Sonntag, April 13

Kimi Antonelli ist erst 18 Jahre alt, aber seit sieben Jahren unter Beobachtung von Mercedes. Der Nachfolger von Lewis Hamilton scheint dem immensen Druck gewachsen zu sein.

Sie scheint wie ein Abzählreim zu funktionieren, die Formel-1-Karriere des Andrea Kimi Antonelli: drei – zwei – eins. Beim Saisonauftakt in Melbourne war er der drittjüngste Fahrer, der je an einen Grand-Prix-Start gegangen ist. Beim zweiten WM-Lauf in China zweitjüngster Fahrer, der in allen seinen Rennen punkten konnte. Seit dem dritten Rennen in Suzuka ist der Italiener in Diensten von Mercedes der jüngste Fahrer, der einen Grossen Preis angeführt hat und dem eine schnellste Rennrunde gutgeschrieben werden soll.

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Der Rookie raste von null an die Spitze in vier Wochen, doch der Druck auf ihn wird nicht geringer. Denn bei den Rennen in Bahrain am Wochenende wären alles andere als noch mehr Punkte bereits eine Enttäuschung für den derzeitigen WM-Fünften. Einen Welpenbonus gibt es in diesem Sport nicht. Bloss eine manchmal schon unmenschliche Erwartungshaltung.

Tränen und Totalschäden für die Rookies

Gleich sechs Neulinge stehen in diesem Jahr vor ihrer ersten kompletten Formel-1-Saison, so viele frische Gesichter gab es zuletzt vor zwei Jahrzehnten. Vier von ihnen hatten gewaltige Anlaufschwierigkeiten: Der Franzose Isack Hadjar von den Racing Bulls verlor sein Auto bereits in der Einführungsrunde in Melbourne und brach in Tränen aus. Seit Suzuka, wo er Siebter wurde, strahlt er wieder. Der Neuseeländer Liam Lawson bekam an der Seite des Weltmeisters Max Verstappen in den ersten beiden Rennen kein Bein auf den Boden und wurde degradiert, zurück ins Juniorenteam von Red Bull.

Jack Doohan droht bei Alpine von Tag zu Tag der Rauswurf, der Totalschaden in Japan hat die Situation für den Australier nicht verbessert. Der Sauber-Rookie Gabriel Bortoleto aus Brasilien wird in der Gesamtwertung ohne Zähler als Letzter geführt. Der Brite Oliver Bearman, von Ferrari beim Haas-Team untergebracht, hat hingegen schon zum zweiten Mal in Folge gepunktet.

Der grosse Umbruch in diesem Jahr gilt der Suche nach dem nächsten Jahrhunderttalent. Andrea Kimi Antonelli, den in der Rennwelt alle nur Kimi nennen, ist 18 Jahre jung, hat erst seit Januar seinen Führerschein und muss bei den Silberpfeilen gleich den Rekordweltmeister Lewis Hamilton ersetzen. Grössere Fussstapfen gibt es kaum, da bedarf es einer ganz besonderen Mentalität. Der Mercedes-Teamchef Toto Wolff behauptet, dass er nach dem Abschied von Hamilton zu Ferrari ganze fünf Minuten gebraucht habe, bis die Wahl auf Antonelli fiel.

Für die breite Öffentlichkeit mag der Lockenkopf ein neues Gesicht sein, aber der Mercedes-Scout Gwen Lagrue beobachtet ihn bereits seit sieben Jahren. Dass sich die grossen Teams ähnlich wie im Fussball schon früh nach den grössten Talenten umschauen, ist zum Trend geworden; kürzlich hat Williams einen 10-Jährigen an sich gebunden. Es sind die Beispiele von Sebastian Vettel und Max Verstappen bei Red Bull oder Hamilton bei McLaren-Mercedes, denen die Nachwuchsakademien im Motorsport nacheifern. Der Masterplan, sich selbst einen Champion heranzuziehen, statt ihn teuer von der Konkurrenz abzuwerben.

Auch Michael Schumacher war einst via das Ausbildungsteam Sauber ein Ziehkind von Mercedes. Doch keiner startete durch wie Hamilton, der gleich in seinem ersten Jahr 2007 um den Titel mitfuhr.

«Der Nachwuchs von heute ist besser ausgebildet, es geht schon mit 6 Jahren los», sagt der Mercedes-Teamchef Toto Wolff. «Da arbeiten viele schon mit Ingenieuren zusammen, sie lernen früh, dass im Motorsport viel intellektueller Aufwand dazugehört. Kognitiv sind sie allein durch die Online-Simulationen schon weit.» Die Jungen von heute bewegten sich auf einer ganz neuen Ebene. Trotzdem bleibt immer ein Risiko für beide Seiten. Entsprechend gründlich ist Antonelli vorbereitet worden. Als er in Melbourne an den Start ging, hatte er schon gut 10 000 Testkilometer in einem Silberpfeil älteren Jahrgangs absolviert, zudem ebenfalls reichlich Simulationen.

Antonelli überzeugt mit Tugenden von Champions

Im letzten Herbst bei seinem ersten offiziellen Trainingseinsatz in Monza allerdings crashte Antonelli nach zehn Minuten spektakulär. «Aber ich bremse lieber jemanden ein, als jemanden schneller machen zu müssen», sagte Wolff, «denn letzteres ist unmöglich.» Am Tag nach der Panne bekam Antonelli den ersehnten Vertrag. Physisch und psychisch, das ahnten sie bei Mercedes, würde der sechsfache Nachwuchs-Champion dem Druck auf Dauer standhalten.

Überragend ist sein roher Speed, er kommt schnell auf Touren. Zudem besitzt er eine rapide Anpassungsfähigkeit an neue Bedingungen, eine echte Champion-Tugend. Antonelli wirkt weit erwachsener, als es das Geburtsdatum in seinem Pass vermuten lässt.

Wer im Nachwuchsbereich siegverwöhnt war, kann in der Formel 1 schnell an seine fahrerischen und persönlichen Grenzen stossen. Mit Kimi Antonellis Charakterbildung scheint es aber gut zu klappen. Den sechsten Platz von Suzuka nimmt er als Booster für sein Selbstvertrauen. Er sagte: «Mental ist das alles schon ziemlich hart. Deshalb ist es einfach ein gutes Gefühl, wenn das Tempo stimmt und man den nächsten Schritt macht.» Der Teenager hat derzeit doppelt so viele Punkte auf seinem Konto wie sein grosser Vorgänger Lewis Hamilton.

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