Die Berner sind miserabel in die Saison gestartet und treffen nun im Play-off zur Champions League auf Galatasaray Istanbul. Der Sportchef Steve von Bergen sagt, es gäbe auch positive Nachrichten.
Steve von Bergen, was ärgerte Sie in den ersten Wochen der Fussballsaison am meisten?
Wir starteten mit drei Spielen innert einer Woche und holten keinen Punkt. Das 0:4 in St. Gallen schmerzte extrem, der Gegner war in jedem Bereich besser. Mittlerweile stehen wir bei fünf Spielen und nur zwei Punkten. Das ist der Ärger, kurz zusammengefasst.
Gab es in dieser Zeit auch irgendeine Freude?
Die gute Nachricht ist, dass Mohamed Ali Camara von seiner Verletzung zurück ist. Auch Loris Benito ist nach seinem Kreuzbandriss auf dem Weg zurück. Zum Positiven gehört auch, dass sich intern jeder der schwierigen Situation bewusst ist.
Ist es symptomatisch, dass Sie Abwesende erwähnen?
Vielleicht. An den Resultaten kann ich mich nicht erfreuen.
Sie spielten im FC Zürich, in der Bundesliga, in Italien. Haben Sie als Spieler jemals einen solchen Saisonstart erlebt?
Das weiss ich nicht mehr genau, vielleicht bei Xamax oder im dritten Bundesliga-Jahr mit Hertha Berlin, aber eher nein.
Damals hatte Hertha nach fünf Spielen drei Punkte. Zwei Wochen später wurde der Hertha-Trainer Lucien Favre freigestellt.
Der Vergleich bringt nichts. Das hat nichts mit dem zu tun, was jetzt bei YB ist.
Wie unerwartet kam der YB-Fehlstart für euch?
Die Hoffnung war gross, dass wir nach dem Titel das Leistungsniveau zu Saisonbeginn sofort bestätigen können. Dann kam eine Woche mit drei Niederlagen. Eine solche Hypothek hatte niemand auf der Rechnung.
Das Unwohlsein im Hinblick auf das Play-off zur Champions League gegen Galatasaray dürfte gross sein.
Wir müssen die Wettbewerbe getrennt betrachten, das haben wir immer so gemacht, auch wenn die Saisonstarts besser waren. Nun stehen zwei Spiele gegen den türkischen Meister im Fokus und nicht 38 wie in der Meisterschaft. Für Schweizer Klubs gibt’s mit Blick auf die Champions League immer Fragezeichen, letztes Jahr gegen Maccabi Haifa. Oder gegen Dinamo Zagreb. Das wird nie anders sein. Man muss über sich hinauswachsen.
Nennen Sie drei Gründe für den schlechten Start.
Wir verloren wichtige Spieler in einem ungünstigen Moment – wie Facinet Conte in der ersten Trainingswoche und Camara kurz vor dem ersten Match. Wir erhielten zwei rote Karten. Das hilft nicht. Und wir haben zu viele Tore zugelassen. Es geht immer auch um Details, um mehrere Dinge. Das begriff ich als junger Spieler noch nicht. Erst später. Das muss allen bewusst sein. Es kann schnell in die eine oder andere Richtung gehen.
YB rechnete doch damit, dass Kastriot Imeri und Darian Males spätestens jetzt zu Leadern werden, dass Meschack Elia einen Sprung nach vorne macht – und dass Cedric Itten nach dem Abgang Jean-Pierre Nsames in Bern definitiv ankommt. Diese Spieler kosteten allesamt siebenstellige Beträge.
Imeri hat sich wieder verletzt. Itten hat im ersten Jahr 19 Tore geschossen. Aber ich will hier nicht zu sehr auf einzelne Spieler eingehen. Von uns allen ist Selbstkritik angebracht. Jeder Spieler weiss: Ich kann mehr. Und ich muss mehr.
Bei Filip Ugrinic hat man von aussen das Gefühl, dass er zu viel will.
Ich gehe nicht weiter auf einzelne Spieler ein. Wenn du so verlierst wie wir, hast du überall Baustellen. Letztes Jahr hatten wir auch Dinge, die nicht optimal waren. Weil wir gewannen, hat man weniger darüber gesprochen. Ich erlebte als Fussballer schwierige Jahre. Wenn der Erfolg fehlt, kommt alles an die Oberfläche. Überall wird gesucht. Das gehört dazu.
Hat der in Yverdon des Feldes verwiesene Camara zu früh gespielt?
Nein. Der Plan war, dass er vor dem Champions-League-Play-off spielt. Er spürte die Verletzung nicht mehr. Die Frage nach dem Zeitpunkt des Comebacks ist legitim, aber nur, weil es jetzt so gelaufen ist.
Habt ihr in der Mannschaft die Hierarchie verloren?
Wir haben in der Achse den Goalie David von Ballmoos, dann wären da Benito und Camara, weiter vorne Sandro Lauper und Ugrinic in der Mitte. Und zum Beispiel Itten und Silvère Ganvoula ganz vorne. Da haben viele Erfahrung in Nationalteams.
An der Medienkonferenz vor dem Start sagten Sie, dass YB «aktuell» keinen Innenverteidiger hole und auf die baldigen Rückkehrer setze. Jetzt ist Patric Pfeiffer dazugestossen, der sich prompt verletzt hat. Ist dieser Transfer nicht eine Kehrtwende?
Ja, das war in jenem Moment so. Dann 3 Spiele, 0 Punkte. Wir erhielten zu viele Tore. Die Schweiz startet früh, was auf dem Transfermarkt gewisse Nachteile hat.
Es war mit einem Risiko verbunden, in der zentralen Abwehr Anel Husic neben Sandro Lauper ins kalte Wasser zu werfen.
Husic hatte mit Lausanne 40 Super-League-Spiele gemacht und zeigte in der letzten Saison bei uns, was er kann. Lauper spielte im Abwehrzentrum schon oft Champions League. Solche Ideen entstehen nicht von heute auf morgen. Diese Spieler haben schon einiges bewiesen. Nach solchen Resultaten muss man nicht nur an einem Ort Gründe suchen. Das wäre zu einfach.
Der Trainer Patrick Rahmen kommt von Winterthur zum Meister nach Bern – und beginnt mit solchen Resultaten. Das ist heftig.
Ja, das ist für uns alle heftig. Ich erlebe Patrick Rahmen mit viel Energie. Er hat die Mentalität dazu, dass wir stark aus dieser Krise herauskommen werden.
Ist es gut, wenn ein Klub geballte Fussball-Kompetenz hat?
Ja, ganz sicher.
Bei YB gibt’s den früheren Bundesliga-Stürmer und Champions-League-Sieger Stéphane Chapuisat, den früheren Frankfurt-Captain Christoph Spycher, Steve von Bergen, Bundesliga, Italien – und mit Gérard Castella einen, der als Trainer die Schweizer Meisterschaft gewonnen hat. Besteht die Gefahr, dass zu viele mitreden wollen?
Nein. Wir arbeiten zusammen und waren auch während unserer Spielerkarrieren Teamplayer. Chapuisat hat nie mit der Champions League geprahlt. Spycher macht das auch nicht mit den Jahren in der Bundesliga. Keiner von uns sagt, wenn’s gut läuft: meinetwegen. Und keiner, wenn’s nicht gut läuft: seinetwegen.
Aber wer so viel Erfahrung hat, neigt vielleicht dazu, besser beurteilen zu können, wer jetzt auf der linken oder rechten Abwehrseite spielen soll.
Nein. Der Trainer entscheidet, wer spielt. Er entwickelt gemeinsam mit dem Staff die Spieler. Wir überlegen, wer dem Trainer die besten Ergebnisse bringen kann. Wenn jemand von uns in Transferzeiten das Gefühl hat, dieser oder jener Spieler könnte für diese oder jene Position infrage kommen, reden wir mit dem Trainer. Wir holen nach Absprache mit dem Trainer die Spieler, und der Trainer kann sie einsetzen oder nicht.
Ist die Zusammenarbeit mit Rahmen enger, als sie es mit dessen Vorgänger Raphael Wicky gewesen ist?
Nein. Ich bin mit dem Trainer täglich in Kontakt.
Die Trennung von Wicky war in der letzten Saison ein harter Moment. Wie schauen Sie darauf zurück?
Das war ein ganz, ganz schwieriger Entscheid. Das erste Mal für mich als Sportchef. Es ging um das Momentum. Es entstand trotz den vergangenen Erfolgen mit Wicky bei Christoph Spycher und mir ein Gefühl, dass wir etwas machen müssen.
Dachten Sie hinterher nie, dass das ein Fehler war?
Nein, das war menschlich sehr schwierig, aber kein Fehler. Am Ende hatten wir den Titel.
Welchen Fehler aus den letzten Monaten bereuen Sie?
Wenn ein Klub in der unsrigen Situation ist, müssen sich alle die Frage stellen: Was hätte ich anders machen sollen?