Anpassung war nicht seine Sache, und England strafte ihn dafür: Die Zeit, da Edward Bond die Londoner Bühnen offenstanden, liegt einige Jahrzehnte zurück. Dennoch behauptete er sich als prägende Gestalt der britischen Theaterszene.
Edward Bond gehörte zu den wichtigsten Dramatikern der englischen Gegenwartsliteratur. Er galt auch als einer der kompromisslosesten und scheute keinen Theater-Schock. Der Inhalt seiner Stücke war unbequem, oft erschreckend. «Ich glaube, dass das Drama Dinge zum Extrem treiben muss, damit wir verstehen, was wir in unserer Gesellschaft tun», fand er.
Der 1934 geborene Autor wurde 1965 mit seinem Stück «Saved», das am Royal Court Theatre uraufgeführt wurde, berühmt und berüchtigt. Wegen einer Szene wurde es vorübergehend gleich zensuriert: Ein Baby im Kinderwagen wird von einer Gruppe junger Leute aus blosser Langeweile, aus willkürlicher Grausamkeit gesteinigt.
Bond wollte damit auf die Verrohung der Gesellschaft weisen. In einem Leserbrief an den «Observer» verteidigte ihn damals der Schauspielkönig Laurence Olivier. «Saved» sei kein Stück für Kinder, sondern für Erwachsene, «und die Erwachsenen in diesem Land sollten den Mut haben, es sich anzusehen».
Optimist trotz allem
Der Fall trug drei Jahre später zur Abschaffung der Theaterzensur in Grossbritannien bei. 1984 erlebte «Saved» wiederum am Royal Court Theatre ein Revival in der Inszenierung von Danny Boyle. 1967 führte Peter Stein es in München auf, die Produktion galt als Meilenstein.
Auch für den Nachfolger von «Saved», das satirische Traumspiel «Early Morning» (1968), liess sich Edward Bond einiges einfallen. Er dichtete Queen Victoria eine lesbische Affäre mit Florence Nightingale an; am Ende fressen sich die beiden in einem Akt von Kannibalismus auf.
Um ein weniger provokatives, aber abermals vieldiskutiertes Theaterwerk handelt es sich auch bei «The Sea», das 1973 in London uraufgeführt und 1991 im National Theatre in einer Inszenierung von Sam Mendes wiederbelebt wurde. Es geht um eine Dorfgemeinschaft am Meer, die unwissentlich das eigene Ende herbeiführt. Denn wie immer bei Bond ist hier jeder im Krieg mit jedem.
«The Sea» bezeichnete Bond selbst typischerweise als Komödie. Denn trotz aller Gewalt und Düsterkeit in seinen Stücken beharrte er auf seinem Optimismus. Wer verzweifle, sagte er, solle aufhören zu schreiben. Shakespeare und das griechische Theater gehörten zu den Impulsgebern seines Werks, davon zeugten eine eigenwillige «Lear»-Bearbeitung (1971) und das Stück «Restauration» (1981), in denen er jeweils die Probleme von Gesellschaft und Individuum zu verbinden suchte.
Auch in die Filmgeschichte schrieb Bond sich ein. Mit Michelangelo Antonioni arbeitete er 1967 am Drehbuch von «Blow Up», einem Kultfilm des Swinging London. Weitere Drehbücher verfasste er für Tony Richardson (die Nabokov-Adaptation «Laughter in the Dark», 1969) und Nicholas Roeg («Walkabout», 1971). Zusammen mit dem Komponisten Hans Werner Henze schuf er die Opern «We Come to the River» (1976), «The English Cat» (1983) und das Ballett «Orpheus» (1981).
In den sechziger und siebziger Jahren gehörte Bond zu den anerkannten Theaterautoritäten in Grossbritannien. Seit den achtziger Jahren aber wurden seine neuen Werke eher in der Provinz oder im Ausland uraufgeführt. In England hatte sich Bond unterdessen mit den führenden Häusern wie dem National Theatre und dem Royal Court Theatre überworfen. Dafür erwies sich nun Frankreichs Liebe zu ihm als anhaltend und tragfähig.
Zu ernst fürs eigene Land
Edward Bond, der am Sonntag, 3. März, verstorben ist, war nicht nur einer der bedeutendsten Bühnendichter seines Landes, er war auch einer der schwierigsten. Wie alle schwierigen Menschen stritt er das ab. Wer in seinem Heimatland eines seiner Dramen inszenierte, konnte sich auf etwas gefasst machen. Er sagte den Regisseuren klipp und klar, was er von ihren Einfällen hielt, und die wurden darüber oft «sehr, sehr wütend», wie Bond feststellte.
Mehrfach verliess er Aufführungen der eigenen Stücke. Angeblich, weil er die Inszenierungen zu langweilig fand. Einmal verfolgte ihn einer der düpierten Regisseure auf der Autobahn, um den Kompromisslosen zur Rückkehr zu bewegen, doch vergebens.
Obwohl Bond eine Zeitlang in England aus der Mode gekommen war, blieb sein Einfluss auf jüngere Dramatiker spürbar. Sarah Kane und Mark Ravenhill beriefen sich auf ihn als Vorbild. Mark Ravenhill schrieb 2006 in der Tageszeitung «The Guardian», dass die Zeitzeugnisse von Bonds Stücken – «lustlose Jugend, unverbindlicher Sex und willkürliche Gewaltakte» – ihre Aktualität nie verloren hätten. Aber Bond sei England zu ernst. Bei ihm warte man vergeblich auf ein Augenzwinkern, das den Ernst der Sache herunterspiele – eine Haltung, die beim englischen Publikum besonders gefragt ist. «Da ist nie ein Hauch von Boulevard in seinen Stücken», meinte Ravenhill, «und das ist in Grossbritannien oft unverzeihlich.»