Mittwoch, Januar 15

Die beiden Warenprüfkonzerne SGS und Bureau Veritas führen Gespräche über eine mögliche Fusion. Während Marktbeobachter über Sinn und Unsinn einer solchen Transaktion geteilter Meinung sind, scheint er für eine Interessengruppe von Vorteil zu sein.

Als Reaktion auf einen Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg bestätigte der Schweizer Warenprüfkonzern SGS am Mittwoch Gespräche mit dem französischen Konkurrenten Bureau Veritas über eine mögliche Fusion. Weitere Details wurden nicht genannt, und es wurde betont, dass es keine Garantie für den Abschluss oder den Zeitpunkt einer möglichen Fusion gebe.

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Die Investoren scheinen die Fusion allerdings realistisch zu sehen, weil zumindest teilweise eine Bewertungs-Arbitrage eingesetzt hat: Die Aktien von SGS verlieren am Mittwoch 6%, während diejenigen von Bureau Veritas 2% gewinnen.

«Bei einem Deal müssen die impliziten Bewertungen der Austauschverhältnisse ähnlich sein, weil die Margen- und Wachstumsprofile vergleichbar sind», erklärt Patrik Jäger, Fondsmanager bei der Vermögensverwaltungsboutique IFS Independent Financial Services, die Kursbewegungen.

Eine Fusion unter Gleichen

Es wäre zumindest teilweise eine Fusion unter Gleichen: SGS erzielte 2023 einen Umsatz von 6,6 Mrd. Fr, während Bureau Veritas umgerechnet auf 5,7 Mrd. Fr kam. Bureau Veritas wächst derzeit aber etwas schneller als SGS und ist profitabler. Mit einer Börsenkapitalisierung von 16,5 Mrd. Fr. ist der Schweizer Konzern jedoch klar grösser als das französische Pendant mit umgerechnet 12,9 Mrd. Fr.

Géraldine Picaud, seit Ende März 2024 CEO von SGS, hat bereits angedeutet, dass es eines «grösseren Schrittes» bedürfe, um die operative Marge zu steigern. Die frühere Finanzchefin des Baustoffkonzerns Holcim zeigte sich für grössere Schritte offen. Zudem ist der Markt für Tests, Inspektionen und Zertifizierungen (TIC: Testing, Inspection, Certification) nach wie vor stark fragmentiert, was eine Konsolidierung notwendig macht: Die vier grössten Anbieter halten zusammen nur einen Anteil am Weltmarkt von 20 bis 25%.

Auch die Tatsache, dass Private-Equity-Gesellschaften zunehmend in die Branche eindringen, dürfte den Handlungsdruck erhöht haben.

Gespräche wohl weit fortgeschritten

«Sowohl Bureau Veritas als auch SGS verfügen mit den Beteiligungsgesellschaften Wendel (26,5% an Bureau Veritas) und Groupe Bruxelles Lambert (GBL, 18,9% an SGS) über starke Ankeraktionäre, was eine mögliche Transaktion erleichtert, wenn sich die beiden Parteien finden», sagt Jäger. Die Tatsache, dass die Gespräche jetzt öffentlich gemacht wurden, lasse aufhorchen. Das deutet darauf hin, dass sie wahrscheinlich weit fortgeschritten sind.

Die Unternehmen seien schon seit einigen Jahren aneinander interessiert, sagt Jäger. Es sei wohl das dritte oder vierte Mal, dass Gespräche geführt würden, sagt Jean-Philippe Bertschy, Analyst bei der Bank Vontobel. Gescheitert seien die Gespräche aber immer an organisatorischen und personellen Fragen – wo der Hauptsitz liegt, wer den Verwaltungsratspräsidenten und wer den CEO stellt.

Auch Daniel Bürki, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, hält angesichts der vergleichbaren Grösse der beiden Unternehmen einen Zusammenschluss im Sinne einer «Fusion unter Gleichen» für realistisch. Eine Fusion der weltweiten Nummer eins mit der Nummer zwei dürfte auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht keine grösseren Hürden aufwerfen. SGS und Bureau Veritas würden derzeit zusammen einen Umsatz von umgerechnet ca. 13 Mrd. Fr. erzielen, Eurofins, der drittgrösste Anbieter, etwas weniger als 7 Mrd. Fr.

Eine Transaktion dieser Grössenordnung hat es in der Branche noch nie gegeben. Da sich der TIC-Markt derzeit in einer guten Verfassung befindet und dynamisch wächst, würde eine Fusion aus einer Position der Stärke heraus erfolgen. Am Investorentag vom vergangenen November sagte Picaud, ihr Unternehmen sei in einem «fantastischen Markt» tätig, der bis 2027 auf 190 Mrd. Fr. wachsen werde (2023: 160 Mrd. Fr.).

Lohnt sich die Fusion?

Dennoch wäre die Umsetzung einer Fusion anspruchsvoll, insbesondere im Hinblick auf die personelle Organisation. Und es stellt sich die Frage, ob sich ein Zusammenschluss trotz des Synergiepotenzials unter dem Strich lohnt. Angesichts der Grösse und Komplexität könnten die Risiken die Vorteile überwiegen, heisst es etwa in einem Kommentar der britischen Grossbank Barclays.

Der zuständige Analyst von Berenberg befürchtet wegen Überschneidungen Umsatzeinbussen bei wichtigen Kunden. Zudem bezweifelt er, dass die beiden Unternehmen kulturell, strategisch und administrativ überhaupt zusammenpassen. «Die Frage ist, inwieweit die Unternehmen in der Lage sind, Synergien zu heben», betont auch Vontobel-Analyst Bertschy. Die Kartellbehörden werden bei einer Fusion wohl auch ein Wörtchen mitreden.

«SGS braucht die Fusion nicht», ist Stephan Sola, Manager des Plutos-Schweiz Fund, überzeugt. Die Gefahr sei gross, dass der Fokus verlorengehe und ein langwieriger Prozess in Gang gesetzt werde, dessen Erfolg nicht absehbar sei.

Ankeraktionäre suchen seit Jahren einen Ausstieg

Tatsächlich ist SGS unter der neuen Führung auch ohne Fusion auf gutem Weg: Picaud handelt sehr schnell. Sofort nach ihrem Amtsantritt wurden Effizienzmassnahmen und organisatorische Veränderungen angekündigt und umgesetzt. Auch der Fokus auf klare Verantwortlichkeiten und die Stärkung der regionalen Marktleiter ist typisch für den Managementstil, wie er auch bei Picauds früherem Arbeitgeber Holcim gepflegt wird. Ihre Handschrift ist klar erkennbar.

Der strategische Fokus liegt derzeit auf der Stärkung des attraktiven US-Marktes. Hier will SGS den Umsatz bis 2027 verdoppeln. Mit den angekündigten Kosteneinsparungen und einem besseren Geschäftsmix will Picaud die operative Marge im gleichen Zeitraum auf über 16% (2023: 14,7%) steigern. «Übergeordnetes Ziel ist es aber, SGS wieder zum klaren Marktführer zu machen, was mit kleineren Akquisitionen sehr lange dauern würde. Deshalb hat man sich wohl für einen grossen Schritt entschieden», sagt IFS-Fondsmanager Jäger.

Und was spricht aus Sicht der Aktionäre für eine Fusion? Im besten Fall wohl ein starker Marktführer mit hoher Rendite. «Ich sehe vor allem die beiden Ankeraktionäre Wendel und GBL profitieren – sie suchen seit Jahren einen Ausstieg», betont hingegen Vontobel-Analyst Bertschy. Ähnlich sieht es Fondsmanager Sola, der die Fusionsidee auch nicht dem operativen, sondern dem strategischen Management von SGS zuordnet.

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