Was Timothée Chalamet als Bob Dylan in «A Complete Unknown» trägt, strahlt über die Kinoleinwand hinaus und bis in die Modewelt. Vielleicht noch eine ganze Weile.
Sind hochgezogene Schultern ein Accessoire? Bob Dylan trägt sie zumindest wie eines. Und ähnlich wie eine plötzlich angesagte Vintage-Tasche ist sein offenkundiges Frösteln auf dem Cover des Albums «The Freewheelin’ Bob Dylan» aus 1963 zum Tiktok-Trend geworden. Unter dem Hashtag «Bob Dylan Core» wickeln sich junge Männer in Lederjacken und huschen in gerade geschnittenen Jeans durch den Winter. Der Schauspieler Timothée Chalamet tat für den Film «A Complete Unknown» (Schweizer Kinostart: 27. Februar) dasselbe.
Natürlich geht es bei der Geste mit den hochgezogenen Schultern vor allem auch um die Lederjacken und gerade geschnittenen Jeans, die man dabei trägt. «Bob Dylan Core» ist ein Nischenphänomen, das 2023 anfing und sich mit dem internationalen Anlaufen von «A Complete Unknown» verbreitete. Doch der Film selbst – er porträtiert den jungen Dylan zu Beginn seiner Karriere, zwischen 1961 und 1965 – ist ein Massenprodukt. Bisher hat er in den USA über 40 Millionen Dollar eingespielt. Ein Rekord für Searchlight Pictures, seit Disney das Studio 2019 kaufte. Die Bilder vom Filmset, in denen man die Outfits von Chalamet als Bob Dylan sieht, geistern schon seit letztem Frühling im Internet umher.
Schirmmützen und Shearling-Jacken
Damit ist das Schlaglicht auf den Stil eines Musikers gefallen, der immer einflussreich war, aber nie den modischen Status eines David Bowie oder eines Mick Jagger genoss. Bei der Produktion wurde kein Aufwand gescheut, um die Garderobe Dylans möglichst akkurat nachzubilden. 67 Outfits konzipierte die mehrfach Oscar-nominierte Kostümdesignerin Arianne Phillips für Timothée Chalamet, wie sie im Interview mit «The Art of Costume» sagte: «Es geht in der Geschichte darum, dass Dylan seine Identität findet, nicht nur als Künstler, sondern auch in seiner Beziehung zur Welt, und wie er sich selbst darstellen möchte.»
Zu Beginn ist das eine Annäherung an sein Vorbild, den Folksänger Woody Guthrie, mithilfe von Schirmmützen, Pendleton-Shirts, Arbeiterhosen und der Shearling-Jacke, die er auf dem Cover seines Debütalbums trägt. Mit der Zeit werden Dylans Hosen enger und sein Look stilisierter, er entdeckt in London den Mod-Look und Chelsea-Boots. Eine dunkle Sonnenbrille gesellt sich dazu und bleibt lange eine treue Begleiterin. Als «den originalen Hipster» beschreibt ihn heute die «New York Times» treffend.
Die modischen Eigenheiten eines Rebellen
Die Eigenheiten Dylans manifestieren sich auch im Kleinen. Seine damalige Freundin, die Künstlerin Suze Rotolo, nähte Denimflicken in die Hosenbeine seiner blauen Levi’s 501, um Platz für seine Lederstiefel zu schaffen. Die Veränderung – die Hose wirkt ein bisschen wie angeknabbert – ist subtil, aber wirksam. Und nun auch käuflich: Eine Nachempfindung der Jeans ist Teil einer Kooperation zwischen Arianne Phillips und Levi’s. Sie kostet 650 Franken. In Europa wird sie Mitte Januar lanciert; in den USA sind erste Grössen bereits ausverkauft.
Bob Dylans Stil mag etwas Unnachahmliches an sich haben. Wer sieht in einem dieser schmucklosen obligatorischen Regenmäntel für Touristen schon cool aus, wie Dylan es in einem Schnappschuss aus 1975 bei einem Trip zu den Niagarafällen tat? Das Angebot an Dylan-Mode ist trotzdem (oder gerade deswegen) gross, abgesehen von der neuen Levi’s-Kooperation.
Den Dylan-Stil kann man kaufen
Das amerikanische Label Barking Irons führt seit 2019 eine ganze Dylan-Kollektion, zu der auch eine Version der Shearling-Jacke von seinem ersten Albumcover gehört und die in Zusammenarbeit mit seinem Team entstand. Mit ihrem Preis von 249 Dollar ist sie im Gegensatz zu der Patchwork-Jacke, die Bob Dylan tatsächlich einmal trug, ein Schnäppchen: Julien’s Auctions versteigert ebendiese am 18. Januar mit einem Mindestgebot von 15 000 Dollar.
Nicht zuletzt posierte Dylan selbst 2023 für das Pariser Luxushaus Celine, fotografiert vom damaligen Kreativdirektor Hedi Slimane. Bis heute kann man sich dort mit dem archetypischen Rocker-Look eindecken, den er populär machte. Auch der Western-Wear-Hersteller Rockmount aus Denver, Colorado, wirbt auf seiner Website damit, dass der Musiker immer wieder seine Hemden trägt, etwa bei einem berühmten Duett mit Joan Baez 1963 (kariert) oder dem Entgegennehmen seiner Friedensmedaille von Barack Obama 2012 (weiss mit schwarzen Knöpfen).
Dylans Vorliebe für Arbeiterkleidung trifft ausserdem den Zeitgeist: Workwear durchzieht die Herrenmode heute von der Fast Fashion bis hin zum Luxus, auch wenn ihre wahren Wurzeln irgendwo dazwischen liegen. Den Chore-Coat etwa, einst ein simpler Arbeitskittel, findet man nun in jeder erdenklichen Preis- und Qualitätsklasse.
Warteliste für Mokassins
Nicht nur deswegen könnte uns sein Look länger begleiten. Serien und Filme sind in der Herrenmode zu wichtigen Trend-Katalysatoren geworden. Man denke nur an die frenetische Suche nach den weissen T-Shirts aus «The Bear», die unter anderem zu der deutschen Marke Merz b. Schwanen führte. Die Warteliste für die Minnetonka-Mokassins aus dem Tarantino-Film «Once Upon a Time in Hollywood» (2019) zählte eine Woche nach Kinostart bereits 2000 Namen.
Der «A Complete Unknown»-Hauptdarsteller Timothée Chalamet heizt derweil auf der Promotionstour für den Film fleissig das modische Feuer ein. Er bedient sich an Dylans Markenzeichen, indem er etwa immer wieder – letztmals an den Golden Globes – neue Wege findet, einen Schal wie beiläufig um seinen Hals zu schlingen.
Das funktioniert nicht immer. Der Spott über seinen Look mit blonden Fransen und blauem Beanie verwandelte sich erst dann in eine Mischung aus Amüsiertheit und Bewunderung, als aufmerksame Beobachter auf die Hommage an ein Dylan-Outfit aus 2003 hinwiesen.
Timothée Chalamet sieht darin nämlich so aus, wie es Bob Dylan nie tut: verkleidet. Vielleicht zieht man also doch lieber die Schultern hoch und wickelt seine Jacke ein kleines bisschen enger um den Oberkörper.