Mittwoch, Oktober 9

Seit der Met Gala kursieren in den sozialen Netzwerken Listen mit Prominenten und Influencern, die man blockieren soll. Ihnen wird vorgeworfen, sich nicht oder zu selten für Palästina (und gegen Israel) einzusetzen.

Die Spendengala des Metropolitan Museum in New York gehört zu den exklusivsten Anlässen weltweit. Wer teilnehmen will, braucht ein 75 000 Dollar teures Ticket – und eine extravagante Abendgarderobe. Der Auftritt der Schönen und Reichen auf dem roten Teppich wird live übertragen und eifrig diskutiert.

Es war dieses Jahr nicht das Einzige, was diskutiert wurde. In den sozialen Netzwerken formierte sich eine propalästinensische Protestbewegung, die die Met Gala für ihre Zwecke zu instrumentalisieren versuchte. Unter Hashtags wie #CelebrityBlocklist oder #Blockout2024 kursieren seitdem Listen von Prominenten, die es zu boykottieren gelte.

Auslöser war ein Tiktok-Video der amerikanischen Influencerin Haley Kalil, die als Moderatorin für einen Anlass im Vorfeld der Gala engagiert worden war. Im Video präsentiert sie sich in einem aufwendig gestalteten Blumenkleid mit Kopfschmuck, während im Hintergrund der Satz «Let them eat cake» («Sollen sie doch Kuchen essen») eingespielt wird.

Beliebter Tiktok-Spruch wird zum Auslöser

Die Tonspur taucht immer wieder in Videos auf Tiktok auf. Sie stammt aus dem Spielfilm «Marie Antoinette» von 2006 über die französische Königin aus dem 18. Jahrhundert. Der Satz, von dem nicht klar ist, ob ihn Marie Antoinette tatsächlich gesagt hat, steht gemeinhin für eine realitätsferne Oberschicht, der die Probleme der anderen Leute egal sind. In den Kommentaren zum Video wird Kalil und vielen weit prominenteren Gästen der Met Gala vorgeworfen, ihren Elitismus und Reichtum zur Schau zu stellen und das Leid auf der Welt zu ignorieren. In den Augen propalästinensischer Aktivisten konkret: das Leid im Gazastreifen.

Denn während in New York die Met Gala über die Bühne ging, rückte die israelische Armee auf Rafah vor und forderte die Bewohner auf, das Gebiet zu verlassen. Obwohl sich die Promis keineswegs politisch äusserten, wurden sie von propalästinensischen Aktivisten kritisiert. Sie zogen Parallelen zu «Die Tribute von Panem», einer Dystopie, in der die Reichen sich zurücklehnen, während der Rest um Leben und Tod kämpft.

Eine «digitale Guillotine»

Das Ziel der Boykottaufrufe ist es, Prominente und Influencer an den Pranger zu stellen, die nicht für Palästina (und gegen Israel) Partei ergreifen. Indem ihre Accounts in den sozialen Netzwerken blockiert werden, sollen sie Reichweite und damit ihre Werbeeinnahmen verlieren. Es ist, in Anlehnung an die Zeit von Marie Antoinette, von einer «digitalen Guillotine» die Rede, die die Stars von ihren Fans trennen soll.

Die Boykottlisten, millionenfach aufgerufen, sind scheinbar wahllos zusammengestellt und enthalten Namen wie Zendaya, Kim Kardashian, Selena Gomez oder Taylor Swift. Ihnen wird vorgeworfen, das Vorgehen Israels – das oft ohne Beleg als Genozid bezeichnet wird – nicht ausreichend, gar nicht oder schon lange nicht mehr verurteilt zu haben. Keine Rolle spielt offenbar, wie und ob sich die Personen zum Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober positioniert haben.

Auch im deutschsprachigen Raum kursieren Listen mit Stars, die es zu blockieren gelte. Darauf sind Prominente wie Rezo, Leni Klum oder Elyas M’Barek zu finden.

Die Protestaktion ist ein Beispiel dafür, wie auf sozialen Netzwerken seit dem Angriff der Hamas um die Deutungshoheit im Konflikt gekämpft wird. Oft bleibt es bei falschen oder verkürzten Darstellungen. Bei Personen – vor allem Jugendlichen –, die Nachrichten nur über Apps wie Tiktok konsumieren, entsteht so eine verzerrte Wahrnehmung des Konflikts.

Druck vor allem auf kleine Accounts

In den Kommentaren zu den Videos mit den Block-Listen gibt es auch Kritik an der Aktion. Der Protest sei nicht zielgerichtet und verstelle den Blick auf das Leid der Bevölkerung in Gaza. Stattdessen gelte die Aufmerksamkeit ganz den Prominenten. Den Erstellern der Listen wird zudem vorgeworfen, damit selbst Hass und Hetze zu verbreiten.

Unklar ist, wie erfolgreich der Aufruf zum Boykott ist. Tatsächlich hat etwa Taylor Swift in der Woche nach der Met Gala auf Tiktok Hunderttausende von Followern verloren. Bei einer Anzahl von über 33 Millionen Fans fällt das jedoch nicht ins Gewicht.

Für weniger berühmte Influencer wie Kalil mit «nur» 10 Millionen Fans, die vor allem über soziale Netzwerke ein Einkommen erzielen, sind die Konsequenzen grösser. Sie hat das Video inzwischen gelöscht und sich entschuldigt. Sie sagte, sie wisse zu wenig über den Konflikt im Gazastreifen, um sich dazu zu äussern.

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