Dienstag, März 18

Ein Rechtsexperte mahnt, der Verzicht auf einen Maximalbetrag sei unzulässig. Nun liegt der Ball beim Kantonsrat, und dort scheinen die Meinungen gemacht.

Wie gesalzen darf die Rechnung für jemanden maximal werden, der zu einer unbewilligten Demonstration aufgerufen hat oder sich an einem Saubannerzug durch die Stadt Zürich beteiligt hat? Das ist die Frage, die sich nach Annahme des Gegenvorschlags zur sogenannten «Anti-Chaoten-Initiative» der Jungen SVP im März stellt.

Sie bleibt auch offen, nachdem die Kantonsregierung jetzt bekanntgegeben hat, wie sie den Auftrag des Souveräns umsetzen will.

Sie will im Gesetz festschreiben, dass die Polizei künftig ihre Kosten zwingend weiterverrechnen muss, wenn jemand mit Vorsatz einen ausserordentlichen Einsatz provoziert hat, der den polizeilichen Grundauftrag sprengt. Zum Beispiel durch besondere Gewaltbereitschaft. Doch die Regierung sieht keine Obergrenze für die Kostenüberwälzung vor, wie sie Bern und Luzern kennen. Dort müssen Verursacher mit maximal 30 000 Franken rechnen.

Könnte es in Zürich je nach Fall also mehr werden? Immerhin klettern die Einsatzkosten manchmal bis in den sechsstelligen Bereich. Als zum Beispiel 2015 die ehemaligen Besetzer des Stadtzürcher Binz-Areals eine dreitägige illegale Party veranstalteten, hatte dies Kosten von 225 000 Franken zur Folge. Belangt wurde später niemand dafür, obwohl die Polizei die Namen von Verantwortlichen kannte – in Zukunft wäre das nicht mehr zulässig.

Eine fix definierte Obergrenze wie in Bern und Luzern ist laut dem Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr (parteilos) nicht nötig, weil sich die Polizei bei der Verrechnung der Kosten ans Prinzip der Verhältnismässigkeit halte. Das habe sie im Fall der Waldbesetzung von Rümlang letztes Jahr bewiesen.

Von den 14 Besetzern, deren Personalien die Polizei dort bei der Räumung eines illegalen Camps aufnahm, bekamen die meisten eine Rechnung über je 800 Franken zugestellt. Jene drei aber, die sich in den Baumkronen stundenlang der Räumung widersetzten und damit einen aufwendigen Einsatz verursachten, sollen je 5000 Franken zahlen. Wie teuer der Einsatz insgesamt war, ist nicht bekannt, aber die Summe dürfte höher sein als die knapp 24 000 Franken, auf die sich die Rechnungen an die Waldbesetzer summieren.

Beschwerde vor Bundesgericht ist laut Experte programmiert

Gemäss dem Umsetzungsvorschlag der Regierung sollen die Kosten den Verursachern eines ausserordentlichen Einsatzes anteilsmässig nach Massgabe ihres konkreten Beitrags weiterverrechnet werden. Wenn zum Beispiel eine Gruppe von zwanzig gemeinsam randaliert hat, aber nur ein Einziger von der Polizei identifiziert wird, darf sie ihm nur einen Zwanzigstel ihrer Kosten in Rechnung stellen.

Mit dieser Regelung, argumentiert die Regierung, habe es jeder Einzelne selbst in der Hand, durch sein Handeln allfällige Kostenfolgen zu beeinflussen – diese würden so für ihn vorhersehbar.

Der Jurist Patrice Zumsteg, Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ist dezidiert anderer Ansicht. Er kritisiert den Umsetzungsvorschlag der Zürcher Regierung und zweifelt daran, dass dieser vor Bundesgericht Bestand haben würde.

Der Fachmann für Demonstrationsrecht weist darauf hin, dass die Bundesrichter in den Fällen von Bern und Luzern nicht nur die Vorhersehbarkeit der Kosten verlangt haben. Sondern dass sie ausdrücklich auch eine Kostenobergrenze als ausschlaggebend und wesentlich für die Verhältnismässigkeit bezeichneten.

Der Umsetzungsvorschlag der Regierung kommt nun in den Kantonsrat, und Zumsteg ist überzeugt: Wenn er dort in der derzeitigen Form gutgeheissen werde, sei eine Beschwerde vor Bundesgericht programmiert.

Widerstand im Kantonsrat ist nur von links zu erwarten

Absehbar ist, dass der Vorschlag im Kantonsrat zumindest auf Widerstand stossen wird. Dies stellt die Stadtzürcher Kantonsrätin Silvia Rigoni von den Grünen klar, deren Partei gemeinsam mit der SP und der AL schon den Gegenvorschlag und die Initiative bekämpft hatte.

Sie befürchtet nach wie vor einen sogenannten «chilling effect»: dass also Menschen durch die verschärften Regeln von der Wahrnehmung ihrer Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit abgeschreckt werden. Indem die Regierung mit «horrenden Kostenfolgen» drohe, nehme sie dies bewusst in Kauf.

Die Kantonsregierung argumentiert dagegen: Eine Abschreckung sei nicht zu befürchten, da ausschliesslich jene Personen mit Kostenfolgen rechnen müssten, die durch ihr eigenes, vorsätzliches Verhalten die öffentliche Ordnung störten oder eine Störung in Kauf nähmen. Letzteres gilt zum Beispiel für die Organisatoren einer Krawall-Veranstaltung.

Die Grünen werden laut Rigoni versuchen, die Umsetzungsvorlage der Regierung so weit wie möglich abzuschwächen. Ob sie auch eine finanzielle Obergrenze bei der Kostenüberwälzung zum Thema machen, lässt sie offen – bisher war das kein Anliegen der Linken.

Bei den Bürgerlichen sieht man keinen Handlungsbedarf: Angie Romero (FDP, Zürich) und Daniel Wäfler (SVP, Gossau) haben am Umsetzungsvorschlag der Regierung nichts auszusetzen. Wäfler glaubt als Präsident der vorberatenden Kommission, dass dieser im Parlament eine Mehrheit finden dürfte. Er entspreche dem Gegenvorschlag, den die Stimmberechtigten angenommen hätten, und komme auch den Kernanliegen der Initiative sehr nah – vor allem dem Wunsch, dass unbeteiligte Dritte weniger Schäden aufgrund unbewilligter Demonstrationen erleiden sollten.

Änderungsanträge hätten im Rat also höchstens dann eine Chance, wenn neben den linken Parteien auch jene in der Mitte mitmachen würden. Diese stimmten bisher mit den Bürgerlichen, und daran scheint sich wenig zu ändern. Die Grünliberalen etwa stehen laut Andrea Gisler (Gossau) der Forderung nach einer Kostenobergrenze zurückhaltend gegenüber.

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