Sonntag, März 16

Das Salär des UBS-Chefs Sergio Ermotti ist zum nationalen Politikum geworden. Jene, die es festlegen, leben fernab der Schweiz.

Prunkfassade mit Säulen und Dachzinnen, üppige Fensterfronten und vergoldete Halter fürs Klopapier. Das Luxus-Mansion liegt in einem exklusiven Viertel im Südosten von Hong Kong Island. Vom Infinity-Pool auf der Dachterrasse hat man freie Sicht auf das Südchinesische Meer.

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Willkommen in der Welt von Fred Hu. Nach einem Jahr voller Blockbuster-Deals habe sich der Unternehmer für umgerechnet 55 Millionen Dollar ein Appartement in Hongkong geleistet, berichtete die «South China Morning Post» Ende Mai 2021. Der Unternehmer sei dem Vorbild vieler wohlhabender Festlandchinesen gefolgt, die sich teure Immobilien in Hongkong erwürben, so die Zeitung.

Im Visier des Gouverneurs von Florida

Der Ingenieur und Ökonom mit Harvard-Abschluss leitete einst das China-Geschäft der US-Grossbank Goldman Sachs. 2010 machte er sich selbständig und gründete die Primavera Capital Group, eine der grössten Investmentfirmen in Hongkong. Mit einem Vermögen von 870 Millionen Dollar zählt Hu zu Chinas Superreichen.

Für Schlagzeilen sorgte Hu nicht nur mit dem Kauf seines Luxusappartements. Kurz vor dem Börsengang der Ant Group im Herbst 2020 wurde er verdächtigt, seinen Geschwistern Aktien der Finanzfirma zum Discounttarif zugeschanzt zu haben. Der Börsengang wurde später abgesagt. Im Herbst 2023 geriet er ins Visier des Gouverneurs von Florida, weil seine Firma dort mehrere Privatschulen besitzt. Ron DeSantis witterte eine Einflussnahme der Kommunistischen Partei Chinas auf die US-Jugend und strich der Schule die staatlichen Zuschüsse. Primavera bestritt gegenüber der «Financial Times», dass Hu zu seiner Zeit bei Goldman Sachs oder später der Partei angehörte. Dies lässt darauf schliessen, dass er zuvor Parteimitglied war.

Unbestritten ist, dass Hu die chinesische Regierung in zentralen Fragen beraten hat. Er sitzt in einflussreichen Beratergremien von amerikanischen Elite-Universitäten und der Hongkonger Börse. Und seit 2018 gehört Fred Hu auch dem Verwaltungsrat der UBS an.

Dort ist er seit letztem Jahr Mitglied des Vergütungsausschusses. Neben Hu zählen auch die Amerikanerin Julie G. Richardson und die Singapurerin Jeanette Wong zum Gremium. Richardson präsidiert den Ausschuss seit sechs Jahren, Wong ist seit vier Jahren dabei.

Zusammen mit dem Verwaltungsratspräsidenten, dem Iren Colm Kelleher, haben die drei den derzeit wohl heikelsten Job bei der Schweizer Grossbank. Sie bestimmen über die Löhne und Boni – und damit auch über das Salärpaket des UBS-Chefs Sergio Ermotti.

Seit letztem Jahr ist dieses ein nationales Politikum. Euphorisiert von der CS-Übernahme, drehte die UBS an den Stellschrauben ihres Lohnsystems. Für neun Monate im Jahr 2023 erhielt Ermotti 14,4 Millionen Franken, der Maximallohn könnte auf bis zu 28 Millionen steigen. Breite Teile der Öffentlichkeit sahen darin einen Beleg für die fehlende Lernfähigkeit von Grossbankern.

Verfügen die Mitglieder des UBS-Vergütungsausschusses über das nötige Sensorium? Verstehen sie die Befindlichkeiten im Land, in dem die UBS ihren Hauptsitz hat und reguliert wird?

Die Schweiz-Kenntnisse von Richardson, Wu und Wong dürften sich grosso modo auf den Flughafen und die UBS-Zentrale an der Bahnhofstrasse 45 beschränken. Das sonst so hochgehaltene Kriterium der Diversität scheint schlecht erfüllt: Alle drei sind etwas über sechzig und starteten ihre Karrieren bei amerikanischen Grossbanken. Richardson und Wu wechselten später in die Private-Equity-Industrie, Wong zu einer Grossbank in Singapur.

Diese Branchen haben gemein, dass sie fürstliche Löhne zahlen. Eine Rechenschaftspflicht gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit gibt es in diesen Gefilden kaum.

Der FDP-Präsident Thierry Burkart gehörte vor Jahresfrist zu den lautesten Kritikern von Ermottis Lohnerhöhung. Heute sagt er: «Multinationale Unternehmen müssen mehr Sensibilität für die Schweiz zeigen. Ihr Führungspersonal muss das politische und gesellschaftliche Umfeld des Landes kennen, in dem sie den Hauptsitz haben.»

Auch der Schweizer Aktionärsvertreter Ethos kritisiert das Salärsystem der UBS. Die Performance-Kriterien schafften einen Anreiz, über Aktienrückkäufe die Vergütung zu erhöhen und das Kernkapital der Bank zu schwächen, sagt der Ethos-Direktor Vincent Kaufmann. Das sei nicht im Interesse von langfristig orientierten Aktionärinnen und Aktionären.

Boni können auch ganz verfallen

Die UBS hält dazu fest, dass die Mitglieder des Compensation Committee über langjährige Erfahrung in der Finanzindustrie verfügten. «Herkunft spielt für die Ausübung dieser Funktion eine untergeordnete Rolle. Wichtig sind vielmehr spezifische Kenntnisse im Finanzwesen und in der Branche.» Die Bank betont weiter, dass die Ausgestaltung und Höhe der Vergütung für die Geschäftsleitung vom gesamten Verwaltungsrat entschieden werde.

Auch die Kritik am Lohnsystem weist die UBS zurück. 80 Prozent der variablen CEO-Vergütung sei bis zu fünf Jahre aufgeschoben und werde nur ausbezahlt, wenn die Bank eine nachhaltige Leistung erziele, andernfalls könne sie auch null sein.

Der Vorwurf, die Bank wolle das Eigenkapital tief halten, sei falsch: «Kapitalstärke steht im Zentrum unserer Strategie. Wir haben die höchsten regulatorischen Kapitalanforderungen im Vergleich zu sämtlichen global systemrelevanten Banken», schreibt die Bank.

Der Schaden ist allerdings schon angerichtet. Die UBS zahlt den Preis dafür, dass ihre Salärverantwortlichen in den Augen der Öffentlichkeit den Bogen überspannt haben. Diese Woche stimmte der Ständerat einer Motion des Thurgauer SVP-Politikers Jakob Stark zu, die Bankerlöhne bei 5 Millionen Franken deckeln will. Auch europäische Grossbanken zahlen ihr Personal weit besser.

«Die Motion hat auch im Nationalrat Chancen», sagt Burkart. «Das Resultat hängt davon ab, ob sich bei der SVP der wirtschaftsliberale Flügel durchsetzt oder ob die Partei gemeinsam mit den Linken stimmt.» Der SVP-Nationalrat Thomas Matter hält die Annahme der Motion Stark hingegen für einen Betriebsunfall. «Ich bin überzeugt, dass sie im Nationalrat abgelehnt wird», sagt er.

UBS will Vergütungen anpassen

Die Salärdebatte ist aber nur das Vorgeplänkel für eine weit einschneidendere Frage: Wie viel Kapital muss die UBS in Zukunft horten? Die Finanzmarktaufsicht fordert, dass die UBS ihre Auslandtöchter künftig mit viel mehr Eigenkapital ausstattet als heute. Stimmt das Parlament dem zu, muss sie zusätzliches Eigenkapital von bis zu 25 Milliarden Franken aufbauen.

Im Vergleich zu ausländischen Banken würde dies einen Zuschlag von gegen 50 Prozent bedeuten. Der UBS bliebe nichts anderes übrig, als sich den Wegzug aus der Schweiz zu überlegen, sagte Roman Studer, der Direktor der Bankiervereinigung, diese Woche in den Tamedia-Zeitungen.

Auch der SVP-Nationalrat und Bankenexperte Thomas Matter glaubt, dass die UBS bei einer solchen Verschärfung nicht mehr wettbewerbsfähig wäre. Als Kompromiss schlägt er vor, dass die Bank ihr riskantestes Geschäft, das Investment Banking, auf 30 Prozent der Bilanzsumme beschränkt.

Ob sich das Parlament erweichen lässt, hat die UBS auch selber in der Hand. Am 17. März gibt sie Ermottis Salärpaket für 2024 bekannt. Dessen Höhe wird entscheidend für den Goodwill, den die Bank in der Politik geniesst. Die UBS signalisiert Änderungen: Die Vergütungsstruktur werde ständig weiterentwickelt, dazu gehörten auch Anpassungen bei den langfristigen Boni, sagt ein Sprecher.

Im Klartext: Ermottis Lohn wird wohl tiefer ausfallen als nach dem derzeitigen System. Fred Hu und die übrigen Verwaltungsräte haben den Crashkurs in helvetischer Politik offenbar bestanden.

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