Samstag, November 23

Am Comersee lädt der bayrische Autobauer abseits der Autoklassikveranstaltung in der Villa d’Este zur Testfahrt mit einem besonders stillen Gesellen: dem iX5 Hydrogen.

«Das Coole ist, dass sich ein Wasserstofffahrzeug gar nicht anders fährt als ein batterieelektrisches Auto. Man sieht auch keinen Unterschied», sagt Michael Rath, Chef der Wasserstoffauto-Abteilung bei BMW. Wer gehofft hatte, etwas ganz Grossartiges, nie Erlebtes, Lebensveränderndes feiere hier Weltpremiere, sieht sich bereits ein wenig enttäuscht.

Immerhin haben die Bayern die X5-Karosserie für den iX5 Hydrogen in eine besondere bläuliche Lackierung getaucht, und an den Seiten steht «BMW Hydrogen Fuel Cell». Aber sonst: gepflegte SUV-Normalität – ich hatte mir die Fahrt in meinem ersten Wasserstoffauto deutlich elektrisierender vorgestellt.

Bis Rath erzählt, was unter dem Alltagskleid geschieht: «Der Hauptunterschied zum normalen Stromer besteht darin, wie die Energie gespeichert wird. Während ein batterieelektrisches Auto (BEV) dazu einen Akku braucht, steckt sie hier in den Drucktanks in Form von flüssigem Wasserstoff.» Im iX5 Hydrogen wird der Strom während der Fahrt im Auto produziert, ein BEV bekommt ihn vom Stromnetz.

Ich benötige einen Moment zum Umdenken, denn wir sitzen am strassenzugewandten Ausgang der Villa d’Este in einem der wenigen existierenden Wasserstoff-SUV. Auf der Seeseite präsentieren sich gerade Stilikonen der Vergangenheit wie BMW 508, Maserati A6GCS/53 Spider Frua und Talbot-Lago T26 Grand Sport Prototyp. Die Jury des Concorso d’Eleganza möchte sie alle brüllen hören – dagegen hat ein Wasserstoffauto lediglich ein dezentes Brummen zu bieten.

Für die Umwandlung in Strom sorgt japanische Technik

Der Wasserstoff im iX5 Hydrogen wird in der Brennstoffzelle, die vorn unter der Haube steckt und von Kooperationspartner Toyota stammt, per elektrochemischen Prozess in elektrische Energie umgewandelt. Das Brennstoffzellensystem liefert konstant 125 kW, ein Pufferakku sorgt mit 2,3 kWh für Leistungsspitzen aus dem Vorrat.

Um die Gesamtleistung des SUV von 401 PS abzurufen, die ein E-Motor an der Hinterachse auf die Hinterräder loslässt, müssen Batterie und Brennstoffzelle zusammenarbeiten. Der Akku sorgt für 231 PS, die restlichen 170 PS übernimmt die Brennstoffzelle. Insgesamt stehen 650 Newtonmeter Systemdrehmoment zur Verfügung.

Das ist nur so für den Hinterkopf – denn ausprobieren können wir die Kraft hier auf der Küstenstrasse Via Regina am Comersee nicht. Theoretisch soll der BMW bis zu 205 km/h schnell fahren können, auf Dauer schafft er etwa 185 km/h.

Die Reichweite nach WLTP-Messzyklus gibt BMW mit 504 Kilometern an, den Durchschnittsverbrauch mit 1,19 Kilogramm Wasserstoff je 100 Kilometer. Einmal die beiden drei Liter fassenden Wasserstofftanks aufzufüllen, kostet in Deutschland derzeit rund 80 Euro, damit liegen die Energiekosten pro 100 Kilometer Fahrstrecke bei rund 15 Euro. Das ist etwa vergleichbar mit dem Aufladen eines BEV an einer Schnellladesäule.

Beim iX5 Hydrogen sitzt ein Dreiliter-Wasserstofftank längs eingebaut im Getriebetunnel, der zweite quer unter der Rücksitzbank. Der Wasserstoff ist mit 700 bar Druck gespeichert, damit er flüssig bleibt. Deswegen passen von dem leichten Gas insgesamt sechs Kilogramm hinein. Das wird dank Hinzufügen von Sauerstoff umgewandelt in elektrische Energie. Das Einzige, was das Auto danach wieder verlässt, ist Wasserdampf.

Faszinierend – ich habe dabei völlig vergessen, endlich den Startknopf zu drücken. Tatsächlich findet sich auch im Interieur kaum ein Hinweis auf die Antriebsart, bis das Display erwacht und «Hydrogen Fuel Cell» anzeigt. Es gibt ein paar blaue Zierelemente und natürlich diverse Angaben im Kombi-Instrument: Füllstand der Wasserstofftanks, Temperatur des Brennstoffzellen-Betriebssystems, Durchschnittsverbrauch, Füllstand der Pufferbatterie.

Kaum zu bemerken ist in der Mitte über der Rücksitzbank ein Wasserstoffsensor, der warnt, wenn geruch- und geschmackloser Wasserstoff austritt. In einer Knallgasreaktion mit Sauerstoff kann er sich nämlich als explosiv erweisen.

Typisch E-Auto: Da lärmt nichts, da ist Drehmoment vom ersten Drücken des Strompedals vorhanden. Das alles ist so unspektakulär, dass nicht ein einziger «Carspotter» am Strassenrand seine Handykamera auf die BMW-Revolution richtet.

Kurze Tankvorgänge sind der Hauptvorteil zum BEV

Unverdrossen schwärmt Rath trotzdem weiter: «Das Fahrzeug verbindet die Vorteile von batterieelektrischem Fahren mit dem schnellen Nachtanken an der Tankstelle.» Man könne das Auto in vier Minuten von komplett leer auf komplett voll auftanken.

Das klingt eigentlich viel besser als die typische Halbstundenpause zum Batterieladen mit Kaffeetrinken, wie sie die üblichen Stromeranbieter vorschlagen. Ein Grund dafür, dass Wasserstoff bisher noch keine echte Chance erhalten hat, könnte bei den Tankstellen liegen. Zum Teil sind die Investitionskosten einer Wasserstofftankstelle dreimal so hoch wie bei einer normalen Tankstelle, und Ladesäulen für Batterieautos sind noch günstiger.

Aber da nimmt Rath sämtlichen Wind aus den Segeln der Brennstoffzellengegner: «In der Schweiz gibt es momentan 17 Wasserstofftankstellen. Bei 500 Kilometern Reichweite ist immer eine in der Nähe zum Nachtanken. In Deutschland sind es derzeit 86 Stück, europaweit etwa 200.»

Allerdings gibt er auch zu, dass das Netz noch längst nicht flächendeckend ist. Bei den nischigen Wasserstofffahrzeugen sei neben den hohen Investitionskosten der Umsatz der Tankstellen nicht so gross. Bei BMW sei man aber sehr zuversichtlich, dass sich das dank Flotten- und Nutzfahrzeugen in den nächsten Jahren ändern werde, sagt Rath. «Weil Wasserstoff die einzige Möglichkeit ist, das Transportwesen zu dekarbonisieren.» Das kann man so sehen, aber gerade bei den Lkw sind die Batterieantriebe derzeit im Vormarsch.

Kritiker argumentieren bei den raschen Auftankzeiten von Wasserstoff allerdings, dass man zu den vier Minuten jene Zeit hinzurechnen muss, die es braucht, um nach einem vorherigen Tankvorgang eines anderen Kunden den Druck fürs Tanken wieder aufzubauen, was sich dann auch auf eine halbe Stunde summieren würde. Rath sieht das anders: «Eine moderne Tankstelle kann Fahrzeuge ohne zusätzliche Wartezeit zwischen den Betankungen direkt betanken.»

So ein Wasserstoffauto habe übrigens noch zwei weitere Vorteile, sagt der BMW-Wasserstoff-Experte: Die Reichweite ist unabhängig von der Aussentemperatur, und in einem Wasserstoffauto stecken ungefähr 20-mal weniger Rohstoffe als in einem Batteriewagen mit einem grossen Akku. Da mag er richtigliegen, aber für die Herstellung von Wasserstoff ist jede Menge Strom erforderlich. Zudem ist der Wirkungsgrad mit knapp 30 Prozent deutlich schlechter als bei einem BEV mit mehr als 60 Prozent.

Wir rollen im iX5 inzwischen zurück über die Landstrasse, die Fahrt bleibt ruhig und unspektakulär. Da bleibt genug Zeit zum Orakeln. Zum Beispiel: Ab wann könnte ich so ein Fahrzeug kaufen? Gemäss Rath dürfte das noch dauern. Es gebe bis jetzt lediglich eine Testflotte von knapp 100 Fahrzeugen. «Die setzen wir heftiger Kälte, extremer Hitze oder viel Feuchtigkeit aus, um die Technologie noch besser zu verstehen und abzusichern und um die verschiedenen Kundenbedürfnisse in den verschiedenen Ecken der Welt kennenzulernen.» Wann der Test zu Ende sei, stehe noch nicht fest.

Dass der iX5 Hydrogen in der Versenkung verschwinden wird wie der Vorgänger, der BMW Hydrogen 7, glaubt Rath nicht: «Dort war eine ganz andere Technologie eingebaut – eine Wasserstoffverbrennung in einem Zwölfzylinder-Motor, und man konnte auf Benzin umschalten. Aber das Verbrennen von Wasserstoff ist deutlich ineffizienter als die Nutzung einer Brennstoffzelle.»

Das jetzige System sei technisch schon sehr ausgereift – aber ein Produkt für die Serie sichere man noch einmal deutlich tiefer ab. «Wir prüfen intensiv ein Serienangebot noch in dieser Dekade.» Es werde auch darüber nachgedacht, ob man noch grössere Tanks einbauen könne.

Dass die Infrastruktur für Wasserstofftankstellen noch mangelhaft ist, hat laut Rath seinen Grund in ideologischer Diskussion: «Die Politik sieht nur eine Lösung, und die soll umgesetzt werden. Da passt neben dem Fokus auf die Batterie nicht noch eine zweite Elektrotechnologie. Wir dagegen setzen auf drei verschiedene Antriebe nebeneinander: Verbrenner, Batterieelektrik und die Brennstoffzelle.»

Inzwischen sind wir wieder zurück, dem allgegenwärtigen Stau in Cernobbio und Umgegend entkommen. Ein paar Klassiker kämpfen um Kühlluft, ein paar Supersportler brüllen auf, aber hauptsächlich SUV verstopfen den flüssigen Verkehr.

Warum hat man sich gerade für einen SUV als Testfahrzeug für das System entschieden? Etwa weil SUV gerade angesagt sind? Oder weil man den Platz für die Tanks im Auto braucht? «Die Technologie ist im Grundsatz schon eher für grosse und schwere Fahrzeuge ausgelegt», gibt Rath zu. «Je grösser das Fahrzeug, desto mehr Reichweite ist möglich. Für den X5 haben wir uns jedoch entschieden, weil er unser Kernmodell ist, das weltweit auf allen Märkten funktioniert.» Immerhin soll es dank Wasserstoffantrieb rund 150 Kilogramm leichter sein als ein vergleichbarer batterieelektrischer X5.

Und während um uns herum hauptsächlich Verbrennermodelle blubbern, schätzt Rath, dass in Europa höchstens etwa 10 000 Wasserstofffahrzeuge unterwegs sind. Ein Tropfen auf die heisse Brennstoffzelle.

Die Testfahrt wurde durch BMW unterstützt.

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