Zwei Kandidaten, zwei Szenarien, zwei verschiedene Wordings – und ein grosser Unterschied.
Falls Kamala Harris gewählt wird, will der Bundesrat von «weltweiter Stabilität» sprechen, bei Trump nicht.
Die Bundesratssitzung am Mittwoch vor zwei Wochen geht als eine der kürzesten in der Geschichte dieses Gremiums ein. Nicht 30 Minuten hat sie gedauert. Und auch letzte Woche gab es wenig zu besprechen. Das Programm an diesem Mittwoch dürfte dichter werden.
So soll sich der Bundesrat über das bereits heiss umstrittene Europa-Dossier beraten. Die Verhandlungen mit der EU sind in der Schlussphase, wie von beiden Seiten seit geraumer Zeit zu hören ist. Zudem wird der tschechische Präsident zum Staatsbesuch erwartet. Petr Pavel und seine Gattin Eva Pavlova werden am Mittwochnachmittag vom Bundesrat in corpore mit militärischen Ehren auf dem Bundesplatz empfangen.
Trump, Szenario A
Auf den Bundesrat wartet somit ein Super-Wednesday. Schliesslich werden am Mittwoch die amerikanischen Wahlen alles überstrahlen. Die letzten Wahllokale in den USA schliessen in den frühen Morgenstunden (mitteleuropäischer Zeit). Dann wartet die ganze Welt auf die offiziellen Wahlergebnisse. Das kann Stunden dauern, vielleicht auch Tage. Donald Trump oder Kamala Harris? Die Frage wird keinen unberührt lassen.
Damit die sieben Bundesratsmitglieder einheitlich auf allfällige Breaking News aus den USA reagieren, hat das Aussendepartement (EDA) eine Sprachregelung vorbereitet. Im dortigen Staatssekretariat kursiert ein Schreiben, dessen Inhalt der NZZ bekannt ist. Gemäss diesem rechnet man mit einem Szenario A (Trump) und einem Szenario B (Harris).
Die Sprachregelung ist für den Fall gedacht, dass die Resultate schon während des Staatsbesuchs eintrudeln und «klar» zugunsten des einen oder des anderen Kandidaten ausfallen sollten. Bei beiden Wordings wird auf die hohe Wahlbeteiligung sowie auf die «Lebendigkeit» der demokratischen Institutionen in den USA verwiesen. Die Schweizer Landesregierung anerkennt das offizielle Ergebnis, das von den zuständigen Behörden veröffentlicht wird.
Interessanter sind die Unterschiede in den Texten. Auf den ersten Blick scheinen sie klein. Wenn man bedenkt, dass in der diplomatischen Welt jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird, sind sie dennoch bedeutsam. Kurzfassung: Wenn Trump gewählt werden sollte, soll sich der Bundesrat auf ein absolutes Minimum beschränken. Man gratuliert ihm, betont die langjährige und zuverlässige Partnerschaft der beiden Länder und sagt, dass man sich darauf freue, diese «weiter zu stärken».
Falls Kamala Harris Präsidentin werden sollte, würde sich der Bundesrat etwas – sagen wir – beschwingter zeigen. Dann wird «dieser historische Moment der Wahl der ersten Frau zur US-Präsidentin» begrüsst. Die «hervorragenden» Beziehungen, «die unter Präsident Biden weiter ausgebaut wurden», will man «weiter vertiefen».
Erster Entwurf
Der grösste Unterschied zwischen den beiden Wordings besteht indes darin, dass der Bundesrat eine allfällige Wahl der Demokratin offiziell in einen geopolitischen Kontext stellt. In der Sprachregelung im Szenario Harris bezeichnet der Bundesrat die Beziehungen zwischen den USA und Europa als «nach wie vor von zentraler Bedeutung für die weltweite Stabilität». Und: «Wir hoffen auf eine weiterhin enge Zusammenarbeit.» Bei einer Wahl des Republikaners Trump hingegen wird dieser Aspekt mit keiner Silbe erwähnt.
Wie diese Nuancen zu deuten sind, lässt das EDA auf Anfrage offen. Es gehöre zu den «Kernaufgaben des Staatssekretärs, die aussenpolitischen Entwicklungen zu verfolgen und die anderen Departemente sowie den Bundesrat darüber zu informieren». Bei der besagten Sprachregelung handele es sich um einen ersten Entwurf. «Wie immer in solchen Fällen wird die Sprachregelung nach den definitiven Resultaten angepasst und/oder ergänzt.»