Freitag, April 25

Ein Jahrhundertunwetter an der Nordsee bedroht das Dorf. Aber der Stammtisch ist unbeeindruckt und der Bürgermeister sagt: «Ich glaub das alles gar nicht.» In «Die Flut – Tod am Deich» sind die Menschen wie aus Schlick gespachtelt.

Das nennt man dann wohl grünes Product-Placement. Im ARD-Film «Die Flut» sagt der Deichgraf: «Du hast doch auch schon mal vom Klimawandel gehört. Der Meeresspiegel steigt, und die Stürme werden heftiger.» Ausgedacht hat sich diesen Deichgrafen niemand Geringerer als Robert Habeck von den Grünen, jetzt deutscher Vizekanzler und Wirtschaftsminister. Früher allerdings einmal Literaturwissenschaftsstudent und Romanschreiber. Gemeinsam mit seiner Frau Andrea Paluch. Etwas verschämt verschweigt der öffentlichrechtliche Sender den ursprünglichen Autor auf der offiziellen Site zum Film. Der läuft am Samstag zur besten Sendezeit, und es geht darin laut Ankündigung um «düstere Familiengeheimnisse».

Ausser für die ARD ist die Sache mit Habeck eigentlich kein grosses Geheimnis. 2001 erschien der Roman «Hauke Haiens Tod». Die Novelle «Der Schimmelreiter» von Theodor Storm war Anlass für Brainstorm im Hause Habeck/Paluch gewesen. Wie die Sache mit dem starrsinnigen Deichgrafen und der Naturkatastrophe fortschreiben bis in die Gegenwart? Das Film gewordene Ergebnis sieht man jetzt und kann es auch ein bisschen als Selbstporträt grüner Politik betrachten. Vision und Kurzsichtigkeit haben im fast zweistündigen, ziemlich menschelnden Melodram ihren Platz.

Gegenspieler sind «reaktionäre Idioten»

In «Die Flut – Tod am Deich» ist Storms Geschichte vom Schimmelreiter ins Jahr 2007 verlegt. Ein Jahrhundertunwetter an der Nordsee bedroht das Dorf Stegebüll. Der dortige Stammtisch hält nichts vom modernen Schöpfwerk, das der eigensinnige Deichgraf zum Schutz des Dorfs hat bauen lassen. Über den Klimawandel sagt der Bürgermeister: «Ich glaub das alles gar nicht.» Der Deichgraf beschimpft seine Gegenspieler als «reaktionäre Idioten».

Ganz nach deutscher Fernsehfilmmanier hat der Regisseur Andreas Prochaska die Geschichte in eine ästhetische Kitschlawine eingesponnen. Wird es bittersüss zwischen den Figuren, versinkt die Sonne malerisch hinterm Watt. Droht Gewalt, verfinstert sich der Himmel, und die Musik geigt ein kräftiges Crescendo dazu.

In «Die Flut – Tod am Deich» wirken die Menschen wie aus Schlick gespachtelt. Das gilt vor allem für die grobianischen Kontrahenten, Hauke Haien (Detlev Buck als Deichgraf) und den Bürgermeister, gespielt von Sascha Geršak. Dreh- und Angelpunkt des Romans von Robert Habeck und Andrea Paluch ist die Tochter des Deichgrafen, Wienke Haien. Bei Storm ist auch sie in den Fluten umgekommen, hier hat sie überlebt.

ARD-typisches Happy End

Aus einem Hamburger Heim kommt das Mädchen, das im autistischen Spektrum ist, nach Stegebüll zurück, um zu erfahren, was 2007 wirklich geschehen ist. Wie genau ihre Eltern bei der Sturmflut zu Tode gekommen sind. Wir sind jetzt in der Gegenwart und in einer Welt, über deren Schlechtigkeit die von Philine Schmölzer ausreichend zerbrechlich gespielte junge Frau nur staunen kann. Nach und nach klären sich die Hintergründe. Die vorübergehende Gemütsverfinsterung löst sich allerdings in einem ARD-typischen Happy End auf. Wienke Haien kommt mit einem Postboten zusammen, der am liebsten Postbotenwitze erzählt, und übernimmt mit ihm wieder den Hof der Eltern.

Als der Roman «Hauke Haiens Tod» 2001 erschien, schrieb die FAZ: «Mit ihrer cleveren Romanidee haben sich die Debütanten Andrea Paluch und Robert Habeck einige Aufmerksamkeit gesichert.» Die «Süddeutsche Zeitung» hatte einen Vorschlag zur weiteren Aufmerksamkeitssicherung. Man solle das Buch doch verfilmen, und zwar am besten für den Privatfernsehsender RTL 2. Das wäre vielleicht auch heute die sauberste Lösung gewesen.

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