Sonntag, November 24

Wieso im Abstimmungskampf zur 13. AHV-Rente stark voneinander abweichende Altersarmuts-Zahlen verwendet werden.

«Ich nehme die Rente», sagte mein Vater, als er sich vor gut 25 Jahren pensionieren liess. Die Sicherheit war ihm wichtiger als mögliche Renditen und finanzielle Freiheiten. Von Kollegen, welche sich das Pensionskassenvermögen ausbezahlen liessen, wurde er deshalb etwas belächelt.

Jetzt geht es mit den Herren auf die 90 zu. Einigen geht es finanziell noch immer gut. Andere sind knapp bei Kasse und haben neben der AHV kaum noch finanzielle Mittel. Sei es, weil sie ihre Lebensdauer unterschätzt haben oder Pech hatten; sie zählen nun zu den Armen.

In den Armutsstatistiken tauchen allerdings auch Kollegen auf, die fröhlich vom Vermögen leben. Wie viele, wissen wir nicht. Eine Erhebung der Vorsorgevermögen im Rentenalter — zum Beispiel der Kapitalleistungen aus der zweiten und dritten Säule — gibt es nicht. Auch die Erträge der Vermögen werden in den jeweiligen Statistiken nur lückenhaft erfasst.

Wer im Alter als regelmässiges Einkommen nur die AHV hat, fällt deshalb in den meisten Erhebungen unter die definierte Armutsschwelle. Auch dann, wenn genügend Vermögen vorhanden ist, und auch dann, wenn die Person freiwillig auf ein regelmässiges Einkommen aus der zweiten Säule verzichtet zugunsten einer Kapitalauszahlung.

Die OECD geht in ihren Statistiken sogar noch weiter und rechnet nicht einmal die ganze BVG-Rente zu den Sozialversicherungseinkommen.

Kein Wunder also, klaffen die in den Medien präsentierten Zahlen in der Diskussion um die 13. AHV-Rente zu Einkommen und Armutsquoten so weit auseinander. So reichen die publizierten Armutsquoten von rund 8 Prozent der Rentnerinnen und Rentner bis zu fast 20 Prozent.

Ein politisches Spiel

Es gehört zum politischen Spiel, jeweils die Zahlen herauszupicken, welche die eigene Story am besten unterstützen. Doch das Problem liegt tiefer. Es fehlt in der Schweiz ein sinnvolles und einfaches Konzept für die Bestimmung der finanziellen Situation im Alter. Während bei der Erwerbsbevölkerung das Einkommen ein gutes Mass ist zur Bestimmung von Armut und Ungleichheit, stimmt dies nicht mehr bei den Pensionierten.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen liefert mit regelmässigen Publikationen über die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung im Erwerbs- und im Rentenalter ein differenziertes, wenn auch schwierig zu lesendes Bild. Klar ist jedoch: Die Einkommen der älteren Menschen sind deutlich geringer als jene der Erwerbsbevölkerung, in allen Einkommensklassen. Klar ist auch: Dafür sind die Vermögen der Älteren viel höher.

Noch weniger als bei den Jungen sind Vermögen und Einkommen bei den Alten korreliert. Oder in anderen Worten: Es gibt viele ältere Menschen mit geringen Einkommen und hohen Vermögen. Und umgekehrt. Am klarsten ist allerdings: Wie auch immer gemessen wird, die Armutsquote liegt für Rentner tiefer als für junge Familien.

Wer gehört nun zu den Armen und wer zu den Reichen? Hier versagen einfache, allgemeine Regeln. Denn 300 000 Franken (neben der AHV) bedeuten für einen 65-Jährigen viel weniger als für einen 80-Jährigen. Eine Möglichkeit ist, das Vermögen in eine lebenslange Rente umzurechnen. Im obigen Beispiel wären das rund 16 000 Franken jährlich für den 65-Jährigen, aber fast 50 000 Franken jährlich für den 80-Jährigen.

Was Vergleiche schwierig macht

Es geht hier nicht um ein Reich-Rechnen. Müssten die 300 000 Franken des 65-Jährigen für den Paarhaushalt reichen, zählte das Paar auch mit einer Anrechnung des Vermögens zu den armutsgefährdeten Haushalten.

Nicht nur die Vermögen, auch die unterschiedlichen Kostenstrukturen erschweren einen Vergleich zwischen Alt und Jung. Die Berufskosten fallen im Alter weg, dafür steigen die Gesundheitsausgaben. Hohe Pflegekosten sind noch immer ein Hauptgrund dafür, dass Menschen auf Ergänzungsleistungen zur AHV angewiesen sind.

Das Fehlen simpler Kennzahlen zur finanziellen Situation älterer Menschen ist allerdings ein schlechter Grund für eine Giesskannenlösung im Sinne einer 13. AHV-Rente für alle. Vermögen, Krankheitskosten, Lebenssituation – also genau die Faktoren, die in der politischen Diskussion meist untergehen – werden schon heute berücksichtigt: bei der Bemessung der Ergänzungsleistungen nämlich.

Eine massgeschneiderte Unterstützung älterer Menschen in schwierigen Verhältnissen – Vaters Kollegen, die Pech hatten, zum Beispiel – bietet nicht nur eine hohe Zielgenauigkeit. Sie schont auch die Jungen. Wie heisst es doch so schön auf der SP-Website: «Wir müssen auch für die kommenden Generationen Sorge (zu den Lebensgrundlagen) tragen.»

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