Donnerstag, Oktober 3

Langfristig erfolgreich anlegen ist nicht schwer, solange man einige Regeln befolgt. Die wichtigste Erkenntnis: Mit einer klaren Strategie und ohne grosses Zutun geht es oft am besten – auch wenn das Nerven kosten kann.

Kribbelt es bei Ihnen schon angesichts der neuen Rekorde? Ärgern Sie sich, dass Sie die Nvidia-Aktie noch Anfang 2022 verkauft haben – und für den Wiedereinstieg scheinbar nie der richtige Zeitpunkt gekommen ist? Liegen in Ihrem Depot auch noch ein paar Titel von Meyer Burger? Dann geht es Ihnen wohl wie vielen.

Der härteste Gegner jedes Investors, jeder Anlegerin ist er oder sie selbst.

Doch die gute Nachricht: Es gibt Rezepte dagegen.

Das Pendel der Psychologie

In der Theorie könnte Anlegen so einfach sein. Volkswirtschaften, Sektoren und Unternehmen unterliegen Zyklen, sie sind geprägt von der Boomphase, der Rezession, der Depression und der Erholung. Nun schauen die Finanzmärkte in der Regel nach vorn und antizipieren bereits, was in den nächsten Monaten passieren wird. Wer also eine Überrendite erzielen will, muss nur die Zukunft besser voraussagen können als der Rest des Marktes.

Doch das ist praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Und was die Sache mit dem Investieren noch schwieriger macht: An der Börse werden die Ausschläge oft beschleunigt. «Boom or Bust» – Aufstieg bis zur Euphorie oder Abstieg bis zur Depression. Betrachtet man das Geschehen an den Finanzmärkten, scheint es, überspitzt formuliert, nur diese zwei Zustände zu geben.

Der legendäre US-Investor Howard Marks nennt die Ursache dieses Phänomens «The Pendulum of Psychology» – anders als Konjunktur- und Gewinnzyklen folge die Psyche des Menschen nicht einem wellenförmigen Zyklus, sondern viel eher einem Pendel, das ausschlage. «Obwohl der Mittelpunkt der Kurve wohl als der durchschnittliche Ort des Pendels beschrieben werden könnte, bleibt es praktisch nie dort; es schwingt immerzu in Richtung eines der Extreme.»

Die Finanzmärkte, so Marks, aggregieren und imitieren diese Pendelbewegung. Sie feiern positive Entwicklungen und beschäftigen sich beinahe zwanghaft mit den negativen, sie schwingen von über- zu unterbewertet. An den beiden Polen dominieren Gier und übermässiger Optimismus einerseits, Angst und übertriebener Pessimismus andererseits. Und diese Zustände bedingen sich jeweils gegenseitig.

Das Wissen um diesen psychologischen Effekt und das resultierende Verhalten können sich versierte Anlegerinnen und Investoren direkt zunutze machen. So etwa mit einer Momentumstrategie: Dabei wird auf die bisherigen Gewinneraktien gesetzt. Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass das Vorgehen eine Überrendite bringen kann. Auch bei anderen sogenannten Faktorstrategien wird ein Portfolio systematisch nach einem oder mehreren Anlagekriterien ausgerichtet. Dazu gehören der Fokus auf Value (günstige Bewertung) oder Growth (Wachstum), auf kleine oder grosse Unternehmen, auf Dividenden oder Qualität.

Diesen quantitativen Ansätzen ist gemein, dass sie sich an den Entwicklungen von Konjunktur und Börse orientieren. Das ist zum einen schwierig, weil es bedingt die Situation richtig zu lesen, mögliche künftige Bewegungen daraus abzuleiten und auch noch richtig zu handeln. Zum anderen bedarf es eines zumindest teilweise aktiven Investitionsstils. Wobei dank kotierter Fonds (Exchange Traded Funds, ETF) Faktorstrategien mittlerweile auch für Privatanleger relativ einfach zugänglich sind.

Aus dem Verhalten der Börse und den Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte lassen sich aber auch noch zwei weitere Schlüsse ziehen: Jeder Trend kehrt irgendwann, und über die Zyklen hinweg dürften insbesondere Aktien einer langfristigen Entwicklung nach oben folgen.

Der Plan gegen die eigenen Emotionen

Nun hat das Auf und Ab an der Börse für viele auch seinen Reiz. Gerne werden Erfolgsgeschichten vom Treffen des richtigen Zeitpunkts bei Kauf und Verkauf erzählt. Vielleicht haben Sie ein Vermögen mit Nvidia gemacht, und in Ihrem Depotkeller liegen keine Meyer-Burger-Leichen. Kurz: Schlechte Trades und miserables Timing sind Ihnen fremd.

Für alle anderen könnten die folgenden Rezepte im Kampf mit sich selbst helfen. Das Wichtigste dabei: Es reicht nicht, die Psychologie des Marktes zu verstehen, die Emotionen sollten möglichst ganz draussen bleiben. Lassen Sie sich nicht leiten von den beschriebenen Bewegungen an den Finanzmärkten, sondern konzentrieren Sie sich auf das, was sich beeinflussen lässt. Und das ist gar nicht mal so viel.

Mitbringen müssen Investorinnen und Anleger dafür: Geduld, Disziplin und Ausdauer.

Wer langfristig an den Finanzmärkten Vermögen aufbauen will, sollte sich als Erstes von dem Gedanken verabschieden, den Markt timen zu können. Wer das verinnerlicht und entsprechend handelt, entwickelt die notwendige Geduld und das Vertrauen, auch schwierige Börsenphasen überstehen zu können. Denn: In der Vergangenheit ist noch jede noch so massive Korrektur aufgeholt worden.

Die Anlagestrategie mit Aktien

Am Anfang steht die Anlagestrategie. Laut dem Finanzberater VZ Vermögenszentrum ist ein klar definierter Plan entscheidend für den langfristigen Anlageerfolg: 70 bis 80% der durchschnittlichen Performance eines Portfolios gehen gemäss VZ darauf zurück, eine Strategie zu haben – und ihr auch zu folgen. Taktische Anpassungen an diese langfristige Auslegung können immerhin bis zu 20% des Anlageerfolgs ausmachen, die Titelselektion rund 5 bis 10%.

Ob eine Strategie passt oder nicht, hängt von der individuellen Risikotoleranz und der Renditevorstellung ab: Faktoren wie der Anlagehorizont, das Anlageziel, die Liquiditätsbedürfnisse und die Nervenstärke bei Rückschlägen bilden die Grundlage für die darauf aufbauende persönliche Allokation. Ist der Rahmen gesetzt, muss die Strategie aber auch durchgezogen werden. Kurzfristiges Handeln an der Börse führt in der Regel zu Mehrkosten, die durch eine allfällige Zusatzrendite nicht kompensiert werden können.

Zu dieser Anlagedisziplin gehört, dabeizubleiben, selbst wenn es an den Finanzmärkten rumpelt. Genauso wichtig ist aber auch, mit einer vorab definierten Regelmässigkeit so viel zu investieren, wie eine nachhaltige Budgetplanung zulässt – und dies möglichst unabhängig von der persönlichen Stimmung und der Situation an den Finanzmärkten. Dafür eignet sich zum Beispiel ein automatisierter Dauerauftrag, damit die entsprechenden Wertschriften periodisch gekauft werden. Verschiedene Online-Broker bieten solche Lösungen an.

Ein diversifiziertes Portfolio besteht in der Regel aus verschiedenen Anlageklassen, klassischen wie Aktien und Anleihen, aber auch alternativen wie Immobilien, Edelmetallen und zunehmend Kryptowährungen. Je nach Profil in unterschiedlicher Gewichtung. Die Historie zeigt aber: Es führt kein Weg an Aktien vorbei, um sein Geld langfristig – angesichts der Teuerung – nicht nur zu erhalten, sondern auch signifikant zu vermehren.

Mit ETF-Sparplänen zum Erfolg

Am einfachsten und günstigsten lässt sich das Portfolio mit ETF auf Aktienindizes, Anleihen und Edelmetalle zusammenstellen, das machen wir uns in der The Market Asset Allocation zunutze. Wobei die Wahl des ETF angesichts der wachsenden Zahl nicht einfach ist. Wichtige Faktoren sind unter anderem die Wahl des richtigen Index, niedrige Kosten und eine hohe Liquidität. Je nach persönlicher Situation sollte die Auswahl angepasst werden, wie die Beispiele in diesem Beitrag anhand von verschiedenen Lebenslagen illustrieren.

Wer nicht nur passiv über ETF anlegen will, kann etwa im Aktienteil des Portfolios auf eine sogenannte Core-Satellite-Strategie zurückgreifen. Dabei werden aktive und passive Elemente kombiniert: Den Kern der Konstruktion bildet ein möglichst weit gefasster kotierter Indexfonds, etwa auf den Weltaktienmarkt. Mit Satelliten lassen sich individuelle Gewichtungen mit Blick auf Länder oder Regionen, Branchen und Themen setzen, dafür werden ebenfalls ETF oder gar Einzelaktien verwendet.

Anders als etwa in Deutschland sind in der Schweiz günstige ETF-Sparpläne leider (noch) kaum ein Thema. Dabei könnten solche passiven Instrumente eine automatisierte und einfache Alternative zum Sparen auf dem Bankkonto bieten. Bis zum Einzahlungsmaximum von rund 7000 Fr. im Jahr ist hierzulande die Säule 3a für viele die beste Anlage. Dies umso mehr, als günstige Online-Anbieter mit lukrativen Aktienlösungen die traditionellen Akteure wie Banken und Versicherer unter Druck setzen.

Neben dem Effekt, dass die Einzahlungen bei der Versteuerung vom Einkommen abgezogen werden können, haben 3a-Produkte noch einen gewichtigen Vorteil: Einmal eingezahlt, können die Gelder nur unter strengen Bedingungen wie etwa zum Erwerb von Wohneigentum vor dem Pensionsalter bezogen werden. Die nötige Ausdauer beim Anlegen wird einem damit förmlich aufgezwungen.

Ob beim freien Anlegen, passiv oder aktiv, oder bei einem 3a-Wertschriftenprodukt, die Kosten sollten immer im Fokus sein. Hohe Gebühren, die sich in der Regel als Prozentsatz des investierten Gesamtvermögens berechnen, fressen über die Jahre die Rendite weg, indem sie den Zinseszinseffekt schmälern.

Frust ist nicht gänzlich vermeidbar

Spassbefreit muss Anlegen aber nicht sein. Wenn das Budget es zulässt, kann ein kleiner Teil davon für Spielereien reserviert werden. Neben Nvidia und Meyer Burger haben so auch ein Basket mit Wasserstoffaktien oder Bitcoin im Portfolio Platz. Auch hier empfiehlt es sich, den Anteil für solche taktischen Manöver als Teil der Anlagestrategie bewusst zu definieren.

Und gänzlich vor Frust an den Finanzmärkten schützt das beste Rezept zugegebenermassen nicht. Steigen die Kurse einzelner Anlagen, bleibt immer das Gefühl, etwas zu verpassen. Doch gerade dann, wenn das Kribbeln angesichts der neuen Rekorde am grössten ist, ist es am wichtigsten, sich an den Anlage- und Einzahlungsplan zu halten. Der nächste Absturz kommt bestimmt.

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