Mittwoch, April 16

Der frühere australische Premierminister Malcolm Turnbull hatte während seiner Amtszeit direkt mit Donald Trump zu tun. Die Situation sei heute schwieriger als damals, sagt er.

Herr Turnbull, Präsident Trump ist keine drei Monate im Amt, und die Welt steht kopf. Sind Sie froh, gegenwärtig nicht Premierminister zu sein?

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Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, froh zu sein, nicht Premierminister zu sein . . . Aber ja, die Umwälzungen sind fundamental. Trump fühlt sich nicht dem regelbasierten System verpflichtet, er respektiert nicht die Rechte kleinerer Staaten, er glaubt nicht an freien Handel, er ist ein Protektionist. Das steht in völligem Gegensatz zu den Werten, die wir mit amerikanischen Regierungen der letzten Jahrzehnte geteilt haben – ob sie nun demokratisch oder republikanisch waren. Kommt dazu: Trump bewundert autoritäre Persönlichkeiten und fühlt sich zu ihnen hingezogen.

Was bedeutet das?

Das bedeutet, dass Amerika als Partner nicht mehr so verlässlich ist wie in der Vergangenheit. Alle Verbündeten Amerikas müssen viel mehr tun, um sich selbst zu verteidigen. Man könnte sagen, dass uns Trump einen Gefallen tut, weil er Vorgänge offensichtlich macht, die ohnehin im Gang waren. Es war klar, dass Amerikas Fähigkeit, überall all seine Verbündeten zu verteidigen, abnimmt. Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Macht Chinas.

Sie kritisieren, dass Trump die Werte demokratischer Länder nicht teile. Realisten würden sagen: In internationalen Beziehungen zählen nur Interessen, nicht Werte . . .

Man kann Werte und Interessen nicht trennen. Die Amerikaner haben jahrelang gesagt, dass es ein Wert sei, weltweit Demokratien zu fördern. Im Kalten Krieg war das im Kampf gegen den Kommunismus aber auch in ihrem Interesse. In Australien zählen wir Freihandel zu unseren Werten. Gleichzeitig ist es ein grundlegendes Interesse von uns, gute Handelsbedingungen zu haben. Oder nehmen Sie die regelbasierte internationale Ordnung. Das ist ein Wert – für kleine Länder wie Australien oder die Schweiz ist es aber von existenziellem Interesse, dass es diese Regeln gibt und dass sie eingehalten werden. In einer Welt, wo das Recht des Stärkeren gilt, können wir nicht überleben.

Sehen wir gerade, wie diese regelbasierte Ordnung verschwindet?

Ja, wir steuern auf eine Welt zu, in der das Recht des Stärkeren gilt. Das sieht man etwa, wenn Trump davon spricht, Grönland zu annektieren oder Kanada zu einem amerikanischen Teilstaat zu machen.

Was bedeutet das für kleinere und mittelgrosse Länder?

Sie müssen mehr tun, um sich selbst zu verteidigen. Und das heisst, dass sich einige von ihnen Atomwaffen zulegen werden. Ich denke vor allem an Japan und Südkorea. Die argumentieren: «Wir sind friedliche Länder, aber wenn wir uns nicht mehr auf den amerikanischen nuklearen Schutzschirm verlassen können, haben wir keine andere Wahl.»

Auch Australien?

Nein, das glaube ich nicht . . .

Australien hat seit 1951 ein Sicherheitsabkommen mit den USA. Bei einem solchen Abkommen ist fundamental, dass man seinem Partner vertraut, dass er einem im Ernstfall auch wirklich beisteht.

Ja, absolut. Präsident Trump hat das Vertrauen in die Vereinigten Staaten enorm geschwächt. Wenn er so weitermacht – wir sind ja erst ein paar Monate in seiner zweiten Amtszeit –, dann wird am Ende der vier Jahre nicht mehr viel übrig sein. Wenn man schaut, wie er damit prahlt, dass andere Länder zu ihm kämen und ihn um ein Abkommen anbettelten – so spricht ein launischer Kaiser, nicht der Präsident einer grossen Demokratie. Trump zeigt anderen Ländern gegenüber einfach keinen Respekt.

Ihre Zeit als Premierminister überlappte mit Trumps erster Amtszeit. Sie hatten also direkt mit ihm zu tun. Aus Ihrer Erfahrung: Wie geht man am besten mit ihm um?

Sich bei ihm anzubiedern, ist ein riesiger Fehler. Man muss standhaft bleiben und darf sich nicht einschüchtern lassen. Wenn man sich bei einem Tyrannen wie Trump einzuschmeicheln versucht, wird man nur noch mehr gemobbt.

Zur Person

PD

Malcolm Turnbull, ehemaliger australischer Premierminister

Der frühere Journalist und Anwalt Malcolm Turnbull war von September 2015 bis August 2018 Premierminister Australiens. Er gehört den Liberals an, der konservativen Partei Australiens, die gegenwärtig im nationalen Parlament in der Opposition ist.

Es scheint aber das Gegenteil der Fall zu sein. Ich habe den Eindruck, dass die meisten Staats- und Regierungschefs jeden Morgen ein Stossgebet sprechen: «Lieber Gott, bitte lass Trump heute auf jemand anderen eindreschen» – und sich dann wegducken . . .

Da ist etwas dran. Das kann man hier in Australien beobachten, wo in drei Wochen ja Wahlen anstehen. Vor allem der Regierungschef Anthony Albanese, aber auch sein Gegenkandidat Peter Dutton hoffen fest, bis dahin nicht von Trump fertiggemacht zu werden.

Wie soll sich ein viel kleineres Land wie Australien verhalten, damit es nicht von einer Supermacht wie den USA drangsaliert wird?

Unsere grösste Stärke ist unsere Geografie. Wir bieten den Amerikanern Zugang zu Orten, die für ihre regionale strategische Positionierung enorm wichtig sind. Dazu gehört Pine Gap, eine Kommunikations- und Abhöranlage im Zentrum unseres Landes. Oder eine einzigartige Funkanlage in Westaustralien, über die das Pentagon mit seinen U-Booten kommunizieren kann. Und nun bauen wir in der Nähe von Perth die Marinebasis Stirling aus, von wo aus die US Navy mit ihren U-Booten den ganzen Indischen Ozean abdecken kann.

Die Stationierung amerikanischer U-Boote auf der Basis Stirling ist Teil des Aukus-Abkommens. In dessen Rahmen soll Australien mit britischer und amerikanischer Hilfe in den nächsten zwanzig Jahren atomgetriebene Jagd-U-Boote erhalten. Sie sind ein bekannter Gegner dieses Programms. Warum?

Weil die grosse Gefahr besteht, dass wir trotz riesigen Kosten später ohne U-Boote dastehen. Weil die Aukus-U-Boote noch entwickelt werden müssen und erst in den 2040er Jahren verfügbar sein werden, brauchen wir eine Zwischenlösung. Der Plan sieht vor, ab 2031 amerikanische U-Boote der Virginia-Klasse zu beschaffen, die in der US Navy bereits im Einsatz ist. Doch die Amerikaner haben Mühe, die Boote in grosser Zahl zu produzieren. Ich bezweifle, dass sie uns die U-Boote verkaufen werden, wenn sie selber nicht genug haben.

Und es stellt sich eine fundamentale Frage: Ist das Ziel von Aukus, Australien zu verteidigen oder Amerika beim Erhalt seiner Vormachtstellung in der Region zu unterstützen? Dies sollte nicht Teil unserer Verteidigungspolitik sein. Das ist eine Frage der Souveränität. Wir sollten uns darauf konzentrieren, Australien zu verteidigen.

Könnte Australien den Amerikanern als Druckmittel den Zugang zu Standorten wie Pine Gap oder Stirling entziehen?

Ich glaube nicht, dass das eine australische Regierung täte. Aber man kann Präsident Trump erklären, wie stark die USA von der Allianz mit Australien profitieren.

Bis jetzt scheint das wenig Eindruck zu machen. Australien wird von Trumps Zöllen nicht verschont, obwohl die USA mit Australien einen Handelsbilanzüberschuss haben.

Die Situation ist heute klar schwieriger, als sie in der ersten Amtszeit von Trump war. Zu meiner Zeit schafften wir es noch, auszuhandeln, dass Australien von Zöllen auf Stahl und Aluminium verschont wurde. Diesmal gelang das nicht.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass die USA ihre Versprechen unter dem Allianzvertrag einhalten und Australien im Angriffsfall zu Hilfe eilen würden?

Niemand kann die Amerikaner dazu zwingen, einen zu verteidigen. Selbst der Nordatlantikvertrag der Nato garantiert das nicht. Diese Allianzverträge sind so formuliert, dass die USA nicht automatisch verpflichtet sind, militärisch einzugreifen.

Sind diese Verträge also nur ein Stück Papier?

Ja, sie sind ein Stück Papier. Schauen Sie nur, wie Trump den Handelsvertrag mit Kanada und Mexiko ignoriert. Einen Vertrag, den er selber ausgehandelt und unterschrieben hat!

Wenn Trumps eigene Versprechen nichts gelten, warum sollte man dann überhaupt mit ihm verhandeln?

Vielleicht hat man dann ein paar Monate Ruhe. Wer weiss.

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