Freitag, Oktober 11


Anti-Establishment für Etablierte

Das italienische Label Golden Goose macht Luxus-Sneakers mit abgewetztem Leder und verschrammten Sohlen. Für Fans der Marke ist das sehr verlockend. Für die Börse neuerdings auch. Warum?

Im November 2023 berichtete das Finanzportal Bloomberg von einem kuriosen Trend unter Investmentbankern: Sie trugen plötzlich Sneakers der Luxusmarke Golden Goose. Abgesehen von ihrem hohen Preis (ab 400 Franken) sind diese weit entfernt von der typischen Bankerkluft. Die von den siebziger Jahren inspirierten «Marathon»-Sneakers etwa sind nicht zur Absolvierung eines solchen gedacht, sondern als «Hommage an den Marathon des Lebens». Ihre Schuhbändel sind uneben gelb eingefärbt, an der Gummisohle haftet ein rostig anmutender Rand.

Auf dem Bestseller-Modell «Super-Star» prangt ein grosser Stern, dessen weiches Leder schon beim Kauf abgewetzt ist. Hinter dem Trend steckte denn auch weniger Modeaffinität als Kalkül: Man erwartete einen baldigen Börsengang von Golden Goose, und die Banker hofften durch das richtige Schuhwerk auf Beteiligung an einem potenziellen Deal.

Luxuriös, entspannt und «ugly»

Bei der Lancierung des ersten Golden-Goose -Sneakers 2007 war der abgenutzte Look zwar nicht neu. Doch Francesca Rinaldo und Alessandro Gallo, die das Label in Venedig gründeten, hatten drei Trends vorhergesehen: luxuriöse Sneakers, «Ugly Shoes» und einen insgesamt entspannteren modischen Auftritt. Besonders der urbane, wohlhabende Mainstream fand Gefallen an den von italienischen Handwerkerhänden statt von der Strasse gezeichneten Schuhen. Ein bisschen Anti-Establishment für Etablierte.

Die Faszination dauert bis heute an. 2023 meldete Golden Goose ein Einnahmenplus von 30 Prozent. Auf Tiktok schwören Trägerinnen auf den Komfort, den die Schuhe böten. Manche loyale Verfechter bestehen darauf, dass die bereits vorhandene Abnutzung durchaus praktisch sei, denn jeder zusätzliche Makel falle dadurch weniger auf. «Man kauft sich damit einen Lifestyle», so erklärt Mirjam Villoz, Chefeinkäuferin bei Bongénie Grieder, den Reiz der Golden-Goose -Schuhe. «Lässig» und «cool» wolle man wirken. Die Boutiquen des Schweizer Unternehmens führen die Marke seit 2017 im Sortiment. Sie verkauft sich gut.

Steigende Preise

Laurence Antiglio, Inhaberin und Einkäuferin der Zürcher Vestibule-­Stores, vermutet dahinter die Tendenz zum Vintage-Look – zur Schönheit im Imperfekten, die manchmal als provokativ empfunden werde. Sie führte die Sneakers von Golden Goose in Zürich als Erste. Doch nach zwölf Jahren hat sie sich diese Saison erstmals entschieden, keine Bestellungen mehr aufzugeben. Es habe Qualitätsprobleme gegeben, die Preise seien gestiegen, und die Schuhe seien für eine Boutique wie Vestibule heute schlicht zu weit verbreitet.

«Sie hat ihre Seele verloren», sagt Antiglio über die Marke, die inzwischen der britischen Investmentgruppe Permira gehört. Diese wird das wohl kaum kümmern. Laut Analysten soll Golden Goose an der Börse demnächst für einen Wert von drei Milliarden Euro gehandelt werden.

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