Mittwoch, April 2

Aus Angst vor einer übermässigen Erbschaftssteuer machen Vermögende einen Bogen um die Schweiz.

Wie vermarktet man eigentlich eine Wirtschaftsregion? Nun, im Grundsatz nicht anders als eine Luxus-Uhr oder eine Kaffeemarke: mit klingenden Namen. Was Gisele Bündchen für IWC ist oder George Clooney für Nespresso, das sind Google, Microsoft, Meta, Nvidia und Disney für die Greater Zurich Area: Imageträger, die man weltweit kennt.

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All diese Unternehmen haben sich in den letzten Jahren im Grossraum Zürich niedergelassen. Ihrem Exempel sind Firmen gefolgt, die vielleicht nur Insidern ein Begriff sind, die für die Region aber viel Potenzial versprechen. Etwa der Roboterhersteller Estun aus China oder das Weltraumunternehmen Starlab Space, an dem Airbus beteiligt ist.

Diese zwei gehören zu den 91 Unternehmen, die 2024 im Wirtschaftsraum Zürich angesiedelt wurden, nach 89 Firmen im Jahr davor. Rein quantitativ können die Standortvermarkter der GZA nicht an ihre besten Jahre anknüpfen. Noch 2021 fanden fast 130 angesiedelte Unternehmen den Weg in den Grossraum Zürich.

Wichtiger als diese nackte Zahl ist für die GZA aber, dass die richtigen Unternehmen kommen. Nicht zuletzt auf Druck von Geldgebern wie der Stadt und dem Kanton Zürich fliessen seit dem letzten Jahr auch ökologische und soziale Kriterien in die Bewertung von Ansiedlungsprojekten ein.

Speziell attraktiv ist die Region für eine wachsende Zahl von Tech-Unternehmen. Gerade im Robotik- und AI-Bereich kann der Grossraum Zürich punkten. Unternehmen wie der Open-AI-Konkurrent Anthropic suchen hier die Nähe zur ETH, zu Mitbewerbern – und zu talentierten Köpfen. «Unsere Region zieht Unternehmen in allen Entwicklungsphasen an, von vielversprechenden Neugründungen bis hin zu internationalen Expansionen», sagt Lukas Huber, der Geschäftsführer der GZA.

Die Schweiz ist für KI-Chips nur ein B-Land

Die Frage ist, wie lange die Party noch dauert. Weil der Wirtschaftsraum Zürich sich weltweit positioniert, ist er auch von globalen Entwicklungen betroffen. Etwa vom Kurs der amerikanischen Regierung unter Donald Trump. Seine Strafzölle auf Importe sind ein starker Anreiz für internationale Konzerne, ihre Kapazitäten vermehrt in den USA aufzubauen.

Balz Hösly, der Präsident der Greater Zurich Area, glaubt nicht, dass diese Entwicklung dem Wirtschaftsraum Zürich schaden muss. «Ein globales Technologieunternehmen, egal ob aus den USA oder China, braucht immer mindestens drei Standorte: einen in Amerika, einen in Asien und einen in Europa», sagt er. Daran habe sich mit den Strafzöllen nichts geändert.

Zu schaffen machen könnte dem Standort ein anderes Problem, das aber eine Altlast der Biden-Regierung ist: Die USA haben Exportkontrollen für KI-Chips erlassen, und die Schweiz gehört nicht zu den Ländern, welche einen unbegrenzten Zugang zu solchen KI-Komponenten erhalten sollen.

Wie die Einschränkungen genau umgesetzt werden sollen, ist aber noch offen. Denkbar ist etwa, dass amerikanische Unternehmen und ihre Standorte in der Schweiz davon nicht betroffen sind. «Zürich ist einer der drei führenden KI-Standorte weltweit, und eine solche Entwicklung könnte die Entwicklung sehr stark einschränken», sagt Hösly.

Kritische Stimmen aus der Aargauer FDP

Auch innenpolitisch gibt es Entwicklungen, welche die GZA in den nächsten Jahren prägen werden. So überlegt sich der Kanton Aargau, der Organisation beizutreten. Der Kanton war bis 2010 probeweise dabei gewesen, er entschied sich aber damals gegen eine Verlängerung. Jetzt läuft eine Vernehmlassung über den Wiedereintritt.

Als die Aargauer Kantonsregierung im Januar die Beitrittsambitionen publik machte, waren die ersten Reaktionen negativ. Ausgerechnet aus bürgerlichen Kreisen gab es Kritik. Das ist deshalb bemerkenswert, weil es im Kanton Zürich stets die linke Seite ist, welche die GZA infrage stellt.

Die Aargauer SVP sprach im Januar gegenüber CH Media von einer Geldverschwendung; die FDP sagte, der Aargau sei 2010 nicht ohne Grund aus der GZA ausgetreten.

Balz Hösly denkt, dass diese ersten Reaktionen noch von der alten Ausrichtung der GZA geprägt waren. Die Organisation habe sich markant weiterentwickelt, nicht zuletzt auch als Reaktion auf den damaligen Austritt des Aargaus. Sie verfolge grundsätzlich andere Ziele als früher.

Dies sagt auch die Aargauer Regierung. Es gehe der GZA nicht mehr darum, in erster Linie Unternehmen anzulocken, die ihre Steuern optimieren wollten. Das wäre für den Aargau zu wenig interessant gewesen. Im Vordergrund stehe nun, Unternehmen mit hoher Wertschöpfung, guten Arbeitsplätzen und innovativen Produkten anzuziehen.

Während der Aargau über einen Beitritt zur GZA nachdenkt, gibt es einen Kanton weiter westlich gegenteilige Bestrebungen: Der Kanton Solothurn diskutiert über einen Austritt. Der Kanton muss sparen, und ein Abschied von der GZA ist eine der vielen Sparideen, die auf dem Tisch liegen. Rund 140 000 Franken jährlich würde der Kanton weniger ausgeben, wenn er nicht mehr Mitglied wäre.

«Es handelt sich erst einmal um eine Auslegeordnung, wo überhaupt gespart werden könnte. Entschieden ist deshalb noch nichts», sagt Balz Hösly. «Ein Austritt wurde weder vertieft diskutiert noch beschlossen.» Solothurn habe mit der Greater Zurich Area durchaus profitiert, der Kanton habe seine Beiträge für die GZA für viele Jahre mehr als herausgeholt.

Der Kanton Solothurn bestätigt auf NZZ-Anfrage, dass man noch am Abklären sei. Dabei berücksichtige man auch, dass der Kanton Aargau der GZA möglicherweise wieder beitreten werde. Sprich: Wenn der Aargau kommt, dann bleibt Solothurn vielleicht drin.

Schädliche Juso-Initiative

Im Auge behält die GZA ausserdem die Erbschaftssteuerinitiative der Juso. Diese verlangt, dass Vermögen von über 50 Millionen Franken mit einer Steuer von 50 Prozent belegt werden. Obwohl das Risiko klein ist, dass die Initiative angenommen wird, überlegen sich Schweizer Familienunternehmen einen Umzug ins Ausland.

Bei den Zuzügen wiederum, also in dem Gebiet, in dem die GZA tätig ist, herrscht Zurückhaltung. Obwohl sie noch nicht zur Abstimmung gelangt ist, habe die Initiative die Schweiz schon Milliarden gekostet, sagt Balz Hösly.

Denn eigentlich wären die internationalen Voraussetzungen für Zürich derzeit günstig. In Ländern wie Grossbritannien und Norwegen herrscht ein zunehmend ungemütliches Steuerklima für Vermögende. Wer kann, zieht mit seinem Vermögen und seinem Unternehmen in angenehmere Tax-Gefilde.

Die stabile und steuergünstige Schweiz wäre früher ein naheliegendes Ziel für die Auswanderer gewesen, doch für viele komme das Alpenland wegen der drohenden Juso-Initiative nicht infrage, sagt der GZA-Präsident. Einige sehr Reiche sind zwar dennoch in die Schweiz gezogen, viele andere aber haben Italien oder Griechenland gewählt, Singapur oder Dubai.

«Eine Annahme der Initiative wäre für den Wirtschaftsraum Zürich eine echte Katastrophe», sagt Hösly. «Ein Ja ist zwar sehr unwahrscheinlich, es würde aber den Wirtschaftsraum Zürich massiv betreffen. Hier gibt es die grösste Ansammlung von Familien-KMU, die von der Erbschaftssteuer direkt tangiert würden.»

Die Juso-Initiative kommt möglicherweise noch dieses Jahr zur Abstimmung.

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