Unter Brancheninsidern gilt Louise Trotter als grosses Talent. Einem breiteren Publikum wird sie nun bekannt werden. Zumal sie jetzt die einzige weibliche Kreativdirektorin im Kering-Konzern ist.

Bei der Aufregung um die Ernennung des neuen Chanel-Chefdesigners Matthieu Blazy ging diese Personalie fast ein wenig unter: Louise Trotter wird Kreativdirektorin von Bottega Veneta und ist damit die erste Frau, die es nach vielen Jahren wieder an die Spitze eines italienischen Modehauses geschafft hat. Bei Bottega Veneta ist sie die erste weibliche Chefdesignerin überhaupt und derzeit die einzige unter den Marken der Kering-Gruppe, zu der auch Saint Laurent, Alexander McQueen, Balenciaga und Gucci gehören.

Das ist keine Kleinigkeit. Wenn es um die Führungspositionen in den Kreativteams der Luxusmarken geht, stellen Frauen immer noch eine Minderheit dar. Gerade in Italien schien man daran wenig ändern zu wollen – als in den vergangenen Jahren Stellen bei Etro, Valentino, Gucci, Missoni oder Tod’s frei wurden, setzte man stets Männer dorthin. Louise Trotter, die in der Branche einen guten Namen hat, aber einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt ist, führt nun mit Bottega Veneta eine der renommiertesten italienischen Luxusmarken überhaupt.

Ein Händchen für Looks, die man wirklich tragen will

Die 55-Jährige hatte viel Zeit, sich darauf vorzubereiten. Trotter stammt aus dem nördlichen Sunderland in Grossbritannien, sie studierte in Newcastle und startete ihre Karriere bei der britischen High-Street-Modekette Whistles. Ihr Weg führte sie lange von einer grossen, aber eher Mainstream-freundlichen Marke zur nächsten, von Gap zu Calvin Klein zu Tommy Hilfiger, und im Jahr 2007 zu Jigsaw. 2009 wurde sie zur Chefdesignerin der britischen Marke Joseph ernannt, die für durchdachte, minimalistische Mode steht. Da hatte sich längst gezeigt, was Louise Trotter besonders gut kann: Sie versteht das Produkt, den Schnitt, sie hat ein Händchen für Looks, die man wirklich anziehen will, beherrscht die Balance zwischen Image und Verkäuflichkeit.

Bei Joseph machte sie mit tragbaren und eher reduzierten Designs einen ebenso guten Job wie später bei Lacoste mit sportlichen und verspielten Entwürfen. Schliesslich landete sie bei Carven, wo sie zuletzt Kreativdirektorin war. Trotter sorgte dafür, dass aus Carven wieder ein relevanter und spannender Akteur in der Pariser Modeszene wurde, mit einem Mix aus überraschenden Silhouetten, schimmernden Stoffen und Tailoring. Ihre Kollektionen sind nie zu laut, aber raffiniert genug, dass man genau hinschauen will.

Für Carven entwarf Louise Trotter keine lauten, dafür aber raffinierte Looks.

Seit vielen Jahren pendelt die Mutter von drei Kindern zwischen London und Paris. Nun kommt also Mailand dazu. Anders als Matthieu Blazy, ihr Vorgänger, der nun den Topjob bei Chanel bekommen hat, steht Trotter nicht für wilde Materialexperimente. Aber sie versteht Handwerk, die Bedeutung von Stofflichkeit und einem coolen Styling, das Begehren weckt. «Ihre Ästhetik vereint exquisites Design mit exzellentem Handwerk, und ihre Hingabe für kulturelles Engagement fügt sich sehr gut in die Vision unserer Brand», sagte der CEO von Bottega Veneta, Leo Rongone, in der Pressemitteilung zur Ernennung.

Hit-Produkte schaffen und gleichzeitig das Erbe respektieren

Kreativdirektoren müssen heute nicht nur ihr Handwerk beherrschen, sie müssen wissen, wie man ein Label in einen grösseren kulturellen Kontext stellt und inszeniert. Matthieu Blazy machte auch in der Hinsicht einen exzellenten Job, indem er beispielsweise mehrmals mit der im Frühling verstorbenen italienischen Design-Ikone Gaetano Pesce kooperierte oder mit Stars wie dem Rapper A$ap Rocky. Bei der letzten Show des Designers im vergangenen September gingen die wie Tiere gestalteten Sitzkissen viral, auf denen die Gäste sassen. Gerade bei einer grossen Luxusmarke wie Bottega Veneta sind diese Social-Media-getriebenen «Moments» sehr wichtig. Im Kering-Konzern war Bottega Veneta jüngst das einzige Label, das einen Umsatzwachstum verzeichnen konnte.

Gleichzeitig steht das Unternehmen natürlich noch mehr als andere für Handwerk, für Leder, für einen Fokus auf Materialien und italienische Tradition. Louise Trotter muss nun beweisen, dass sie all das sinnvoll vereinen kann und dabei Hit-Produkte erschafft, die die Kunden kaufen wollen. In einem schwierigen Marktumfeld, das Luxusmarken derzeit vor grosse Herausforderungen stellt, wird das wichtiger sein denn je.

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