Donnerstag, November 28

Die Gebühren sollen flächendeckend kommen und zwischen 50 und 200 Franken betragen – pro Person.

Das Restaurant Weisses Rössli am Waffenplatz im Zürcher Kreis 2 ist eine Quartierbeiz mit besonderen Ambitionen: Man wolle hier eine möglichst breite Klientel möglichst hochwertig verpflegen, erklärt der Geschäftsführer Lars Müller. Im September 2023 hat er deshalb den Küchenchef Ivan Capo verpflichtet, der früher unter anderem im «Dolder» tätig war.

Der bekannte Name und die Bemühungen zahlen sich aus: Ohne Reservation ist im «Weissen Rössli» meistens nur schwer ein Platz zu bekommen.

Doch mit den Reservationen war es beim «Weissen Rössli» lange so eine Sache. Immer mehr Gäste, die sich einige Tage im Voraus angemeldet hatten, waren auf einmal nicht mehr zu erreichen, die reservierten Tische blieben leer. Für das Restaurant gingen die versäumten Absagen ins Geld. Lars Müller rechnet vor: «Wir haben an 14 Tischen Platz für 24 bis 40 Personen. Wenn ein Vierertisch leer bleibt, bedeutet das also einen Umsatzverlust von mindestens 10 Prozent.»

Anfänglich habe man versucht, die Einbussen, die durch diese No-Shows entstanden, durch persönliche Nachfragen bei den Gästen einzugrenzen. Aber jeden Mittag für jede einzelne Reservation am Abend eine Bestätigung einzuholen, das kostet Zeit und Energie.

Deshalb setzt man nun auf eine Praxis, die in Zürich immer häufiger wird: Wer einen Tisch reserviert und dann nicht auftaucht, zahlt eine Gebühr von 60 Franken pro Person.

Der Verband will die Massnahme flächendeckend einführen

Zahlen für einen Tisch, an dem man weder gesessen noch gegessen hat? Marc Blickenstorfer vom Verband Gastro Stadt Zürich verteidigt dies. Der städtischen Gastronomie gehe es nach der Pandemie und dem schlechten Sommer ohnehin nicht besonders gut. Es sei deshalb notwendig, «die Wirtschaftlichkeit zu verbessern», wo es nur gehe. Und dazu gehöre auch die Verhinderung von No-Shows.

Die neue Praxis soll nach und nach in allen Betrieben der Stadt eingeführt werden. In einem Newsletter an seine Mitglieder gibt der Vorstand von Gastro Stadt Zürich Empfehlungen ab, wie die Storno-Gebühren gehandhabt werden sollen. Demnach soll generell eine Absagefrist von 24 Stunden gelten. Wer diese bei Reservationen am Abend nicht einhält, soll eine Gebühr von 50 Franken entrichten müssen – wenn für sechs Personen oder mehr reserviert wurde.

Florian Weber ist Co-Geschäftsführer der Pumpstation Gastro GmbH. Zusammen mit Michel Péclard führt er Betriebe wie das «Coco», «Fischers Fritz» oder die «Milchbar». Dort habe man bereits ähnliche Regelungen eingeführt, sagt Weber. Er erklärt: «Es gibt Leute, die reservieren an drei oder vier Orten und entscheiden sich erst im letzten Moment, wo sie hinwollen. Das ist eine Saumode, gegen die wir etwas tun müssen.»

Früher sei an schlechten Tagen bloss die Hälfte der angemeldeten Personen auch wirklich erschienen. Viele der Tische seien daraufhin leer geblieben, weil sie spontan nicht besetzt werden könnten. Dies habe das Unternehmen jedes Jahr Hunderttausende von Franken gekostet. Heute muss man in den Péclard-Restaurants deshalb wie im «Weissen Rössli» eine Kreditkarte hinterlegen – wer nicht kommt, zahlt 50 Franken pro Person. Teurer wird es beispielsweise im Restaurant des Nobelhotels Widder. Dort beträgt die No-Show-Gebühr 200 Franken pro Person.

Die Gebühren werden fast nie eingezogen

Weber findet, dass solche Massnahmen längst überfällig gewesen seien. Er zieht Vergleiche mit anderen Branchen: Bei manchen Zahnärzten gebe es eine Gebühr für verpasste Termine, da beschwere sich auch niemand. Und Konzertkarten würden einem auch nicht rückerstattet, wenn man das Konzert sausen lasse. «Es ist Zeit, dass wir mehr Verbindlichkeit für unsere Angebote einfordern», sagt Weber.

Bei der Gebühr gehe es denn auch nicht ums Geld, sondern um einen «erzieherischen» Effekt, sagt Weber. Alle Restaurants der Pumpstation Gastro GmbH hätten mit den Gebühren nur ein paar hundert Franken eingenommen. Aber sie verzeichneten nun praktisch keine No-Shows mehr, weil alle Verhinderten sich abmeldeten und damit auch um die Gebühr herumkämen. Im «Weissen Rössli» sind die Erfahrungen ähnlich, wie Lars Müller bestätigt.

Sogar wenn jemand sehr kurzfristig absage, drücke man lieber ein Auge zu, als auf der Gebühr zu beharren. «Ich verstehe, wenn jemandem etwas dazwischenkommt, und will niemanden bestrafen. Aber ich möchte ordentlich planen können», sagt Müller. Es sei erst zwei- oder dreimal vorgekommen, dass man tatsächlich Geld von einer Kreditkarte abgebucht habe. Auch im «Weissen Rössli» erschienen heute praktisch alle, die eine Reservation hätten.

Für manche geht es ums nackte Überleben

Woher die mangelnde Verbindlichkeit im Gastgewerbe rührt, kann auch Olaf Kunz nicht sagen. Aber er schätzt sie als eine der grössten Schwierigkeiten der Branche ein. Kunz ist Marketingverantwortlicher für das Zürcher Unternehmen Aleno. Dieses vertreibt eine Software für das Gastgewerbe, mit der unter anderem Online-Reservationen erfasst werden können. Das Programm fragt auf Wunsch auch gleich die Kreditkarte der Gäste ab.

Kunz betont: «Bloss zwei von fünf Schweizer Gastrobetrieben sind rentabel.» Gerade für Restaurants, die nicht so gut liefen, gehe es bei den No-Shows also um die schiere Existenz des Geschäfts. Aus diesem Grund hat Aleno in den letzten Jahren mit verschiedenen Gastronomen Massnahmen erarbeitet, die missbräuchliche Reservationen verhindern sollen.

Der einfachste Ansatz sei eine aktivere Kommunikation mit den Gästen, sagt Kunz. Wer an einem Freitag einen Tisch reserviert hat, bekommt dann zum Beispiel am Donnerstagmorgen eine automatische Erinnerung per E-Mail und am Freitagmittag noch einmal eine per SMS.

Noch grösser ist die Verbindlichkeit nur dann, wenn das Restaurant bei der Reservation eine Kreditkarte verlangt. Erstaunlicherweise scheinen die meisten Gäste damit kein Problem zu haben: In einer Studie, die Aleno letztes Jahr unter 633 Teilnehmern durchgeführt hat, gaben 80 Prozent der Befragten an, mit der Abfrage der Kreditkarte und einer No-Show-Gebühr einverstanden zu sein.

Im «Weissen Rössli» sei die Akzeptanz bis jetzt nicht ganz so hoch, sagt Lars Müller. Vor allem ältere Leute verstünden manchmal nicht, warum sie eine Kreditkarte angeben sollten, bevor sie einen Fuss ins Lokal gesetzt hätten: «Es ist ein schmaler Grat zwischen einem vollen Restaurant und konsternierten Gästen, die dann anderswo reservieren.»

Mancherorts ist Vorauszahlung Pflicht

Damit auch Gäste ohne Kreditkarte kommen können, gilt die Regel mit der Kreditkarte und der Gebühr im «Weissen Rössli» nur in den umsatzstarken Wintermonaten und selbst dann nur am Wochenende.

Bei jüngerer Klientel sei die Akzeptanz dagegen sehr hoch, sagt Müller. Viele von ihnen kennten ähnliche Modelle bereits aus dem Ausland oder aus der Spitzengastronomie, erklärt Olaf Kunz. In Lokalen wie Daniel Humms «Eleven Madison Park» in New York oder im «The Restaurant» im Zürcher «Dolder» müssen das Menu und die Weinbegleitung für 500 Franken und mehr pro Person sogar komplett im Voraus bezahlt werden. Rückerstattung ausgeschlossen.

Derlei ist im «Weissen Rössli» im Zürcher Kreis 2 kein Thema: «Wir wollen eine Quartierbeiz bleiben. Jeder soll zu uns kommen und vor Ort entscheiden können, was er essen und wie viel er ausgeben möchte», sagt Müller. Auch die Péclard-Betriebe würden in absehbarer Zeit nicht auf Vorauszahlung setzen, sagt Florian Weber. Das sei weder praktisch noch nötig.

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