Wenn Short-Seller ein Unternehmen ins Visier nehmen, kann das ein Warnsignal sein. The Market zeigt regelmässig, wo die Leerverkäufer an der deutschen Börse auf Kursverluste wetten. Diesmal im Fokus: Porsche, Hugo Boss, Vonovia und Mercedes-Benz.

«Liberation Day» – war da etwas? Mittlerweile ist es mehr als vier Wochen her, dass US-Präsident Donald Trump am 2. April mit einer beispiellosen Eskalation im Handelskonflikt Zölle gegen die ganze Welt verhängte und die Finanzmärkte in einen Schockzustand versetzte.

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Europäische Indizes wie der breite Stoxx Europe 600 haben praktisch wieder den Stand von vor dem 2. April erreicht. Der deutsche HDax, der die 110 Werte aus Dax (40), MDax (40) und TecDax (30) umfasst, notiert sogar wieder höher – zum Allzeithoch von Anfang März fehlt nur ein halbes Prozent. Die Anleger zeigen sich erleichtert, dass Trump schrittweise Rückzieher macht – sowohl was die Maximalforderungen bei den Zöllen betrifft, als auch bei seinen Drohungen, er wolle den Fed-Chef Jerome Powell absetzen.

Die Börse atmet auf, aber die Leerverkäufer trauen der Rally offenbar nicht. Während das Short-Volumen am deutschen Aktienmarkt bereits im Februar und März deutlich gestiegen war, legten die Wetten im April noch einmal deutlich auf nun 36 Mrd. $ zu. Die Zahlen stammen vom US-Datenanalyseunternehmen S3 Partners, das auf die Auswertung von Short-Interest-Daten spezialisiert ist und The Market die Daten zur Verfügung gestellt hat.

Porsche bleibt im Visier der Short-Seller

Leerverkäufer leihen sich Aktien, verkaufen diese am Markt und hoffen, sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen, um sie dann dem Eigentümer zurückzugeben. Geht die Wette auf, streichen sie die Differenz zwischen Verkaufs- und Rückkaufpreis als Gewinn ein (die grössten Shorts gegen Schweizer Aktien finden Sie hier).

Erneut stark aufgestockt haben die Leerverkäufer ihre Wetten gegen Porsche, wo die Ausleihquote der frei handelbaren Aktien auf 26,5% gestiegen ist. Das ist der höchste Wert von Porsche, seit The Market die Short-Quoten am deutschen Aktienmarkt beobachtet – also seit über zwei Jahren.

Die Aktien des Sportwagenherstellers befinden sich mittlerweile zum siebten Mal in Folge auf Position eins im Dax. Die Titel stehen angesichts einer verfehlten Modellpolitik und sinkendem Absatz in China seit über zwei Jahren unter Druck. «Dank» der US-Zollpolitik befindet sich der Aktienkurs mittlerweile im freien Fall.

In der vergangenen Woche enttäuschte Porsche erneut mit den Zahlen für das abgelaufene Quartal. Der Autobauer rechnet nun wegen Belastungen durch US-Zölle, eines schwachen China-Geschäfts und gestiegener Kosten in der Lieferkette mit einem noch stärkeren Gewinneinbruch als bislang prognostiziert. Die operative Umsatzrendite soll nur noch zwischen 6,5 und 8,5% liegen – zuvor hatte das Unternehmen 10 bis 12% in Aussicht gestellt. Auch der Umsatz wurde nach unten korrigiert: Statt wie bisher erwartet 38 bis 40 Mrd. € rechnet die Volkswagen-Tochter nur noch mit 37 bis 38 Mrd. € – für Short-Seller ein gefundenes Fressen.

Erstmals wieder leicht rückläufig sind die Wetten gegen Commerzbank, die Ausleihquote liegt mit rund 16% jedoch weiterhin auf hohem Niveau, was für Platz zwei reicht. Im Herbst geriet die zweitgrösste deutsche Bank erstmals als potenzielles Übernahmeobjekt in den Fokus von Unicredit. Seitdem hat die italienische Grossbank ihre Beteiligung an Commerzbank schrittweise erhöht und hält derzeit rund 28%. Eine Entscheidung über eine Übernahme werde aber gemäss Unicredit wohl nicht mehr dieses Jahr getroffen.

Neben Übernahmefantasien treiben auch das Investitionsprogramm der neuen Bundesregierung sowie eine durch den Fiskalstimulus wachsende Wirtschaft und stärkere Kreditnachfrage die Aktien – insbesondere die Commerzbank zählt dabei zu den Hauptnutzniessern. Die Titel tauchen seit Monaten regelmässig im Momentum Screen von The Market auf. Einigen Leerverkäufern ist die Euphorie offenbar zu gross. Commerzbank legt am Freitag Zahlen zum ersten Quartal vor.

Vonovia und Mercedes-Benz neu in den Top Ten des Dax

Auf den weiteren Plätzen im Dax-Ranking haben sich die Short-Quoten bei BMW, Daimler Truck und Siemens Energy sowie bei Symrise und Sartorius nur geringfügig verändert im Vergleich zum Vormonat. Raus aus den Top Ten sind hingegen Beiersdorf, die im Vormonat erst ihre Premiere «feierte», und Heidelberg Materials.

Dafür stossen Mercedes-Benz und Vonovia neu in die Gruppe der zehn grössten Shorts im Dax. Bei Mercedes-Benz hat sich die Short-Quote von 2,5 auf 3,3% erhöht. Ähnlich wie Porsche leidet auch der Autobauer unter sinkenden Verkäufen in China und hohem Preisdruck und musste im ersten Quartal abermals Einbussen bei Umsatz und Gewinn hinnehmen. Während der Gewinn je Aktie um 40% einbrach auf nur noch 1.74 €, fiel der Ertrag um 7% auf 33,2 Mrd. €.

Für das laufende Jahr rechnen die Stuttgarter weiterhin mit einem Umsatz leicht unter dem Vorjahresniveau – allerdings ohne Berücksichtigung zusätzlicher Auswirkungen möglicher US-Zölle. Mercedes warnt vor «erheblichen Auswirkungen», sollten alle angekündigten Zölle bis Ende 2025 umgesetzt werden. Die Aktien liegen auf Sicht von zwölf Monaten rund ein Viertel unter Wasser – einige Leerverkäufer sehen angesichts der zahlreichen Herausforderungen noch mehr Luft nach unten.

Bei Vonovia hingegen dürfte die Erholungsrally in den vergangenen Wochen die Short-Seller auf den Plan gerufen haben. Noch im März gerieten die zinssensitiven Aktien des Immobilienkonzerns unter die Räder – Grund war die vom designierten Bundeskanzler Friedrich Merz ausgerufene Finanzwende, die Billionenschulden nach sich ziehen wird und damals für einen sprunghaften Anstieg der Renditen von Bundesanleihen gesorgt hatte.

Mittlerweile sind die Zinsen jedoch wieder auf ihr Niveau von Anfang März zurückgekommen, was die Erholungsrally der Vonovia-Aktien befeuerte. Am Mittwoch legt das Unternehmen Zahlen für das erste Quartal 2025 vor – dann wird sich zeigen, ob die Leerverkäufer mit ihrer Aufstockung der Short-Positionen richtig lagen.

Thyssenkrupp Nucera bleibt Spitzenreiter

Am breiten Markt sind die Wetten gegen den «Spitzenreiter›» Thyssenkrupp Nucera zwar leicht rückläufig, liegen mit einer Ausleihquote von 40% jedoch weiterhin auf sehr hohem Niveau. Die Aktien der im Sommer 2023 per Spin-off an die Börse gebrachten Wasserstoffsparte von Thyssenkrupp tun sich trotz leichter Erholungstendenzen der vergangenen Wochen weiterhin schwer.

Zwar gilt das Geschäft mit Elektrolyseanlagen, die zur Herstellung von grünem Wasserstoff eingesetzt werden, als strukturelle Wachstumsstory – doch die Stimmung in der Branche ist seit über zwei Jahren verhalten.

Weiter erhöht wurden dagegen die Wetten gegen Hugo Boss, wo jetzt knapp 24% der ausstehenden Aktien ausgeliehen sind. Im Vormonat hatte sich die Quote gar verdreifacht. Das Unternehmen enttäuschte Mitte März mit seinen Zahlen für 2024. Auch der Ausblick für das laufende Jahr konnte Anleger nicht überzeugen – Hugo Boss kann für 2025 kein Wachstum versprechen.

CEO Grieder im Mittelpunkt von Diskussionen

Zudem bleibt CEO Daniel Grieder in den Schlagzeilen. Bereits im Herbst vergangenen Jahres wurde geprüft, ob sich der Schweizer des Insiderhandels strafbar gemacht haben könnte. Im Zentrum der Vorwürfe stand das Projekt «Tango», das Grieder 2023 gemeinsam mit dem österreichischen Immobilienunternehmer René Benko entwickelt haben soll. Ziel war offenbar der Aufbau einer «Fashion Investment Group» durch den Erwerb von Hugo-Boss-Aktien und Beteiligungen an anderen Modemarken. Die Pläne waren zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich bekannt.

In einer E-Mail an Benko vom März 2023 soll Grieder auf eine rasche Umsetzung gedrängt haben – mit dem Hinweis, dass er beim bevorstehenden Investorentag eine erweiterte Strategie vorstellen werde, die den «Aktienkurs extrem hochtreiben» könne. Österreichische Medien zitierten aus dieser Mail. Eine externe Kanzlei kam später zu dem Schluss, dass kein Verstoss gegen das Verbot von Insidergeschäften vorliege. Laut einem Bericht der «Wirtschaftswoche» von vor zwei Wochen gibt es aber Hinweise darauf, dass die E-Mail nachträglich gelöscht wurde und der Kanzlei daher nicht vorlegen habe.

Neben dem grundsätzlich schwierigen Umfeld für Mode-Aktien dürften demnach auch die Diskussionen um Grieder Leerverkäufer anziehen. Der Aktienkurs von Hugo Boss hat sich seit dem Hoch im Sommer 2023 halbiert. Am heutigen Dienstag publiziert das Unternehmen Zahlen für das erste Quartal.

Ebenfalls stärker zugelegt haben die Wetten gegen Fraport. Die Aktien des Flughafenbetreibers korrigierten nach dem «Liberation Day» Anfang April um bis zu 10%, haben die Verluste seither jedoch mehr als wettgemacht. Sorgen über eine mögliche Eintrübung der Weltwirtschaft und ein damit verbundenes rückläufiges Flugaufkommen rufen nun verstärkt Short-Seller auf den Plan.

Neu in den Top Ten am breiten Markt ist Evotec; der Auftragsforscher ersetzt den Kupferproduzenten Aurubis. Die Hamburger stellten Mitte April ihre neue Strategie vor. So will sich das Unternehmen auf hochwertige Dienstleistungen und Therapiegebiete konzentrieren, zudem soll das Projektportfolio um rund 30% verschlankt werden. Die Aktien haben seitdem rund ein Drittel zugelegt, was wohl einigen Leerverkäufern nicht geheuer ist. Knapp 18% der ausstehenden Aktien sind Anfang Mai leerverkauft.

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