Freitag, Januar 24

In einer Rede an die WEF-Teilnehmer versprach der amerikanische Präsident Reformen, die riesige neue Investitionen auch aus Europa in die USA locken sollen. Die EU behandle Amerika und seine Konzerne sehr unfair und müsse sich bewegen, drohte Trump.

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Was bedeuten die vielen Ankündigungen von Donald Trump wirklich? Die Frage war das Gesprächsthema am diesjährigen Treffen des Weltwirtschaftsforums (WEF). Viele Firmenchefs zeigten sich optimistisch, dass der alte neue Präsident der amerikanischen Wirtschaft zusätzlichen Schwung verleihen wird. Aber wie und mit welchen Nebenwirkungen? Entsprechend gross war das Interesse am virtuellen Auftritt, mit dem sich Donald Trump am Donnerstagabend an «seine vielen Freunde in dem schönen Dorf» wandte.

Deregulierung statt «Wokeismus»

Wie zuvor schon der argentinische Präsident Javier Milei wetterte Trump über «Wokeismus». Er versprach eine Revolution des Common Sense und erklärte, ab sofort gebe es in den USA nur noch Frauen und Männer und werde wieder nur noch Leistung zählen. Aber anders als Milei gab sich Donald Trump alle Mühe, die Erwartungen der Wirtschaftselite nicht zu enttäuschen und seine Zuhörer für sich einzunehmen. In den vergangenen vier Tagen hätte seine neue Administration pausenlos unsinnige Vorschriften abgeschafft und Fehler der vergangenen vier Jahre rückgängig gemacht, verkündete er.

Etwas paradox zeichnete Trump das Bild eines zerbrochenen Landes, das nun sofort wieder zum grössten und besten wird. In seiner Rede und anschliessenden Diskussion mit dem WEF-Präsidenten Borge Brende und vier Wirtschaftsvertretern liess er zumindest Konturen erkennen, wie er den Übergang in das versprochene goldene Zeitalter bewerkstelligen will.

Die schnelle Abschaffung zahlreicher Regulierungen und Vorschriften und die Aufhebung der Umweltpolitik der Biden-Regierung soll die in- und ausländische Wirtschaft zu riesigen neuen Investitionen motivieren. Trump versprach, für jede neue Regulierung zehn alte abzuschaffen.

Steuersenkungen sollen zusätzliche Anreize schaffen. Trump stellte eine dauerhafte Reduktion der Unternehmensgewinnsteuer auf 15 Prozent in Aussicht und Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen. Die Steuersenkungen würden aber an die Bedingung geknüpft, dass die Gewinne in den USA erwirtschaftet wurden. «Meine Botschaft an jedes Unternehmen in der Welt ist sehr simpel: Komm in die USA, und wir werden dir die tiefsten Steuern in der Welt bieten», erklärte Trump seinen Zuhörern.

«Aber wenn du dein Produkt nicht in Amerika machst, dann wirst du unterschiedlich hohe Zölle zahlen müssen. Das wird uns Hunderte, wenn nicht Tausende von Milliarden Dollar einbringen», verkündete Trump gutgelaunt, ohne konkreter zu werden. Allerdings liess er auch durchblicken, dass er das in der OECD vereinbarte globale Mindeststeuerregime, das es Drittländer erlaubt, exterritoriale Zusatzsteuern zu erheben und digitale Dienstleistungen stärker zu besteuern, für eine unzulässige Einmischung hält. Auch die den Tech-Konzernen von der EU angedrohten Milliardenbussen bezeichnete Trump als höchst unfaire Steuern.

Günstiges Erdöl gegen die Inflation

Sollten die angekündigten Massnahmen umgesetzt werden und Erfolg haben, dürfte dies den Inflationsdruck rasch erhöhen. Als Allheilmittel dagegen sieht Trump offensichtlich tiefere Erdölpreise. Eine rasche Erhöhung der Förderkapazitäten in den USA und Hilfe aus führenden Opec-Ländern wie Saudiarabien sollen nun den Erdölpreis drücken und es der amerikanischen Zentralbank ermöglichen, die Zinsen bald wieder zu senken.

Tiefere Erdöl- und Erdgaspreise sollen auch Russland unter Druck setzen und Wladimir Putin dazu bewegen, in einen Frieden in der Ukraine einzuwilligen. Trump wiederholte mehrfach, es gehe ihm dabei nicht um Ökonomisches. Er sei verstört über die Bilder, die er gesehen habe von dem massenhaften Sterben auf dem Schlachtfeld und in den zerbombten Dörfern. Der Schrecken müsse endlich aufhören. Gefragt, ob er dies bis in einem Jahr zustande bringe, erklärte Trump, der Schlüssel liege bei Putin.

Überraschend verkündete der amerikanische Präsident, er möchte mit Putin wieder Gespräche über nukleare Abrüstung führen. China werde da mitmachen, orakelte er. Der chinesische Präsident Xi Jinping, den er sehr möge, habe ihn angerufen. Ihr grossartiges Verhältnis habe durch den Ausbruch der Corona-Pandemie Schaden genommen, das wolle er nun wieder korrigieren, sagte Trump. Er habe nichts gegen China, sondern wolle nur für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen.

Wiederholt brachte der Redner seine Zuhörer in Davos zum Lachen. Manche Teilnehmer zeigten sich nach der Rede konsterniert, wie gewinnend und selbstsicher der amerikanische Präsident Dinge erzählen könne, die beim zweiten Nachdenken wenig Sinn ergäben.

Unter Druck geraten dürfte mit Trumps Politik Europa – und das gleich an mehreren Fronten. Er wolle konstruktiv sein, aber die EU sei schrecklich bürokratisch und behandle Amerika äusserst unfair, erklärte Trump auf Nachfrage. Dagegen werde er vorgehen müssen. Gleichzeitig waren am WEF auch vermehrt Stimmen von Konzernchefs zu vernehmen, die mahnen, sie würden ihre Tätigkeit von Europa in die USA verlagern, sollte Europas Politik nicht endlich ebenfalls deutlich wirtschaftsfreundlicher und unbürokratischer werden.

Im Idealfall wird Trump so zum heilsamen Weckruf für Europa; andernfalls steht dieses vor turbulenten Zeiten.

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