Schafft es die Mitte-Partei nicht, der Bundesversammlung eine Auswahl an geeigneten Bundesratsanwärtern zu präsentieren, droht eine wilde Wahl. Ein Einerticket mit Markus Ritter oder ein Zweierticket mit Ritter und einem Alibi-Kandidaten würden kaum akzeptiert.
Jetzt hat auch noch Christophe Darbellay abgesagt. Am Sonntagabend, einen halben Tag vor dem Ende des internen Nominationsverfahrens, steht die Mitte mit einem einzigen Bundesratsanwärter da: dem mit allen Wassern gewaschenen Präsidenten des Schweizerischen Bauernverbands und St. Galler Nationalrat Markus Ritter.
Die Mitte-Frauen, die sich präventiv gegen eine Kandidatur von Parteipräsident Gerhard Pfister gestellt haben, wollen auch Markus Ritter nicht unterstützen. Allerdings ist es ihnen bis heute nicht gelungen, eine aussichtsreiche Frauenkandidatur aufzubauen. Nach der Absage der Kurzzeit-Fraktionspräsidentin und Luzerner Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger lasten die Hoffnungen der Frauen nun auf den Nationalrätinnen Elisabeth Schneider-Schneiter und Nicole Barandun. Die Baselbieterin gilt Kritikern eines Vertrags zwischen der EU und der Schweiz als «Euro-Turbo»; die Zürcher Anwältin und Stadtzürcher Gewerbeverbandspräsidentin Barandun ist erst seit 2023 im Nationalrat und hat keine Exekutiverfahrung.
Erste Partei gibt eine Warnung ab
Die Schwäche der Mitte, die offenbar vom Rücktritt ihrer Bundesrätin, der Sicherheitsvorsteherin Viola Amherd, überrascht worden war, ist den anderen Parteien nicht verborgen geblieben. Roger Nordmann, der ehemalige Chef der SP-Fraktion im Bundesparlament, hat als Erster reagiert. Der «Limmattaler Zeitung» sagte er am Samstag: «Eine Einerkandidatur der Mitte ist für uns nicht akzeptabel. Das würde für uns bedeuten: Wir sind frei, zu tun, was wir wollen.» In seiner Partei werde bereits der Name der Zürcher GLP-Ständerätin Tiana Angelina Moser gehandelt.
Es dauerte keine 24 Stunden, bis sich Moser aus dem Rennen nahm und der GLP-Präsident Jürg Grossen versicherte, dass der frei werdende Sitz der Mitte zustehe. Roger Nordmann dürfte nicht erstaunt gewesen sein. Er ist einer der erfahrensten Politiker in Bern. Mit dem Verweis auf Moser wollte er provozieren. Er weiss aber auch, dass wilde Wahlen nicht ausgeschlossen sind, wenn es die Mitte nicht schafft, mindestens zwei mehrheitsfähige Kandidatinnen und Kandidaten zu nominieren. Der langjährige Nationalrat kennt die Dynamiken im Vorfeld von Regierungswahlen. 2023 wollte er selbst Bundesrat werden, als Nachfolger von Alain Berset.
Doch die SP entschied sich damals für ein Zweierticket; ohne Nordmann und ohne den Favoriten der Bürgerlichen, den Zürcher Ständerat Daniel Jositsch. Sie nominierte den Bündner Nationalrat Jon Pult und den Stadtbasler Regierungspräsidenten Beat Jans. In den ersten zwei Wahlgängen machte Jositsch mehr Stimmen als Pult. Das offizielle Ticket hatte viele Politiker rechts der Mitte nicht überzeugt. Aus Unmut gab fast ein Drittel der Bundesversammlung dem Aussenseiter Jositsch die Stimme. Jans setzte sich erst im dritten Wahlgang durch und wurde gewählt.
Der Mitte könnte bei der Ersatzwahl Viola Amherds weit Schlimmeres blühen. Denn nicht nur die politische Konkurrenz verwahrt sich gegen ein Einerticket, auch intern wächst die Skepsis. Fabio Regazzi, Tessiner Mitte-Ständerat und Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes, sagte dem «Sonntags-Blick»: «Markus Ritter ist ein guter Kandidat. Aber es wäre wünschenswert, dass es kein Einerticket gibt.»
Das sieht offenbar auch der Zuger Mitte-Ständerat Peter Hegglin so. In einem Interview mit den Zeitungen von CH Media äusserte sich der ehemalige Präsident der Finanzdelegation der Bundesversammlung am Freitag nicht nur auffällig kritisch über das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und die Spitze der Armee. Er brachte sich auch als Bundesratskandidaten ins Spiel.
Wörtlich sagte er: «Ich glaube nicht, dass die Parteispitze auf mich zukommt. Ich habe vor sechs Jahren für den Bundesrat kandidiert, da wollte die Partei eine Frau.» Aber: Das Amt eines Mitglieds der Landesregierung wäre eine spannende Aufgabe, die ihm «Spass bereiten würde». Aktiv bewerbe er sich nicht. Würde er gewählt, würde er «aber wohl nicht absagen».
Die Sache mit der Tickettreue
Seit der schicksalhaften Wahl von Eveline Widmer-Schlumpf, die 2007 mithilfe von Mitte-links anstelle von Christoph Blocher in den Bundesrat gewählt worden war, verzichten SVP, SP, FDP und Mitte eigentlich auf solche Störmanöver. Doch die demonstrative Nichtberücksichtigung Jositschs störte viele.
Einer der Ersten, die 2003 die Gängelung des Parlaments durch Parteistrategen kritisierten, war Alt-Bundesrat Christoph Blocher. Die vorgeschlagenen Kandidaten seien eine «Provokation», sagte er auf seinem Privatsender «Teleblocher». Die Bürgerlichen hätten nun die Möglichkeit, einen anderen zu wählen. «Ob sie den Mut haben, weiss ich nicht.»
Für die anstehende Ersatzwahl von Bundesrätin Viola Amherd stellt sich die Frage einer wilden Wahl noch nicht. Bis Montagmittag haben die Kantonalparteien noch Zeit, Kandidaturen anzumelden. Über das offizielle Ticket wird die Bundeshausfraktion der Partei an ihrer Sitzung vom 21. Februar entscheiden.
Bleibt es allerdings bei einem Einerticket oder kommt es zu einem Ritter-Ticket mit einem Alibi-Mitbewerber, dürfte dies die Bundesversammlung als Aufforderung verstehen, sich ihre eigenen Gedanken über die Nachfolge von Viola Amherd zu machen. Ehemalige Hoffnungsträger wie der St. Galler Ständerat Beni Würth oder der Bündner Nationalrat Martin Candinas könnten dann doch noch gewählt werden, obwohl sie auf eine offizielle Kandidatur verzichtet haben.
Dasselbe gilt für Parteipräsident Gerhard Pfister. Er war jahrelang als Favorit gehandelt worden, bevor ihm interne Kritiker und Amherds Timing einen Strich durch die Rechnung gemacht hatten. Mit jeder weiteren Absage steigen seine Chancen.