. Die hohe Auslastung bestimmter Autobahnabschnitte erschwert es zudem, den Unterhalt vorzunehmen. Die geplanten Tunnels in St. Gallen und Schaffhausen sollen es auch erleichtern, bestehende Röhren zu sanieren.

Die sechs Erweiterungen, die zur Abstimmung stehen, lösen nicht alle Verkehrsprobleme. Aber sie bringen auf den fraglichen Autobahnabschnitten punktuelle Entlastungen. Die Projekte befinden sich weitgehend in Städten oder nahe den Agglomerationen, wo der Handlungsdruck gross ist. Ein Nein zum Ausbauschritt würde die Erweiterung des Nationalstrassennetzes um Jahre zurückwerfen.

Die Gegner argumentieren, der Autobahnausbau sei masslos. Neue Strassen führten nur kurzfristig zu einer Entlastung. Die zusätzlichen Kapazitäten würden Anreize für noch mehr Verkehr schaffen. Nach wenigen Jahren würden neue Staus entstehen. Zudem sei der Strassenverkehr der grösste Verursacher der Schweizer CO2-Emissionen. Mit dem Ausbau der Autobahnen nehme das Verkehrsaufkommen sogar zu. Angesichts der Klimakrise sei dies unhaltbar. Schon heute leide rund eine Million Menschen in der Schweiz unter einer zu hohen Lärmbelastung. Mehr Verkehr bedeute aber noch mehr Lärm.

Zudem kritisieren die Gegner, der Autobahnausbau fördere die Zersiedelung und zerstöre Natur- und Kulturland. Bei einem grossen Teil handle es sich um wertvolle Fruchtfolgeflächen und Wald. In tangierten Gemeinden gebe es Widerstand gegen den Ausbau, weil die Dörfer von zusätzlichem Verkehr überrollt würden. Statt des Autoverkehrs müsse die Schweiz den öffentlichen Verkehr und den Veloverkehr stärker fördern.

Die Befürworter argumentieren, dank den Ausbauprojekten werde der Verkehr sicherer und flüssiger. Die Ausbauten sollen zu weniger Staus führen. Die überlasteten Autobahnen verursachten pro Jahr volkswirtschaftliche Kosten von rund 1,2 Milliarden Franken. Deshalb brauche es gezielte Massnahmen wie zusätzliche Spuren und neue Tunnels. Dank den Ausbauten müsse der Verkehr bei Unterhaltsarbeiten oder Unfällen nicht mehr in die Gemeinden und Wohnquartiere ausweichen. Diese würden entlastet. Das schaffe auch Raum, um Fuss- und Velowege sowie den öffentlichen Verkehr auszubauen.

Die Befürworter verweisen zudem darauf, dass zuverlässig funktionierende Autobahnen die Sicherheit erhöhten. Benötigte Flächen, die für die Landwirtschaft besonders wichtig seien, würden kompensiert. Die Ausbauten würden den Bundeshaushalt nicht zusätzlich belasten, da sie über den NAF finanziert würden. Die Strasse und die Schiene dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sie würden sich gegenseitig bedingen.

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