Donnerstag, Januar 30

Liang Wenfeng hat mit seinem Chat-Roboter Deepseek R1 die Karten der KI-Branche neu gemischt. Er ist ein Geek aus der Finanzwelt – und plant Grosses für China.

Deepseek, einem kleinen KI-Forschungslabor aus China, ist ein Coup gelungen. Plötzlich hat die ganze Welt eine chinesische KI-App auf dem Handy installiert. Eine David-gegen-Goliath-Geschichte: David, das ist in dem Fall der gebürtige Chinese Liang Wenfeng, der Deepseek-Gründer.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Anfang des Jahres war Liang ein Unbekannter, selbst in seinem Heimatland. Jetzt ist er ein gefeierter Held, von Patrioten in China sowie von KI-Wissenschaftern und Technologie-Interessierten auf der ganzen Welt.

Doch die Geschichte kann auch düsterer klingen. Es ist die Geschichte einer gezielten chinesischen Attacke gegen die KI-Dominanz der USA, die nicht umsonst am Tag der Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump geschah.

Welche Geschichte stimmt?

Wer verstehen will, was Deepseek ist, welche Ziele das Unternehmen verfolgt, und was Chinas Regierung damit zu tun hat, muss sich den Gründer von Deepseek genauer anschauen. Das ist gar nicht mal so einfach. Liang scheut die Öffentlichkeit.

Ein Geek als Chef

So viel ist bekannt: Liang kam 1985 in Zhanjiang, einer Stadt in der südlichen Provinz Guangdong auf die Welt. Mit 17 Jahren beginnt er sein Studium der Informatik an der Zhejiang Universität in Hangzhou, in der Nähe von Schanghai. Das ist keine renommierte Eliteuniversität, wie etwa die Tsinghua Universität in Peking, sondern eine ganz gewöhnliche.

Inmitten der globalen Finanzkrise 2008 startet er zusammen mit Studienkollegen ein Quant-Fonds-Unternehmen. Sie wollen Marktbewegungen vorhersagen, Unternehmen bewerten und Investment-Entscheidungen treffen, alles mithilfe von mathematischen Modellen. Für China, wo die Finanzmärkte erst in den 2000-er Jahren zunehmend liberalisiert wurden, hatte das Pioniergeist.

Liangs Vorbild ist die amerikanische Hedge-Fonds-Legende Jim Simons, Liang wird Jahre später das Vorwort zu seiner Biografie in der chinesischen Übersetzung schreiben.

2015 kommt sein Durchbruch. Mit 30 Jahren gründet er den Quant-Fonds-Verwalter High-Flyer, wieder zusammen mit einem ehemaligen Studienkollegen. Dieses mal nutzen sie KI für die quantitativen Investmentstrategien, und es läuft.

Und was ist er für ein Chef? Ein ehemaliger Mitarbeiter schrieb einmal im firmeninternen Blog, dass Liang täglich selber programmiere, das unterscheide High-Flyer von anderen Techfirmen. So ist es im beliebten chinesischen Wirtschafts-Blog «Brief vom CEO» zu lesen.

Bald stösst die Firma an ihr erstes grosses Hindernis: Es mangelt an Rechenleistung.

«Ein normales kleines Schwein»

Liang beginnt damit, zwei Supercomputer aufzubauen. Dafür braucht er Tausende von Grafikkarten und Chips. Diese kaufte er unter anderem bei dem amerikanischen Fabrikanten Nvidia. 2021 gehörte High-Flyer nicht nur zu den vier grössten Quant-Fonds-Firmen Chinas, sondern hatten auch mehr Rechenleistung als die meisten Konkurrenten. Die Firma knackte damals die 100-Milliarde-Yuan-Marke von verwaltetem Vermögen als erste quantitative Privat-Equity-Firma Chinas.

Doch der Höhepunkt war bald vorbei. Denn damals beginnen die Funktionäre in Peking den Tech- und Finanzmarkt stärker zu regulieren. Die Quant-Fonds gerieten in Verruf. Nun richtet Liang seinen Fokus vermehrt weg von der Finanzwelt auf KI ganz allgemein. Die Rechenleistung dazu hat er ja – und die finanziellen sowie personellen Ressourcen auch.

Deepseek ist mit 139 Ingenieuren und Forschern klein im Vergleich zu Open AI im Silicon Valley mit 1200. Doch Deepseek ist keine unabhängige kleine Forschungsgruppe. 2023 lanciert Liang Deepseek, und zwar als Projekt eines der grössten und erfolgreichsten Quant-Hedge-Fund Unternehmen Chinas. Geld war für Deepseek nie ein Problem.

Wie gut es High-Flyer ging, zeigt der Spendenausweis aus dem Jahr 2023: laut eigenen Angaben spendete die Firma über Jahre hinweg umgerechnet mehr als 45 Millionen Franken an soziale Organisationen. In China wird spekuliert, dass Liang selber unter dem Pseudonym «ein normales kleines Schwein» im Jahr 2022 satte 17 Millionen Franken an gute Zwecke gespendet haben soll.

Liang selber hat in einem Interview gegenüber der chinesischen Finanz-Online-Zeitschrift «Wave» im Juli 2024 gesagt, die grösste Sorge für Deepseek seien nicht die Finanzierung oder ein mögliches Geschäftsmodell, sondern die amerikanischen Exportbeschränkungen für Hochleistungs-Chips. Wieder ist es die Rechenleistung, die Liang Kopfzerbrechen beschert.

Der Traum von China an der Weltspitze

Das Ziel, das Liang und sein Team verfolgen, ist tatsächlich kein kommerzielles, sondern ein patriotisches. Im Interview mit Wave sagte er, dass der Grund, warum China den USA hinterherhinke, sei, dass es an genuiner Innovation mangele. Das möchte er ändern. Deepseek soll Know-How fördern und eine Kultur, in der Innovationen möglich sind. «Ohne das wird China immer nur ein Nachahmer sein», sagte er gegenüber «Wave».

Liang ist im Kern ein stolzer Chinese. Er möchte der Welt zeigen, dass China mehr als nur ein Trittbrettfahrer ist, sondern Eigenes erschaffen kann. Er will China an die technologische Spitze führen.

Sein Ziel deckt sich mit jenem der Regierung in Peking. Diese haben ihn am 20. Januar eingeladen, zu einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten Li Qiang und Vertretern aus anderen Industrien. Das bescherte Liang Wenfeng ein paar Sekunden in den Abendnachrichten im staatlichen Fernsehen. Und es deutet darauf hin, dass Liang nun eindeutig die Aufmerksamkeit der Regierung geniesst – und vielleicht auch deren Unterstützung und Einmischung.

中共中央政治局召开会议 中共中央总书记习近平主持会议 | CCTV「新闻联播」20250120

Exit mobile version