Viele Anleger verlieren bei Kursstürzen die Nerven. Doch wenn sie ihre Aktien verkaufen, verpassen sie den Aufschwung nach der Krise – und bezahlen einen hohen Preis.

Beim Investieren beschäftigt mich eine Frage immer wieder. Warum ignorieren so viele Anleger die einfachsten Grundsätze, obwohl ihnen diese seit Jahren oder gar Jahrzehnten gepredigt werden? Und obwohl viele dieser Regeln – etwas die Bedeutung einer breiten Diversifikation – wieder und wieder durch die ökonomische Forschung bestätigt werden?

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Mich fasziniert diese Frage auch deshalb, weil ich selbst nicht gegen diesen Fehler gefeit bin. Ich kann an Abendessen mit Freunden lange Vorträge darüber halten, weshalb man sich in Börsenkrisen am besten ruhig verhält. Und verliere beim nächsten Absturz dann doch die Nerven. Vor einigen Jahren habe ich aus einer panischen Reaktion mein gesamtes Depot auf den Markt geworfen.

Im Alter steigt das Risiko

Im Nachhinein redete ich mir dann ein, dass der Entscheid gar nicht so schlecht war und ich noch mit einem blauen Auge davongekommen bin. So wie das Anleger meistens tun, wenn sie sich verhauen haben.

Die Zahlen sprechen allerdings eine völlig andere Sprache. Eine Studie des amerikanischen Vermögensverwalters Principal Asset Management hat das sogenannte Abandonment Risk untersucht – also das Risiko, dass Anleger ihre Anlagestrategie vorzeitig abbrechen, wenn es an der Börse rumort.

Die Finanzexperten haben als Erstes eruiert, ab wann den Investoren die Nerven zu flattern beginnen. Das Ergebnis: Für Anleger im Alter zwischen 50 und 65 Jahren reicht es bereits aus, wenn sich über eine Frist von zwei Jahren ein Verlust von rund 13,5 Prozent in ihrem Depot ergibt. Ab diesem Punkt steigt die Wahrscheinlichkeit deutlich an, dass sie aussteigen.

Bei jüngeren Sparern im Alter von 25 bis 50 Jahren haben die Modellrechnungen eine kritische Schwelle von etwa 26 Prozent Verlust über zwei Jahre ermittelt. Das Ausstiegsrisiko ist im Alter also deutlich höher. Das ist besonders gefährlich, weil älteren Menschen viel weniger Zeit bleibt, Rückschläge an der Börse auszugleichen.

Den Aufschwung verpasst

Ein weiterer zentraler Punkt ist der langfristige Schaden, der entsteht. Denn wer aussteigt, verpasst auch die anschliessende Markterholung. Um die Folgen zu zeigen, simulierte die Studie ein US-lastiges, klassisches Portfolio mit 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen. Sie ging dabei von einem Startkapital von 91 000 Franken aus und von einem Börsenabsturz im Jahr 2016.

Wer nach dem Einbruch für ein ganzes Jahr ausstieg, dessen Portfolio hatte bis Ende 2024 einen Wert von rund 143 800 Franken. Wer sechs Monate weg von der Börse blieb, hatte nach den rund acht Jahren etwa 154 700 Franken. Anleger, die hingegen durchgehend investiert waren, konnten sich über ein Vermögen von über 212 000 Franken freuen.

Wer die Erholung verpasste, musste damit also einen Renditeunterschied von bis zu 68 250 Franken schlucken. Das ist eine jährliche Rendite von nur 6 Prozent gegenüber 11 Prozent bei einer durchgehenden Investition. Ein solcher Rückstand lässt sich selbst über längere Zeit kaum noch aufholen.

Für mich ist klar: Wenn mich beim nächsten Börsencrash die Panik packt und es mich juckt, auszusteigen, werde ich mir diese Zahlen vorbeten. Und hoffen, dass ich klüger geworden bin.

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