Donnerstag, September 11

Die Wiener Publizistin Daniela Strigl hat ein vergnügliches Buch über einen Menschentypus geschrieben, der viele Sympathien erntet und leicht in Verruf geraten kann.

Eltern mit Kindern im Trotzalter sind nicht zu beneiden. Zugleich steht fest, dass schon der im Kleinkindalter oder in der Pubertät gezeigte Widerstand eine entwicklungspsychologische Notwendigkeit darstellt. Trotz ist darum ein schillernder, ambivalenter Begriff, der je nach Blickwinkel und Kontext anders wahrgenommen wird.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Diesen Widersprüchen geht die Wiener Publizistin Daniela Strigl in ihrem klugen Essay «Zum Trotz» nach. Sie macht von Anfang an deutlich, dass der Trotz weit mehr ist als eine vorübergehende Charaktereigenschaft. Wer sich trotzig gibt und davon nicht abkommen will oder kann, agiert oftmals in einem gesellschaftlichen Umfeld, dessen Normen hinterfragt werden sollen.

So widerstrebt es den Trotzigen, sich dem zu beugen, was das gesetzte Recht vorsieht. Angelpunkt dafür ist auch in Daniela Strigls literarischer Sozialisation Heinrich Kleists berühmte Novelle «Michael Kohlhaas». Diese Geschichte des «Paragraphenreiters aus Rechtsgefühl», wie ihn der Philosoph nannte, zeigt exemplarisch, wohin ein Aufbegehren gegen erlittenes Unrecht führt, wenn kein Halten mehr ist.

Peter Handkes Sturheit

Daniela Strigl verfolgt die unterschiedlichen Ausformungen des Trotzes bis hin zu Antigone und Jeanne d’Arc und über die Literatur des 19. Jahrhunderts in unsere Gegenwart. Sie nennt Martin Walsers auf dem wahren Fall eines hessischen Beamten beruhenden Roman «Finks Krieg» oder Peter Handkes «fatale Realitätsverweigerung», als er sich in seiner Parteinahme während des Balkankriegs zum politischen Trotzkopf par excellence entwickelte.

Da sich der Trotzige etwas traut, wovor andere Angst haben, kann er auf gewisse Sympathien zählen. Daniela Strigl zeigt es am Beispiel des Wilderers. Er war eine insbesondere im 19. Jahrhundert vielfach beschriebene Symbolfigur. Sie steht dafür, dass Gesetzesverstösse auch als berechtigter Widerstand gegen ungerechte Verhältnisse gedeutet werden können.

Was der Trotz im Persönlichen ist, entspricht im Politischen am ehesten der Revolte. Daniela Strigl wendet sich auch deren Protagonisten zu: Rebellen, Querulanten, Dissidenten. In diesen Figuren spiegeln sich ganz unterschiedliche Verhaltensweisen, die oft im Trotz ihren Anfang nehmen. In dieses Feld gehört auch der Querdenker, der in den letzten Jahren gewaltig an Renommee verloren hat. Einst galt das Querdenken als intellektuelles Adelsprädikat für diejenigen, die dem Mainstream und dem scheinbar gesicherten Konsens nicht blind folgten. Seit der Corona-Pandemie bezeichnet der Begriff vorrangig Trotzköpfe, die wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren und zu Verschwörungsphantasien neigen. Sie entwickeln sich dann weiter zu Wutbürgern und werden an den Wahlurnen gern zu Protestwählern.

Rebellisches Potenzial der Kunst

So ist der Trotz allenfalls eine Sekundärtugend. Ob diese sich mit guten Gründen gegen gesellschaftliches Unrecht wendet oder in die Verbohrtheit führt, lässt sich häufig nur aus dem historischen Kontext beantworten. Dennoch gilt: Ohne Trotz ist gesellschaftliche Weiterentwicklung kaum vorstellbar.

Am Ende ihres anregenden Essays schlägt Daniela Strigl eine elegante Volte und kehrt in ihr ureigenes Metier, in die Literatur, zurück. Angesichts der allgegenwärtigen Marginalisierung von Kultur und der Rückzugsgefechte, die die Literatur zu führen hat, betont Strigl das rebellische Potenzial, das der Fiktion innewohnt: «Womöglich ist die Kunst, die Literatur selbst eine Form von Trotz: gegen den Alltag, gegen die wirtschaftliche Nutzbarkeit von allem und jedem, gegen die Überbewertung von Anliegen und Agenda.» So gesehen, sollten Trotzphasen zumindest in der Literatur der Normal- und nicht der Ausnahmezustand sein.

Daniela Strigl: Zum Trotz. Erkundung einer zwiespältigen Eigenschaft. Residenz-Verlag, Salzburg 2025. 160 S., Fr. 33.90.

Exit mobile version