Mittwoch, April 16

Der Preis für Absicherungen gegen eine US-Staatspleite hat sich seit Anfang Januar verfünffacht. Das zeigen Kreditderivate mit drei Monaten Laufzeit. Diese CDS-Kontrakte sind in Risikomodellen der Indikator für den risikolosen Zins, was Banken zu Treasury-Verkäufen zwingt.

Die bislang beste Investition des Jahres für Grossanleger ist eine Überraschung: Auf Platz eins gemessen an der Rendite rangieren ausgerechnet Absicherungsgeschäfte gegen einen Zahlungsausfall der Vereinigten Staaten. Wohl kein anderes Finanzinstrument, das in grösseren Volumina am Finanzmarkt gehandelt wird, hat seit Ende 2024 mehr Rendite eingebracht. Dabei handelt es sich um Kreditderivate (Credit Default Swaps, CDS), die nur für institutionelle Investoren verfügbar sind.

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Jörg Märtin berät ein Family Office in der Schweiz. Der ehemalige Investmentbanker verfolgt die Rendite einer Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten. «Keine andere Anlageklasse ist seit Jahresanfang nur annähernd so stark gestiegen wie der Preis von CDS auf die USA», sagt Märtin. Für CDS mit einem Jahr Laufzeit zeigen seine Daten einen Preisanstieg von 190% an, per 11. April 2025. Danach folgen CDS auf die USA mit fünf Jahren Laufzeit und der US-Volatilitätsindex VIX (beide +66%), der europäische Volatilitätsindex VStoxx (+63%) und der Gold Miners ETF GDX (+47%). Alles Anlagen, deren Kurs typischerweise in Finanzmarktturbulenzen und Krisen stark steigt.

US-CDS haben sich besonders verteuert

Noch stärker verteuert haben sich CDS auf die USA mit drei Monaten Laufzeit. Die Prämie hat sich seit Anfang Januar sogar mehr als verfünffacht, von rund 10 auf zuletzt 57 Basispunkte. Ein CDS-Kurs von 50 Basispunkten bedeutet, dass der Käufer auf ein Jahr gerechnet 0,5% des versicherten Nominalbetrags zahlt für die Absicherung eines Portfolios aus US-Staatsanleihen gegen einen Zahlungsausfall.

Dieses Preisniveau der Drei-Monats-CDS signalisiere «enormen Stress im Markt», sagt Jochen Felsenheimer, Mitgründer der am Kreditmarkt aktiven Münchener Fondsgesellschaft Xaia. Der Ökonom und ehemalige Leiter des Credit Strategy Research bei der Grossbank Unicredit beobachtet den CDS-Markt seit vielen Jahren und hat mit zwei Co-Autoren ein Fachbuch über Kreditderivate veröffentlicht.

In der Regierungszeit von Joe Biden erreichten die Dreimonats-CDS auf die USA Ende April 2023 kurzzeitig ein Hoch von mehr als 300 Basispunkten. Zu dieser Zeit stritt Biden mit dem Kongress um die Schuldenobergrenze der US-Regierung, so dass die Sorge um eine Zahlungspause zunahm. Für die kommenden Monaten droht eine solche Auseinandersetzung allerdings nicht.

Der rasante Anstieg auf mehr als 50 Basispunkte seit Jahresanfang 2025 ist beunruhigend, wegen des Tempos und weil das Ausfallrisiko der USA an den CDS-Preisen gemessen inzwischen höher ist als das vieler Banken. Deutlich niedriger als bei der US-Regierung liegen die Kosten für Dreimonats-CDS der auf Schwellenländer fokussierten Bank Standard Chartered (17) oder der Grossbank HSBC (16).

Auswirkungen auf die Risikomodelle der Banken

Der rasante Preisanstieg der CDS habe zum Abverkauf bei US-Staatsanleihen beigetragen, der die Rendite bei Treasuries mit dreissig Jahren Laufzeit am 9. April kurzzeitig auf mehr als 5% hochschnellen liess, vermutet Felsenheimer. Denn Risikomanager bei internationalen Banken nutzen CDS auf die USA zur Absicherung, aber auch als Indikator in ihren Risikomodellen. «Wenn der CDS-Preis stark steigt, wie seit Jahresanfang, dann verkaufen Banken US-Staatsanleihen, um das vom Modell berechnete Verlustrisiko zu reduzieren», sagt der Fondsmanager. «Ich vermute, dass genau das derzeit am Bondmarkt passiert und als Hauptursache zum Anstieg der Renditen führt.»

Dass Banken US-Staatsanleihen verkauft und damit zum Renditeanstieg beigetragen haben, passt zu Daten der Federal Reserve Bank of New York, die das «Wall Street Journal» zitiert. Banken hätten vor den jüngsten Bondmarkt-Turbulenzen eine massiv überdehnte Netto-Longposition in US-Staatsanleihen gehabt.

Die Auflösung des sogenannten Basis Trade war aus Felsenheimers Sicht nicht der entscheidende Grund für den starken Renditeanstieg bei US-Staatsanleihen mit langer Laufzeit. «Diese Trades finden in ganz anderen Teilen des Finanzmarkts statt und auch Margin Calls für solche Trader halte ich für eher unwahrscheinlich», sagt der Kreditmarktexperte.

Margin Calls erfolgen, wenn eine Bank ihren Kunden dazu auffordert, weitere Sicherheiten für einen Kredit zu hinterlegen, nachdem die zugrunde liegende Position an Wert verloren hat. (Eine Erklärung der Basis Trades finden Sie hier.) Schon eher könnten Margin Calls bei aktienlastigen Hedge Funds wegen des Kursrutsches an den Börsen dazu geführt haben, dass diese mehr Liquidität benötigten und Staatsanleihen verkaufen mussten, was zum Renditeanstieg beiträgt. Auch die chinesische Regierung könnte als Massnahme im Handelskonflikt einen Teil ihrer Bestände an US-Staatsanleihen verkauft haben.

Vor allem aber geht es bei der zeitweilig turbulenten Entwicklung am US-Staatsanleihemarkt um eine Neueinschätzung der USA als Kreditnehmer. «Das Kreditrisiko der Vereinigten Staaten wird wegen der Regierung von US-Präsident Donald Trump neu bewertet», konstatiert Felsenheimer. «Das zeigen die Preise von Kreditderivaten auf die USA.»

Vielleicht brauchen Ökonomen und Risikomanager eine neue Messlatte für den risikofreien Zins.

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