Dienstag, November 11

Der polarisierende Brexit-Vorkämpfer will es noch einmal wissen und fordert die Tories mit seiner Partei Reform UK ein weiteres Mal direkt heraus.

Dass Nigel Farage bei der Unterhauswahl vom 4. Juli für die Rechtspartei Reform UK antritt, ist eine Kampfansage an die Tory-Partei. Doch kommt der Schritt insofern nicht überraschend, als seine politische Karriere von Anfang an eng mit dem Schicksal der Konservativen Partei verknüpft war. Nach seiner Kindheit in der Grafschaft Kent im Süden Englands arbeitete er zunächst als Broker im Londoner Finanzdistrikt. Bald aber zog es ihn in die Politik. Er trat der Konservativen Partei bei, überwarf sich aber mit den Tories, als John Major 1992 die Maastrichter Verträge der EU unterzeichnete.

Polarisierende Figur

Farage gehörte zu den Gründungsmitgliedern der United Kingdom Independence Party (Ukip) und avancierte zu einer polarisierenden Figur und einem Vorreiter des Brexits. Er kultivierte ein Image als etwas altmodischer Durchschnittsbrite, der gerne bei einem Pint Bier im Pub sitzt. Mit seinem Gespür für Reizthemen und seiner Jovialität erreichte er Wählerschichten, die anderen Politikern verschlossen blieben.

Hemmungslos polemisierte er gegen Aidskranke, Migranten oder Brüsseler Bürokraten. Nach seiner Wahl ins Europaparlament 1999 nutzte er sein Mandat als Plattform für fulminante EU-Kritik. Dem früheren EU-Rats-Präsidenten Herman van Rompuy attestierte er einmal das «Charisma eines feuchten Waschlappens» und die Erscheinung eines «untergeordneten Bankbeamten».

Im Brexit-Abstimmungskampf von 2016 wollten ihn Boris Johnson und dessen Berater Dominic Cummings anfänglich marginalisieren. Sie befürchteten, der Nationalist könnte mit ausländerfeindlicher Rhetorik die ganze Kampagne diskreditieren. Doch dass die britische Bevölkerung knapp für den Brexit stimmte, wurde zum grössten Erfolg in Farages Karriere.

Politischer Überlebenskünstler

2023 häuften sich die Anzeichen, dass Farage ein Comeback suchen könnte. Zunächst zwang er mit einer spektakulären Aktion die Chefin der Bank NatWest zum Rücktritt, nachdem die zu ihrem Konzern gehörende Privatbank Coutts die Kundenbeziehung zu Farage aus politischen Gründen auflösen wollte.

Dann nahm er bei der Reality-TV-Show «I’m a celebrity, get me out of here» teil. Im australischen Dschungel legte er sich in Ameisennester und verspeiste Fischaugen – und machte sich bei jüngeren und apolitischen Britinnen und Briten bekannt.

Am Tag der Unterhauswahl von 2010 wäre die Karriere des politischen Abenteurers beinahe tragisch geendet. Eine Ukip-Fahne verwickelte sich in der Heckflosse seines Kleinflugzeugs, worauf Farage und sein Pilot abstürzten und sich schwer verletzten. Der Vorfall prägte aber auch Farages Image als Überlebenskünstler, den man niemals abschreiben sollte.

Bündnis mit rechtem Tory-Flügel?

Das Mehrheitswahlrecht erschwert es kleinen Parteien, gegen die gut geölten und gut finanzierten Wahlkampfmaschinen der Tories und der Labour-Partei Sitze zu erringen. Dennoch hat Farage intakte Wahlchancen. Sein Wahlkreis Clacton an der englischen Westküste gehört zu den Brexit-Hochburgen und schickte bereits 2015 einen Ukip-Vertreter ins Unterhaus.

Farages erklärtes Ziel ist es, nach einer Machtübernahme von Labour im Juli der Konservativen Partei die Rolle der rechten Opposition streitig zu machen. Seit er im Herbst 2023 bei der Tory-Parteikonferenz in Manchester aufkreuzte, gibt es auch Spekulationen, der Rechtspolitiker könnte zu den Konservativen zurückkehren, deren Vorsitz übernehmen und die Tories als rechtsnationale Kraft neu positionieren.

Mit seiner Kandidatur scheint er aber vor allem darauf zu spekulieren, dass die Tories im Juli eine historische Wahlniederlage einfahren, worauf sich die Partei spalten und sich der rechte Flügel unter dem Dach von Reform UK neu sammeln könnte. Die machtbewussten Konservativen werden nichts unversucht lassen, um solche Untergangsszenarien abzuwenden. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass Nigel Farage in der britischen Politik allen Wahrscheinlichkeiten trotzt.

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