Freitag, April 18

Die Dos and Don’ts des berühmtesten Schweizer Marathonläufers für alle, die am Wochenende in Zürich mitlaufen.

Die Speicher füllen

In den Tagen vor dem Wettkampf ist es wichtig, sich gut zu ernähren und die Energiespeicher aufzufüllen. In den zwei bis drei Tagen vor dem Start gilt es, viele Kohlehydrate zu essen. Und das «supergesunde Zeug», wie Viktor Röthlin es formuliert, wegzulassen, weil es Magen und Darm zu sehr beansprucht. Das heisst: Weissbrot statt Vollkornbrot oder Birchermüesli zum Frühstück. Auf Salat oder rohes Gemüse eher verzichten, auf Fett und Alkohol erst recht. Am Abend vor dem Lauf könne man schon noch ein Glas Wein trinken, sagt Röthlin, der ehemalige Europameister und WM-Medaillengewinner im Marathon. Aber für ihn ergibt das «einfach keinen Sinn».

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Am Morgen vor dem Rennen empfiehlt Röthlin eine zeitige Tagwache, drei, vier Stunden vor dem Start des Rennens. Und dann ein «Italian breakfast», soll heissen: einen Teller Spaghetti, mit einer leichten Tomatensauce vielleicht, aber bestimmt ohne Käse. Und wer das am Morgen nicht herunterbekommt und auf ein Honigbrot ausweichen will, dann eben lieber den Weissmehlzopf als das Vollkornbrotstück.

Fürs Training ist es jetzt zu spät

Wer das Gefühl hat, dass er sich in den letzten Wochen vor dem Rennen nicht gut vorbereitet hat, für den hat Viktor Röthlin eine simple Botschaft: «Leben Sie mit dem schlechten Gewissen, denn nachholen lässt sich jetzt nichts mehr», sagt Röthlin.

Für die Tage vor dem Lauf empfiehlt der 50-Jährige allenfalls noch ein, zwei kurze und leichte Einheiten, 20, vielleicht 30 Minuten, die letzte einen oder zwei Tage vor dem Wettkampf. Sonst ist der Körper schon müde, bevor es überhaupt losgeht.

Viel schlafen

Die Nacht vor dem ersten Marathon oder Halbmarathon ist üblicherweise keine sehr entspannte. Das sei aber normal und auch nicht weiter schlimm, sagt Viktor Röthlin. Wichtiger sei es, in den Tagen davor darauf zu achten, dass der Körper zu genügend Schlaf komme, damit er ausgeruht an den Start gehe.

Den Gang aufs WC planen

Je näher der Lauf rückt, desto grössere die innere Unruhe. Röthlin beobachtet dann öfter, dass die Läufer sich an ihrer Trinkflasche festhalten, aus ihr trinken, weil sie halt nichts Besseres zu tun haben. Kurz vor dem Start drückt dann die Blase. Und die WC-Anlagen sind weit entfernt.

Deshalb formuliert Röthlin die Regel: Bis eine Stunde vor dem Start soll man noch Wasser trinken. Später das WC aufsuchen. Und dann erst zwei, drei Minuten vor dem Start nochmals zwei Deziliter zu sich nehmen.

An die Füsse denken, aber nicht nur

Wer läuft, sollte seine Zehennägel pflegen, insbesondere vor dem langen Marathon. An die Füsse gehören Schuhe, die eingelaufen sind, aber nicht ausgelatscht, 30, vielleicht 40 Kilometer sollten sie auf dem Buckel haben. Und die Füsse, sagt Röthlin, gehörten in Laufsocken. «Ich staune immer wieder, dass die Leute 200 Franken für einen Laufschuh ausgeben und dann Billigsocken anziehen», sagt er. Blasen verursachen in der Regel die Socken, nicht die Schuhe.

Solche aus Carbon ergeben unter Umständen übrigens schon für Einsteiger Sinn, je nach Laufstil und Muskulatur. Eine Laufstil-Analyse hilft da weiter. Röthlin, der solche Analysen selbst für eine Sportgeschäftkette durchführt, legt sie insbesondere Einsteigern ans Herz. Wer noch nie eine weite Strecke gelaufen ist, stellt irgendwann fest, dass die Brustwarzen schmerzen. Röthlin empfiehlt darum, sie zu schützen, mit Pflaster und Tapes. Und man sollte nicht etwa ein Baumwoll-Shirt, sondern eines aus synthetischem Material darüber anziehen.

Nicht einfach drauflosrennen

Wenn die Energiespeicher gefüllt sind, die Blase geleert ist und die Schuhe gebunden – gut gebunden, wichtig! –, es endlich losgeht, dann sollte man eines tunlichst vermeiden: einfach draufloszurennen. Auf keinen Fall sollte man der Euphorie verfallen, die sich einstellen kann, mit der Startnummer am Bauch, den vielen Läufern neben sich und all den Leuten an der Strecke.

«Es ist wichtig, sich ein Ziel zu setzen», sagt Röthlin, das gelte selbst für Einsteiger. Dieses Ziel könne auch einfach darin bestehen, innerhalb der Zeitlimite anzukommen. Beim Zürich-Marathon beträgt diese Limite für den Halbmarathon 2:45 Stunden, für den Marathon 5:30 Stunden.

Anhand dieses Ziels gilt es, ein Lauftempo festzulegen, zum Beispiel: 5:30 Minuten pro Kilometer, um einen Halbmarathon unter zwei Stunden zu absolvieren. Und sich dann daran zu orientieren, wobei Röthlin nahelegt, das Rennen in drei Teile zu unterteilen. Den ersten Drittel sollte man leicht langsamer angehen, um so Kräfte zu sparen. Den zweiten in dem Tempo, das es braucht, um das Zeitziel zu erreichen. Im dritten gilt dann: Leinen los, sofern der Körper es zulässt.

Ohrstöpsel daheim lassen

Viktor Röthlin sieht immer wieder Läufer, die zu grosse Schritte machen, und häufig, sagt er, trügen sie Kopfhörer im Ohr. «Musik verleitet zu langen Schritten», sagt Röthlin, denn viele Pop-Songs hätten 110 bis 120 Beats pro Minute, Schritte sollte man pro Minute aber 160 machen. «Zu lange Schritte machen schneller müde, zudem erhöht sich das Verletzungsrisiko», sagt Röthlin. Er empfiehlt deshalb, auf Beschallung zu verzichten, bei einem Wettkampf erst recht. «Es geht ja auch darum, die Atmosphäre aufzusaugen», sagt er.

Unterwegs in Ruhe trinken

Klar, unterwegs muss es dann schnell gehen, selbst für Amateure. Aber eines sollte man laut Viktor Röthlin nicht tun: sich bei der Verpflegung an den Verpflegungsposten keine Zeit lassen. «Es bringt nichts, dort zu stressen», sagt er. Viel besser sei es, ein paar Schritte zu gehen und in Ruhe zu trinken und zu essen.

Ab einer Renndauer von 90 Minuten ist es wichtig, sich unterwegs zu verpflegen, das heisst: Wasser zu trinken oder isotonische Getränke, Kohlehydrate zu sich nehmen, weil sich der Energiespeicher unterwegs entleert. Da helfen etwa Energie-Gels. 60 bis 100 Gramm sollte man pro Stunde aufnehmen – das entspricht ungefähr zwei Gels. «Den Umgang mit ihnen sollte man vorher trainieren», sagt Röthlin, «der Tag des Rennens ist keiner für Ernährungsexperimente.»

Es darf schon weh tun

Bleibt noch die Frage, wie weh es unterwegs tun darf oder gar soll. «Wenn es irgendwo ein bisschen schmerzt oder brennt oder eine Wade zuckt, ist das noch kein Grund, aufzugeben», sagt er. Vorsicht sei erst geboten, wenn man nicht mehr klar denken könne, sein Umfeld nicht mehr richtig sehe, einen Druck auf dem Trommelfell verspüre.

Apropos zuckende Wade: Wenn sich ein Krampf ankündigt, hilft es, das Tempo zu reduzieren, eine Weile zu marschieren und – vor allem – Flüssigkeit aufzunehmen.

Das Feiern nicht vergessen

Und dann, endlich: das Ziel. Zeit zum Feiern, zum Geniessen, sagt Viktor Röthlin. Auch ein paar Bier sind jetzt erlaubt. Dehnübungen würde er, wenn überhaupt, erst am Abend machen. Eine ausgiebige Dusche reiche vollauf. Und wer so weit gelaufen sei, solle danach pausieren. Die Faustregel lautet: pro Meile einen Tag. Heisst nach einem Halbmarathon 13 Tage und nach einem Marathon 21. Aber mindestens diesen Tipp, sagt Röthlin mit einem Lächeln, würden die Hobbyläufer ja sowieso nicht befolgen.

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