Dienstag, Oktober 1

Noch teurer ist die Abfallentsorgung aber jenseits der Stadtgrenze in einer Goldküstengemeinde.

Die Abfallsackgebühr sollte in Zürich als Aufregerthema ausgedient haben, möchte man meinen. Seit sie Mitte der Neunzigerjahre im ganzen Kanton eingeführt wurde, hat sich das leicht verständliche Prinzip in den Köpfen festgesetzt: Wer mehr Müll generiert, zahlt auch mehr. So wird die Entsorgung verursachergerecht finanziert.

Doch in der Stadt Zürich gilt noch ein zweites Prinzip, das weit weniger einsichtig ist: Hier zahlt auch mehr, wer die blauen Züri-Säcke am falschen Ort einkauft. Grund dafür ist ein Sonderweg der Stadt. Im Gegensatz zu den anderen Gemeinden überlässt sie es den Produzenten und den Detailhändlern, die Preise für die Säcke frei festzulegen.

Das Resultat: Obwohl die Stadtzürcher Abfallgebühren zu den günstigsten im Kanton gehören, können sich die Kosten für die Verbraucher in bemerkenswerte Höhe schrauben, je nach Verkaufsstelle der Säcke. Für eine durchschnittliche Familie kann sich das auf 240 Franken pro Jahr summieren, die buchstäblich im Abfallkübel landen.

Dies zeigt eine aktuelle Erhebung, die die Stadt Anfang Woche publiziert hat. Demnach kostet in Zürich eine Zehnerrolle 35-Liter-Säcke – die mit Abstand am häufigsten verkaufte Grösse – beim günstigsten Anbieter 15 Franken 49, beim teuersten aber 23 Franken 90. Das ist eine Differenz von mehr als 50 Prozent.

Wer die Anbieter der günstigsten und der teuersten Züri-Säcke sind, gibt die Stadt Zürich nicht bekannt. Sie begründet dies damit, dass es keine vollständige Erhebung der Preise aller Verkaufsstellen gebe. Ermittelt werden diese periodisch über Stichproben, zudem können Konsumenten höhere oder tiefere Preise melden.

Zu den Anbietern mit den tiefsten Preisen gehören bekanntermassen die Discounter Aldi und Lidl. Die Detailhändler Migros und Coop, auf deren Konto der grösste Teil aller Verkäufe geht, verlangen für die Rolle 16 Franken 20 – oder 1 Franken 62 pro Sack. Abzüglich der Sackgebühr, die samt Mehrwertsteuer aktuell bei 1 Franken 41 liegt , bleiben also gut 20 Rappen, die sich der Produzent und der Detailhändler laut Branchenkennern etwa hälftig teilen. Bei den teuersten Anbietern steigt dieser Anteil auf fast 1 Franken pro Sack.

Prozentual am grössten sind die Preisunterschiede bei den 17-Liter-Säcken. Die günstigste Rolle wird für 8 Franken 25 Franken verkauft, die teuerste für 13 Franken 95, also für knapp 70 Prozent mehr.

Die Stadt Zürich lässt den Markt spielen

Aktuell hat die Stadt Zürich den Auftrag zur Herstellung der blau gefärbten Züri-Säcke an drei verschiedene Hersteller vergeben, die untereinander im Wettbewerb stehen. Diese verhandeln mit den Endverkäufern die Preise.

Grosskunden wie die Migros, die jährlich mehrere hunderttausend Rollen bestellen, sind dabei gegenüber kleinen Quartierläden oder Tankstellenshops natürlich im Vorteil. Am Ende schlägt jeder Anbieter nach eigenem Ermessen noch eine Marge drauf.

Als die Stadt Zürich 2023 die Gebühren um einen Viertel senkte, gaben einige Grosshändler den Abschlag zunächst nicht in vollem Umfang an die Verbraucher weiter. Sie beugten sich erst unter dem Druck medialer Berichterstattung.

In den anderen Zürcher Gemeinden mit Gebührensäcken beobachtet man das Ergebnis des Stadtzürcher Sonderwegs mit Skepsis. Bei ihnen werden die Herstellungskosten und die Marge des Händlers jeweils bei der Auftragsvergabe fixiert und in die Sackgebühr integriert. Deshalb kostet zum Beispiel in Dübendorf jeder Sack genau zwei Franken. Egal, wo man ihn kauft.

Laut Tobias Nussbaum, dem Mediensprecher von Entsorgung und Recycling Zürich, hat das Stadtzürcher System aber auch Vorteile. Es diene der Transparenz, dass Gebühr und Sackherstellung nicht vermischt würden. Zudem spiele der Markt gleich doppelt, durch die Konkurrenz bei der Produktion und im Verkauf. Beides sei im Sinn der Verbraucher.

Im Gemeindevergleich schneidet Zürich gut ab

Tatsächlich sind die Züri-Säcke vergleichsweise günstig, sofern man sie bei einem der grossen Detailhändler und Discounter kauft, die geschätzte 80 Prozent des Marktes unter sich aufteilen.

Um die Zürcher Gemeinden miteinander vergleichen zu können, genügt es allerdings nicht, allein die Sackgebühren zu betrachten. Denn die meisten erheben zusätzlich eine Grundgebühr pro Haushalt, und auch hier gibt es beträchtliche Unterschiede. Herrliberg zum Beispiel verzichtet ganz auf eine Grundgebühr, verlangt aber pro Sack den Rekordbetrag von 3 Franken, Rifferswil dagegen verlangt «nur» 1 Franken 90 pro Sack, aber 222 Franken Grundgebühr.

Dadurch ergeben sich für eine vierköpfige Familie sehr unterschiedliche Kosten. Gerechnet wird hier mit 35-Liter-Säcken und dem Stadtzürcher Durchschnittswert von 300 Kilogramm Haushaltsabfall pro Person und Jahr, was rund 70 Säcken entspricht. In diversen Gemeinden, die wie Herrliberg auf Gebührensäcke verzichten und stattdessen Abfallmarken verkaufen, kommen noch die Kosten für den Kauf handelsüblicher Säcke hinzu, die sich auf rund 50 Franken belaufen.

Unter dem Strich zahlt die Beispielfamilie daher in Herrliberg für die Abfallentsorgung 900 Franken – das sind 200 Franken mehr als in Zürich selbst bei den teuersten Anbietern. In der Nachbargemeinde Zumikon wird mit etwas über 430 Franken nicht einmal die Hälfte davon fällig.

In der Stadt Zürich zahlt die gleiche Familie, sofern sie bei den grossen Discountern und Detailhändlern einkauft, 460 bis 480 Franken. Sie fährt also günstiger als im nahen Dübendorf, das seine Säcke bei einem der gleichen Produzenten bezieht wie Zürich und sie in der gleichen Kehrichtverbrennung entsorgen lässt, aber auf Fixpreise setzt. Dort zahlt die Beispielfamilie im Jahr rund 630 Franken.

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