Auch 2025 werden Deutschlands Unternehmen wieder für Überraschungen sorgen. The Market hat den Gedanken freien Lauf gelassen und beschreibt, was – rein fiktiv – im noch jungen neuen Jahr alles passieren könnte.
Der M&A-Markt in Deutschland hat 2024 von niedrigem Niveau um 50% zugelegt. Deutsche Unternehmen warteten mit einigen Überraschungen auf. Wer wäre auf die Idee gekommen, dass der US-Finanzinvestor KKR mit der milliardenschweren Viessmann Generations Group den Wind- und Solarparkbetreiber Encavis von der Börse nehmen könnte?
Wer hätte gedacht, dass der italienische Bankriese UniCredit nach der Commerzbank greifen würde oder sich Zalando den Hamburger Konkurrenten About You einverleiben wollte? Oder dass Siemens über 10 Mrd. $ und damit mehr als den siebzigfache Ebitda für eine US-Simulationssoftwaregesellschaft zahlt?
Dabei sind es solche Unternehmensentscheidungen, die die Börse mehr bewegen als alles andere. Encavis sind seit Ankündigung der Übernahme am 14. März 30% gestiegen, die Papiere von About You haben 66% zugelegt, Commerzbank 32%. Wer hätte dies nicht gerne vorhergesehen?
The Market präsentiert deshalb – mit einem Augenzwinkern – vier Unternehmensnachrichten, die frei erfunden sind und 2025 kaum so eintreten werden, aber ein Gedankenspiel wert sind.
Anmerkung: Die beschriebenen Ereignisse entsprechen so nicht den Erwartungen der Redaktion von The Market. Leserinnen und Leser sollten daraus keinesfalls Handlungsanweisungen ableiten. Die verwendeten Zahlen und Kontexte sind aber korrekt.
Das Comeback von Donald Trump als US-Präsident ebnet Bayer den Weg, ihr elendiges Monsanto-Problem loszuwerden: Der Dax-Konzern verkauft seine Agrarchemie inklusive des 2018 erworbenen US-Glyphosat- und Saatgutproduzenten Monsanto an den US-Rivalen Corteva Agriscience.
Corteva ist mit 17 Mrd. $ Jahresumsatz in der Agrarchemie hinter Bayer die weltweite Nummer zwei und steigt durch den Kauf der Bayer-Sparte (Umsatz: 22 Mrd. €) zu dem mit Abstand grössten Hersteller von Saatgut und Pflanzenschutzchemikalien auf.
Der US-Konzern (38 Mrd. $ Börsenwert) bezahlt einen zweistelligen Milliardenbetrag in Cash und eigenen Aktien und übernimmt sämtliche im Zusammenhang mit Glyphosat anhängigen Rechtsstreitigkeiten, für die Bayer zuletzt 5,5 Mrd. € Rückstellungen gebildet hatte. Bayer-Chef Bill Anderson kündigt zugleich an, Verhandlungen mit dem Darmstädter Pharmakonzern Merck über eine Fusion aufzunehmen.
Auf die Veröffentlichungen hin steigt der Bayer-Aktienkurs im Tagesverlauf 50%, auch Corteva legen zu. Die Bayer-Papiere hatten das Jahr 2024 mit einem Minus um 43% auf 19.31 € beendet und seit dem Höchstkurs 2015 87% ihres Werts verloren.
Bis dato wäre eine Fusion der Nummer zwei mit der Nummer eins an den Kartellbehörden gescheitert. Trump indes lobt den Deal, «damit wird die amerikanische Agrarindustrie erheblich gestärkt». Trump und sein Wirtschaftsberater Elon Musk bekräftigten, sie wollten die US-Industrie auch durch Deregulierung voranbringen.
Trumps erste Administration hatte Bayer schon den 60 Mrd. € teuren Monsanto-Kauf genehmigt. Sie billigte 2017 auch die Fusion der zwei grössten US-Chemiekonzerne, Dow Chemical und DuPont, und die anschliessende Aufteilung in drei Unternehmen, aus der Corteva hervorging: Corteva bündelte die Agrarsparten beider Chemieriesen und wurde 2019 als Spin-off in New York gelistet.
Der US-Konzern aus Indianapolis traut sich zu, Monsantos weiterhin 58ʼ000 primär in den USA anhängige Gerichtsverfahren wegen des angeblich Krebs verursachenden Unkrautvernichters Roundup (mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat) zu beenden. Tatsächlich scheint das Risiko für Corteva unter Trumps Administration weit kalkulierbarer, als es für Bayer wäre. Die landwirtschaftlichen Grossbetriebe in den «Swing States» im Mittleren Westen brauchen Glyphosat zur Bewirtschaftung ihrer Riesenflächen, die Unterstützung des Mittels scheint für Trump also politisch opportun. Die meisten Klagen stammen von Privatleuten, die Roundup in ihrem Vorgarten versprühten.
Bei der Integration dürfte helfen, dass man sich auf Ebene des Topmanagements kennt: Cortevas Technologiechef Sam Eathington war über zwei Jahrzehnte für Monsanto tätig, bevor er 2021 zu Corteva stiess.
Geht es nach Bayer-Chef Anderson, ist sein Konzern nach diesem Befreiungsschlag bereit für den nächsten grossen Schritt: Durch eine Fusion der verbleibenden Bayer mit dem Dax-Konzern Merck entstünde einer der grössten Pharmakonzerne der Welt. Mit einem Jahresumsatz von 45 Mrd. € würde die Kombination Bayer/Merck in die weltweiten Top Ten aufsteigen.
Bayers Pharmasparte gilt als zu klein, um langfristig allein zu überleben. Bis 2026 droht der Patentverlust für die beiden ertragsstärksten Medikamente, Xarelto und Eylea, und über Jahre ein Umsatzeinbruch. Erst ab 2030 sieht Bayers Pipeline wieder besser aus.
Die mehrheitlich in Familienhand befindliche Merck kämpft seit längerem mit Lücken in ihrer Pharmapipeline. Die Grossaktionärsfamilie Merck könnte ihren 70%-Anteil im Zuge einer solchen Fusion reduzieren, aber die Hauptversammlungsmehrheit behalten.
Europas grösster Versicherer Allianz verzeichnet nahezu jedes Jahr von neuem einen Rekordgewinn und gestaltet die Ausschüttungen an die Aktionäre immer grosszügiger, zuletzt auf dem Kapitalmarkttag vergangenen Dezember. Dennoch bleibt der Primus an der Börse hinter der Konkurrenz zurück. Über fünf Jahre schneidet er mit einem Kursplus von 39% schwächer ab als die Versicherer der Eurozone (+45%) und die gesamte europäische Branche (inklusive Schweiz, +57%).
Um den Kursauftrieb zu beschleunigen, bereinigt Allianz-CEO Oliver Bäte das Geschäftsportfolio: Er verkauft die US-Fondstochter Pimco für einen niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag an ihr Management und den US-Finanzinvestor Hellman & Friedman. Im Rahmen des Management Buyout (MBO) wird zudem vereinbart, dass Pimco weiterhin für mindestens zehn Jahre Hunderte Millionen Euro konzerneigene Kapitalanlagen von Allianz verwaltet.
Pimco bildete bisher mit dem deutschen Fondsverwalter Allianz Global Investors (AGI) die Vermögensverwaltungssparte des Finanzkonglomerats; über eine Partnerschaft für AGI hatte Allianz 2024 mit Amundi ergebnislos verhandelt. Der Gewinn der Sparte ist zuletzt kaum noch gewachsen.
Das Geschäft aktiver Fondsverwalter steht global unter Konsolidierungsdruck. Aus Sicht von Allianz-Investoren gilt die Vermögensverwaltungssparte zudem als intransparent. Dies gipfelte im Betrugsskandal um die Structured Alpha Hedge Funds von AGI in den USA: Allianz einigte sich 2022 mit der US-Börsenaufsicht SEC und dem US-Justizministerium, fast 6 Mrd. € an Entschädigungen und Strafen zu zahlen und das US-Geschäft von AGI zu verkaufen.
Pimco gehörte seit 2000 zu Allianz und galt konzernintern als Governance-Risiko. In einem 2022 eingereichten SEC-Dokument steht, Pimco betreibe ihr Geschäft «getrennt und autonom» von der Mutter Allianz SE und ihren Töchtern. Allianz habe keinerlei Zugriff auf Pimcos Systeme und Kundenkommunikation. Was Kontrollfunktionen angehe, habe Pimco «ihre eigenen».
Wie seinen Vorgängern ist es Bäte in seinen fast zehn Jahren an der Spitze nie gelungen, den ertragsstarken Anleihenspezialisten aus Newport Beach zu integrieren. Für die Konzernzentrale in München war Pimco eine «Black Box», aus der immerhin stets Gewinn sprudelte: 2023 waren es 2,5 Mrd. €, 78% des Spartengewinns. AGI steuerte den kargen Rest bei. Von Pimcos Gewinn behält das Pimco-Management alljährlich etwa 30%, den Allianz-Aktionären stehen davon nur 70% zu.
Bäte folgt mit der Trennung dem grössten europäischen Konkurrenten Axa, der seine Investmentsparte kurz vor Weihnachten 2024 für 5,1 Mrd. € an die französische Grossbank BNP Paribas verkauft hat.
Dem neuen Chef der Deutschen Börse, Stephan Leithner, ist in seinen ersten Monaten an der Konzernspitze ein Coup gelungen: Die Börse übernimmt Bloomberg L.P., den weltgrössten Anbieter von Finanzdaten und Handelsterminals für Vermögensverwalter.
Damit setzt sich die Deutsche Börse im Geschäft mit Finanzdaten und Finanzinformationen weltweit an die Spitze. Bloomberg dominiert die Handelssäle rund um den Globus mit weitem Abstand vor der London Stock Exchange Group (LSEG). Der britische Börsenbetreiber hatte vor vier Jahren für 27 Mrd. $ die Ex-Thomson-Reuters-Tochter Refinitiv gekauft.
Leithner war gemäss Finanzkreisen mit dem 82-jährigen Gründer und 88%-Eigner Michael Bloomberg seit Jahren in Kontakt – und konnte ihn überzeugen, dass der Frankfurter Börsenbetreiber sein Lebenswerk unabhängig weiterentwickeln werde. Die Börse sticht damit den US-Börsenriesen Intercontinental Exchange (ICE) aus. ICE, unter anderem Betreiber der New York Stock Exchange (Nyse), hatte ebenfalls um Bloomberg L.P. gebuhlt.
Ein Verkauf an ICE kam für Michael Bloomberg, einen der grössten Trump-Kritiker, schon aus politischen Gründen nicht infrage. ICE-Gründer und -CEO Jeffrey Sprecher gehört zu Donald Trumps enthusiastischen Unterstützern; nach der Wahl pries er Trump, dieser habe «sehr viel Begeisterung an die Börsen gebracht». Sprechers Ehefrau Kelly Loeffler wurde von Trump zur Chefin der Small Business Administration ernannt.
Michael Bloomberg hatte im US-Wahlkampf die demokratische Kandidatin Kamala Harris unterstützt. Im vorhergehenden Wahlkampf 2019/2020 wollte der langjährige New Yorker Bürgermeister (2002 bis 2013) gar für die Demokraten gegen Trump antreten, verlor aber in den Vorwahlen.
«Forbes» schätzt den Umsatz von Bloomberg L.P. für 2024 auf 13,3 Mrd. $. Damit ist Bloomberg ungefähr doppelt so gross wie Refinitiv – und angesichts hoher Profitabilität wohl auch mindestens doppelt so teuer. Ein Kraftakt für die Deutsche Börse mit einer Marktkapitalisierung von nur 42 Mrd. €. Für LSEG hat sich die Grossakquisition gleichwohl gelohnt.
Europas grösster Energietechnikkonzern, Siemens Energy, verkauft seine jahrelang defizitäre Windsparte an den US-Rivalen GE Vernova. Damit zieht CEO Christian Bruch die Konsequenz aus der mangelnden Unterstützung der europäischen Windindustrie durch die Europäische Union. «Ohne Local-Content-Klausel für den subventionierten chinesischen Wettbewerb kann man als europäischer Anbieter kaum bestehen», heisst es in Kreisen von Siemens Energy.
Die Branche war im Sommer 2024 aufgeschreckt worden, als der Hamburger Projektentwickler Luxcara Chinas grössten Windradbauer Mingyang erstmals für einen Windpark in der Nordsee auswählte. Auch in Italien und Spanien machen sich Chinas Windanlagenbauer immer stärker breit.
Für GE-Vernova-Chef Scott Strazik ist der Erwerb der Siemens-Energy-Windsparte mit 10 Mrd. € Jahresumsatz und einem Auftragsbestand von 38 Mrd. € dennoch ein Coup: Damit verdoppelt Amerikas grösster Energietechnikkonzern sein Windgeschäft und steigt zum grössten Windanlagenbauer der westlichen Hemisphäre auf, vor der dänischen Vestas.
Zwar leidet die Siemens-Energy-Windsparte wegen Marktverwerfungen und Missmanagement unter hohen Verlusten, nach einem Minus von 1,7 Mrd. € im Geschäftsjahr 2024 (30. September) und geplanten 1,3 Mrd. € Verlust im laufenden Jahr soll im Geschäftsjahr 2026 aber die Gewinnschwelle erreicht werden.
GE Vernova wird mit dem Zukauf der mit Abstand grösste westliche Anbieter von Windrädern auf hoher See; hier ist Siemens seit über zwanzig Jahren die Nummer eins. Noch unter dem Dach von General Electric hatte GE Vernova dieses Geschäft verschlafen und erst 2019 eine eigene Turbine auf den Markt gebracht. Die geplante Aufholjagd schlug aber fehl und brachte nichts als Verlust. Strazik hatte deshalb im Dezember erklärt, man nehme seit längerem keine Offshore-Aufträge mehr an.
Die Beauftragung neuer Offshore-Windparks war zuletzt wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit ins Stocken geraten. Langfristig gilt Offshore-Wind indes als Wachstumsmarkt: Die Experten von Bloomberg New Energy Finance erwarten, dass sich die Installationen weltweit bis 2040 verzehnfachen.
Der globale Offshore-Markt soll sich bis 2040 verzehnfachen
Ein Grossteil des Zubaus dürfte vor den Küsten der USA stattfinden, wo bisher noch kaum Windparks stehen. So scheint GE Vernova in zweifacher Hinsicht ein besserer Eigner für das Siemens-Energy-Windgeschäft als der deutsche Konzern: Die USA können sich besser gegen chinesische Windräder abschotten als Europa.
Zugleich verfügt GE Vernova über eine weit stärkere Marktposition bei Windanlagen an Land (Onshore), ist auf dem riesigen US-Heimatmarkt mit Abstand die Nummer eins. Dagegen musste Siemens Energy ihre Onshore-Maschinen wegen Qualitätsmängeln über ein Jahr lang vom Markt nehmen; erst seit Herbst sind sie wieder im Vertrieb.
Die Amerikaner dürften weit weniger Skrupel als Siemens Energy haben, das chronisch defizitäre Onshore-Geschäft herunterzufahren oder ganz zu schliessen. Es stammt grossenteils von der spanischen Gamesa, die 2017 mit Siemens’ Windsparte zu Siemens Gamesa fusionierte. Siemens tat sich mit Restrukturierungen stets schwer. GE schloss nach der Übernahme des Energiegeschäfts der französischen Alstom auch deren traditionsreiche Turbinenfabrik in Mannheim, da man Standorte und Beschäftigte in Frankreich garantiert hatte.
Momentan, zu Beginn des Jahres 2025, passt der Deal indes tatsächlich nicht in die Zeit: Trump liebt Öl («Drill, baby, drill!») und hasst Windräder. Erst forderte er Grossbritannien auf, die Windräder in der britischen Nordsee abzubauen. Dann erklärte er, während seiner Präsidentschaft sollten möglichst gar keine neuen Windräder errichtet werden. «Sie vermüllen unser Land.»