Samstag, März 15

Russlands Präsident hat sich erstmals im Ukraine-Krieg in Uniform gezeigt. Er folgt einer alten Weisheit: Kleider machen Leute, und Uniformen demonstrieren Stärke. Erfolg ist aber nicht garantiert.

Der russische Präsident Wladimir Putin und seine Berater haben ein gutes Gespür für die Macht der Bilder. In welcher Kleidung sich der Herrscher im Kreml präsentiert, überlassen sie nie dem Zufall. Ob im dunklen Anzug, im eng anliegenden Shirt beim Krafttraining oder mit nacktem Oberkörper beim Reiten in Sibirien: Stets ist eine politische Botschaft damit verbunden. Das war zweifellos auch an diesem Mittwochabend der Fall, als der russische Propagandaapparat ein Video aus einem militärischen Kommandoposten in der umkämpften Grenzprovinz Kursk in Umlauf brachte. Putin inszenierte sich dabei – erstmals in diesem Krieg – in einem militärischen Tarnanzug.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Während die Welt noch mit Spannung die russische Reaktion auf den amerikanisch-ukrainischen Vorschlag für eine Waffenruhe abwartete, schickte Moskau Bilder, die mehr aussagten als tausend Worte. Putins Felduniform machte klar, dass für ihn der Krieg noch längst nicht zu Ende ist. Dass er dies einen Tag später auch verbal zum Ausdruck brachte und diverse Bedingungen für eine Waffenruhe stellte, konnte danach niemanden mehr überraschen.

Putin hat lange gezögert, sich die Uniform überzustreifen. Bei früheren Besuchen in Frontnähe präsentierte er sich stets im Anzug. Dies unterscheidet ihn von seinem Gegenspieler Wolodimir Selenski, der seit der Invasion vom Februar 2022 Militärgrün trägt. Bei Selenskis jüngstem Besuch im Weissen Haus stiess dies zwar auf Kritik, weil dieses Zeichen der Wehrhaftigkeit mit Präsident Trumps Friedensrhetorik kollidierte. Aber Selenski hat geschworen, erst nach dem Krieg wieder in zivile Kleider zu wechseln.

Genau umgekehrt liegt der Fall bei Putin: Seine Massanzüge und eleganten Krawatten sollen geschäftsmässige Alltäglichkeit vermitteln. Offiziell befindet sich Russland ja nicht im Krieg; es betreibt nur eine «SWO», eine militärische Spezialoperation – und darüber sollen sich die Bürger gefälligst keine Sorgen machen. Drei Jahre lang hat sich Putin bemüht, das Bild von Normalität zu vermitteln. Das Wort «Krieg» ist tabu; wenn es einem der nationalistischen Scharfmacher am Staatsfernsehen trotzdem herausrutscht, machen die Moderatoren betretene Gesichter. Die Sprachregelung wird sich nun kaum ändern, aber des «Zaren» neue Kleider setzen jedenfalls einen deutlichen – militaristischen – Akzent.

Zwischen PR und Peinlichkeit

Nicht nur in Russland und in der Ukraine experimentieren Politiker, nicht selten auch Politikerinnen, mit militärischer Kleidung. Es ist eine Gratwanderung zwischen PR und Peinlichkeit. Nur weil jemand als Staatsoberhaupt oder Verteidigungsministerin militärische Befehlsgewalt ausübt, muss er oder sie keine Uniform überziehen. Selbst Putins Flecktarn war letztlich reine Staffage ohne Rangabzeichen, denn Russlands Präsident ist kein Angehöriger der Armee.

Viele Staaten legen Wert darauf, die Unterstellung der Streitkräfte unter die zivile Führung in der Kleidung zum Ausdruck zu bringen. Amerikanische Präsidenten sind Oberbefehlshaber, treten aber nie in Uniform auf. Der türkische General Kemal Atatürk legte seine Marschallskleidung ab, kaum war er 1923 an die Spitze der von ihm gegründeten Republik Türkei gelangt. Seine stilvollen Anzüge sollten Modernität und Reformismus verströmen. In den vergangenen Jahren versuchten auch die Putschgeneräle in Myanmar diesen Trick – in ihrem Fall blieb allerdings stets durchschaubar, dass sich ihre Macht einzig aufs Militär stützte.

Auffällig ist, wie der neue syrische Machthaber Ahmed al-Sharaa nach der Eroberung von Damaskus seine olivgrünen Milizionärshemden abgelegt hat. Ungewohnt für einen Islamisten, trägt er nun westliche Anzüge, sogar Krawatten. Ein Vierteljahrhundert früher war der Palästinenserführer Yasir Arafat seiner Guerillakleidung stets treu geblieben, selbst nach dem Friedensschluss mit Israel. Sie war sein Markenzeichen und zugleich Ausdruck davon, dass das Ziel eines Palästinenserstaates noch nicht erreicht war.

Anders als zur Sowjetzeit

Putin wird seine Felduniform sicherlich nur in Ausnahmefällen überziehen. Mit seiner Zivilkleidung folgt er der Tradition des neuen Russland. Die Sowjetführer Stalin, Chruschtschow und Breschnew hatten sich noch gerne in Militärkleidung gezeigt. Bei Breschnew nahm dies geradezu lächerliche Züge an.

Zu seinem 70. Geburtstag liess er sich den Rang eines Marschalls verleihen, und besonders eifrige Anhänger wollten ihn vor seinem Tod sogar zum Generalissimus machen – also in jenen militärischen Olymp bringen, den bisher nur wenige Kriegsführer wie Suworow oder Stalin erklommen hatten.

Dabei war Breschnew zu jenem Zeitpunkt bereits ein körperliches Wrack. Die Bilder davon, wie man auf seiner mit Auszeichnungen übersäten Uniformjacke mühevoll noch einen weiteren Orden platzierte, symbolisierten 1978 die Dekadenz der Sowjetführung.

Вручение Брежневу ордена «Победа». 20.02.1978

Einen ganz anderen Stil pflegte der Reformer Michail Gorbatschow, der 1985 an die Spitze von Staat und Partei gelangte. Auf Uniformen verzichtete er, und mit seiner Eleganz stellte er so manchen westlichen Politiker in den Schatten. Auch Boris Jelzin, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Russlands erster Präsident, trug konsequent zivile Kleidung. Er machte nur wenige Ausnahmen, etwa bei der gewaltsamen Auseinandersetzung mit dem kommunistisch dominierten Parlament im Oktober 1993. Seine Tarnjacke und das rote Béret der Sondereinsatztruppen signalisierten, dass er die Krise auf militärische Weise beenden wollte.

Putin inszenierte sich nur zu Beginn seiner Herrschaft öfters in militärischer Kleidung. Es waren PR-Aktionen, anders als heute ohne kriegerischen Hintergrund. Beispielsweise steckte man ihn im Jahr 2000 bei einem Truppenbesuch im hohen Norden in die Uniform eines Flottenoffiziers. Die Bilder des damals noch jugendlich wirkenden Präsidenten, der die marode russische Kriegsmarine erneuern wollte und sich in der Tradition Peters des Grossen sah, verfehlten ihre Wirkung nicht.

«Rambo Dukakis» und andere Unfälle

Stärke versuchen auf ähnliche Weise auch andere Staatsführer zu demonstrieren. Indiens Premierminister Narendra Modi kleidet sich jeweils am Jahrestag eines blutigen chinesisch-indischen Grenzzwischenfalls in martialisches Grün. Solche Aktionen können aber auch schiefgehen. In den USA sah sich 1988 der demokratische Präsidentschaftskandidat Mike Dukakis einem sicherheitspolitisch viel erfahreneren Rivalen gegenüber, dem Republikaner und Weltkriegsveteranen George H. W. Bush. Dukakis wusste nichts Besseres, als vor den Medien grinsend auf einem Abrams-Panzer herumzufahren.

«Vergesst Rambo, hier kommt der Macho Mike Dukakis», schrieb danach die «New York Times». Die Szene war derart lächerlich, dass die Republikaner erfolgreich Wahlwerbung damit machten.

Überhaupt scheinen unvorsichtige Imageberater in Panzern ein simples Wundermittel zu erkennen. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher gab 1986 eine fast schon walkürenhafte Vorstellung, als sie in einem weissen Regenmantel, mit flatterndem Schal und ebenso weissen Handschuhen auf einem Panzer posierte. Das wäre wie bei Dukakis zum Lachen gewesen, hätte Thatcher – die Siegerin im Falkland-Krieg – nicht bereits den Ruf einer Iron Lady genossen. Nachahmerinnen wie Liz Truss oder die überforderte deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ernteten mit ihren jeweiligen Panzerfahrten hingegen Häme.

Putin braucht zumindest in seinen Staatsmedien keine spöttischen Kommentare zu fürchten. Gegen Pannen ist aber auch er nicht gefeit: In der Eile veröffentlichte Moskau das Video vom Auftritt im Tarnanzug zunächst mit einer fehlerhaften Tonspur. Der Kremlchef sprach darin mit einer seltsamen Falsettstimme, als sei das Ganze eine Karikatur. Wenig später war die Aufnahme korrigiert.

Exit mobile version