Freitag, September 27

Der Chefdesigner der Briten trifft im Challenger-Final auf sein früheres Team. Er erklärt, was bei Alinghi für eine erfolgreiche Kampagne gefehlt hat.

Am Schluss war es eine klare Angelegenheit: Ineos Britannia bezwang Alinghi im Halbfinal der Challenger-Serie zum America’s Cup vor einer Woche 5:2. Die Schweizer schieden aus, die Briten segeln ab Donnerstag gegen Luna Rossa um das Recht, in drei Wochen Neuseeland als Verteidiger des America’s Cup herauszufordern. Nun geht es darum, wer zuerst sieben Rennen gewinnt.

Nach dem ernüchternd schnellen Ausscheiden Alinghis stellt sich die Frage: War das Schweizer Boot zu langsam? Martin Fischer, Chefdesigner von Ineos Britannia, sagt: «So einfach ist das nicht zu sagen: Bei sehr leichtem Wind war das Alinghi-Boot sehr gut. Bei stärkeren Winden hingegen hatte ich den Eindruck, dass es ein kleines Geschwindigkeitsdefizit gegenüber uns hatte.»

Die Analyse kommt aus berufenem Mund. Martin Fischer gilt in der Segelszene als einer der besten Designer und Foil-Spezialisten. Der Deutsche studierte Physik und promovierte am Max-Planck-Institut für Meteorologie. In den letzten zwei Cup-Austragungen 2017 und 2021 war Fischer beim italienischen Boot Luna Rossa unter Vertrag, 2021 wechselte er als Chefdesigner zu den Briten.

Alinghis Rumpfform fällt beim britischen Chefdesigner durch

Von Alinghis Rumpfform war Fischer nicht überzeugt. Das britische Boot weist eine andere Rumpfform auf als diejenige von Alinghi. «Wir haben sehr viele Rumpfvarianten getestet, auch in Richtung von Alinghi. Wir haben das aber abgebrochen», sagt Fischer. Er sei nach wie vor von der eigenen Rumpfform überzeugt, und diese sei relativ weit weg von dem, was Alinghi gemacht habe. Der Designer ist sich sicher, dass das Design des Rumpfes nach wie vor extrem wichtig sei, besonders in Bezug auf die aerodynamischen Eigenschaften des Boots. Deshalb habe Ineos Britannia sehr viel Zeit in die Suche nach einem optimalen Rumpf investiert.

Fischer hat die mangelnde Wettkampfpraxis der Alinghi-Crew durchaus bemerkt, lobt die Schweizer Segler aber trotzdem: «Alinghi war eines der ersten Teams, die eine Start-Choreografie angewandt haben, die man so am letzten America’s Cup noch nicht gesehen hatte. So behielten sie etwa in einem Rennen gegen Luna Rossa klar die Kontrolle. Diese Startvariante haben andere dann übernommen.»

Wie die Schweizer wurden auch die Briten von den Wetterverhältnissen in Barcelona überrascht. Die Windgeschwindigkeiten hätten zwar den Erwartungen entsprochen, doch das Team Ineos habe mit mehr Wellen gerechnet. Fischer glaubt, dass es sehr schwierig sei, den America’s Cup in dieser Segelklasse gleich auf Anhieb zu gewinnen. Allerdings habe Alinghis Designteam fast ausschliesslich aus Leuten bestanden, die bereits bei der Entwicklung der ersten Version des gegenwärtigen Cup-Bootes dabei gewesen seien.

Als Foiling-Spezialist gilt Martin Fischer seit zwanzig Jahren. Der begeisterte Segler war vor allem von den Katamaranen angetan. Er hat Boote in zahlreichen Klassen entworfen und brachte beispielsweise die populären GC32-Boote zum Fliegen. 2017 stiess er zu Luna Rossa. Damals wurde um den America’s Cup noch mit foilenden Katamaranen gesegelt.

Sämtliche Teams übernehmen die Innovation, die Fischer erfunden hat

2021 überraschte er die Segel-Szene dann mit einer Erfindung: Die erste Luna-Rossa-Version der neuen AC75-Bootsklasse wies im Rumpf eine Wölbung an der Unterseite des Rumpfes auf, was Vorteile beim Eintauchen und Abheben des Bootes bringt. Diese Innovation haben alle anderen Teams bei der Konstruktion ihrer AC75-Boote übernommen. Für den schlechten Start der Engländer in den America’s Cup hat Fischer eine Erklärung: «Unser Boot ist schwierig zu segeln. Es brauchte Zeit, bis die Segler das im Griff hatten und das Potenzial ausschöpfen konnten.»

Fischer weist auf die sehr enge Zusammenarbeit zwischen Ineos und Mercedes hin. Die Hälfte des Design-Teams, das ungefähr fünfzig Leute umfasste, stammte aus der Abteilung des deutschen Formel-1-Rennstalles. Sein Team habe in vielen Bereichen auf das Wissen aus der Formel 1 zugreifen können. Etwa bei der Hydraulik, der Elektronik, den mechanischen Systemen, aber auch bei der Aerodynamik.

Fischer sagt, es sei sehr hilfreich gewesen, dass die Formel-1-Ingenieure das gleiche Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln angegangen seien. «So haben wir zusammen Sachen entdeckt, auf die wir nicht gekommen wären», sagt der 61 Jahre alte Designer, der seinen Wohnsitz in Neukaledonien im Südpazifik hat. Ineos Britannia habe sehr viel an Simulationen gearbeitet, auch da sei sehr viel Wissen aus der Formel 1 eingeflossen. Letztlich seien Formel-1-Rennwagen und Segelboote dynamische Systeme, die man modellieren müsse. Der einzige Unterschied bestehe in den Kräften, die auf die Gefährte einwirken.

Im Gespräch mit der NZZ hält Fischer fest, dass er das Boot der Briten nicht gezeichnet habe. Als Chefdesigner habe er die Aufgabe, die Richtung und die Schwerpunkte im Designprozess festzulegen. Die Geschwindigkeit des Bootes sei zwar das A und O, das Boot müsse aber auch zuverlässig und benutzerfreundlich sein. Es gehe darum, den Entwicklungsprozess genau zu definieren. «Irgendwann muss man aus Zeitgründen Entscheidungen treffen, ohne dass man über alle Informationen verfügt.» Um wie viel Prozentpunkte das AC75-Boot der Briten im Verlauf des America’s Cup an Geschwindigkeit zulegen könne, will der Deutsche nicht sagen, es seien aber weniger als zehn Prozent.

Nun steht Martin Fischer mit Ineos Britannia erneut im Challenger-Final, den er vor drei Jahren in Auckland mit Luna Rossa gewonnen hat. Das Boot der Italiener sei äusserst elegant, die Crew segle sehr gut, sagt Fischer. Er glaubt aber nicht, dass das italienische Boot schneller sei als das eigene. Die beiden Steuerleute Jimmy Spithill und Francesco Bruni seien ein gut eingespieltes Team.

Auf dem Boot der Briten steht mit dem Steuermann Ben Ainslie eine Ikone des Segelsports. Er hat die Aufgabe, den America’s Cup nach 173 Jahren zurück nach England zu bringen. Für Fischer wäre schon der Cup- Sieg allein eine riesige Sache. Die historische Dimension würde einen Sieg von Ineos Britannia aber noch aussergewöhnlicher machen.

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